Veranstalter in Focus: Rock Rainbow
05.10.2007
By Roger W.
Ein heisser Herbst steht uns bevor. Viele Veranstalter haben in diesen Tagen ihr Winterprogramm bekannt gegeben. Und schon hören wir wieder die Stimmen, die sich über zu hohe Ticketpreise aufregen. Viele vergessen dabei, dass jedes Konzert für den Veranstalter ein Risiko darstellt, und dass das investierte Kapital erst einmal wieder zurückverdient werden muss. Roger Wetli wollte wissen, wie die Realität wirklich aussieht und befragte dazu Reto D'Amelio von Rock-Rainbow.

MF: Reto, wie sieht eine „Milchbuchrechnung“ eines grösseren Konzerts wie z.B. Beim letzt jährigen Helloween-Kozert in Uster aus?

RD: Vorerst muss ich klar stellen, dass ich einer Schweigepflicht über Gagen unterstehe, und darum jetzt keine genauen Zahlen nennen darf. Was ich aber sagen kann ist, dass der gesamte Aufwand. bei ca. 45'000 Fr. lag. Diese Zahl entsteht durch viele Komponenten, über welche die meisten Konzertbesucher nichts wissen. Das geht von der Clubmiete, über die gesamte Technik, PA, Techniker und Licht. Dazu kommen mit einem ziemlich grossen Teil die Gagen, das Essen für die Bands, welches zum Teil höhere Ansprüche stellt, und die Hotels für die Bands. Diese werden auch benötigt, wenn die Bands mit dem Nightliner unterwegs sind. Denn wenn es im Lokal keine Duschen hat, dann möchten die Musiker ein Tageszimmer. Und das entspricht dann einem Normaltarif, der gleich hoch ist wie eine Übernachtung. Weiter kosten die Werbung, die SUISA und vor allem die Quellensteuer, die man für alle ausländischen Künstler zahlen muss. Die Quellensteuer ist eine Steuer auf die Einnahmen der ausländischer Musiker, welche der Veranstalter zahlt. Das sind so die wichtigsten Sachen, welche so die 45'000 Fr. zusammenstellen. Das sollte aber keine Abschreckung für Leute sein, die etwas in der Szene machen möchten. Wichtig ist, dass man ein wohlüberlegtes Budget zur Seite hat. Weil gerade von den SUISA-Gebühren und den Quellensteuern wissen die meisten Konzertbesucher nichts, so dass sie bei Erstveranstaltungen leicht vergessen gehen.

MF: Du sprichst von einer Schweigepflicht die du eingehst. Ist das mehr eine Art „Ehrencodex“ oder eine Sache, die du mit dem Vertrag unterschreibst?

RD: Nein, das unterschreibe ich bei jedem Bandvertrag, den ich abschliesse. Da steht dann, dass keine Dritte Person über die Gagen informiert werden darf. Die Gagen machen immer ca. 50 – 60% der Gesamtkosten aus. Also die Gagen sind schon ein grosser Posten. Die Konzertbesucher sehen in der Regel immer nur die Gagen und die Eintrittspreise. Daraus könnte man sich einfach errechnen, dass jeder Konzertveranstalter sich eine goldene Nase verdient. Aber das ist nicht so, weil Hotels, anspruchvolles Essen, Techniker, PA, Einmietung, etc, etc, dazukommen.

MF: 45'000 Fr. sind viel Geld. Was für Einnahmequellen gibt es?

RD: Primär mal die Eintritte der Leute, und dann Einahmen durch den Getränke und Speiseverkauf. Schlussendlich ist es aber immer ein Würfelspiel und meistens bleibt da nicht viel übrig. Den Gewinn investieren wir in Schweizer-Bands. Damit die was erreichen können, braucht es auch Geld. Vor allem die CD-Produktionen, Bemusterungen von Veranstalter und Presse kosten viel Geld und Zeit.

MF: Gibt es vom finanziellen Aufwand grosse Unterschiede zwischen den ausländischen und schweizerischen Bands?

RD: Es gibt unterschiede. Die Gagen sind bei Schweizer Bands generell tiefer als bei Ausländischen. Was viele Leute dabei nicht sehen ist, dass man dieselben Lokale für grosse und auch kleine schweizer- und ausländische Bands buchen muss. Dort ändert sich am Preis nichts. Die tieferen Gagen einheimischer Künstler sind aber auch gerechtfertigt. Denn für eine Band, die in kurzer Zeit an vielen Orten in der Schweiz spielt, kann man schlicht nicht die Eintrittspreise verlangen, die man eigentlich bräuchte. Und so ist das Risiko bei schweizerischen und ausländischen Bands etwa gleich gross. Die Gesamtkosten bleiben natürlich tiefer, bringen dafür auch weniger Besucher, so dass sich das Verhältnis in etwa anpasst.

MF: Das Risiko bei Schweizer Bands ist also generell höher, weil sie hier mehr Auftritte haben?

RD: Ja genau.

MF: Du hast gesagt, dass du nebenbei noch Bands CD-Produktionen ermöglichst und promotest. Kannst du uns mehr darüber verraten?

RD: Gewisse Bands, für welche wir das Booking machen, unterstützen wir finanziell. Das sind vor allem Gruppen, die nicht sehr viel Geld auf der Seite haben. Wobei wir ehrlich gesagt auch nicht viel überschüssiges Kapital haben. Aber wenn wir Gewinne machen setzten wir es da wieder gut ein. Schön wäre es, wenn wir so wieder Sachen wie früher Celtic Frost aufleben könnten.

MF: Siehst du dich in diesem Bereich denn mehr als Bank oder als Label?

RD: Wir machen eigentlich ein bisschen alles. Wir vertreiben aber die CDs nicht selber. Wir sind primär eine Booking-Agentur, die versucht, seine Bands zu vermitteln, und das natürlich auch zu einem gerechten Preis. Weil Bands wie Requiem und Konsorten sollten auch ihren entsprechenden Preis haben, da das etwas vom Besten ist, was wir in der Schweiz haben. In solchen Fällen sind wir bereit einer Band eine Tour zu finanzieren, damit die rumkommen oder damit die Werbung für sich, und bei Requiem auch für die Schweiz im härteren Metal-Sektor machen können.

MF: Ein anderes wichtiges Thema sind Gagen für kleine Bands. Gibt es da Richtwerte, was eine solche Gruppe verlangen kann?

RD: Eine Verallgemeinerung ist schwierig. Meine Philosophie ist die, dass eine Band immer so viel verlangen kann, wie sie Leute bringt. Schlussendlich finanzieren die Fans, welche die Band sehen wollen, die Band. So muss man das sehen. Wenn eine Band keine Leute bringt, dann will sie schlicht keiner hören. Und das ist einfach die Realität, die viele Leute nicht sehen. Klar es gibt viele Bands die gut sind, und trotzdem keine Leute ziehen, dass ist dann aufgrund einer Marktübersättigung. Also wenn an den Wochenende zu viel los ist. Der Fan muss sich mittlerweile an vielen Wochenenden zwischen 10 – 15 Events entscheiden. Bands die dann fast jedes Wochenende spielen, gehen da natürlich ein wenig unter. Die Philosophie ist aber schon so, dass man einer Band, die 200 Leute bringt, oder wie Requiem, die jedes mal sicher 120 Fans anziehen, etwas zahlen kann. Die Rechnung geht dann auch auf beiden Seiten auf. Mit einem gewissen Teil der Eintritte wird natürlich der restliche Aufwand gedeckt und ein Teil geht an die Band. Da muss man schon ehrlich sein und halt auch die Konsequenzen ziehen, falls es nicht klappt. Also wenn eine Band keine Leute bringt sollte sie sich was einfallen lassen oder auflösen. Es ist hart, ist aber nun mal so. Einschränken kann man sich’s auch, wenn man zu viel spielt, oder zu viele Feinde im privaten Umfeld hat. Das wirkt sich dann alles auf die Band aus.

MF: Du hasst bereits erwähnt, dass wir in diesem Herbst sehr viele Konzerte haben. Wie ist das Verhältnis unter den Veranstalter? Herrscht da eine harte Konkurrenz oder pflegt man da einen freundschaftlichen Umgang?

RD: Bis jetzt geht das eigentlich gut. Z.B. habe ich am Back To Rock Festival mit deren Veranstalter kommuniziert und ihm ein Feedback gegeben, worüber er sehr froh war. Wenn man da vielleicht noch ein bisschen mehr untereinander kommunizieren würde, wäre das sicher eine gute Sache. Im Undergroundsektor, wo wir viele Sachen machen, ist es aber schon so, dass man sich abspricht. „Kannst du schauen, dass du an diesem Tag nichts machst?“ und so. Das Verhältnis ist also schon kollegial. Eine Zusammenarbeit ist aber vielfach schwierig, weil jeder aus Idealismus einfach sein Ding durchziehen möchte. Das finde ich auch richtig so. Aber so grosse Konkurrenz mit Streit gibt es nicht. Solange man gegenseitig an den anderen Events Werbung für sich machen kann, sehe ich da kein Problem.

MF: Reto, du organisierst mittlerweile seit 3½ Jahren Konzerte. Gibt es da DAS Erlebnis, an welches du dich noch lange erinnern wirst?

RD: Für mich persönlich sind Helloween eine meiner absoluten Lieblingsband, und das seit beinahe 15 Jahren. Oder Necrophobic. Ich war natürlich immer bestrebt auch Bands zu buchen, hinter denen ich zu 100% stehen kann. Also Bands, die ich selber gerne sehen möchte, und die vielleicht schon lange nicht mehr in der Schweiz aufgetreten sind. Mit Ausnahme von Helloween halt. Gerade im Black Metal gibt es viele Bands, die es nie geschafft haben, in die Schweiz zu kommen. Da war ich immer dran, um die hierher zu holen. Und damit auch Leute zu bedienen, die diese Musik ebenfalls schon lange hören, die es aber nie geschafft haben, ihre Lieblinge live zu sehen. Eindrücklich war z.B. als mir der Helloween Sänger Andy Deris letztes Jahr in meiner Küche gesagt hat, dass er sehr zufrieden sei. Das war dann schon eine Ermutigung und ein Grund weiterzumachen und nicht aufzugeben. Als wir angefangen haben, haben alle Leute prophezeit, dass wir zwei, drei Konzerte organisieren, und danach wieder aufgeben würden. Heute sind wir 3½ Jahre dabei und das mach schon stolz. Mein Charakter lässt es auch nicht zu, da einfach aufzugeben, weil ich lieber weiterkämpfe. Klar hatten wir auch unsere Tiefs, bin ich da gestanden und habe mir gedacht, dass es das nicht mehr sein kann. Aber das waren sehr kurze Momente. Es gab also deutlich mehr positive Erfahrungen die uns ermuntert haben.

MF: Was sind deine Zukunftswünsche?

RD: Ich hoffe, dass Kai Hansen (Sänger von Gamma Ray) sehr gut gelaunt ist an unserer Veranstaltung und dass ihm alles passt. Und das andere ist, dass die Fans nach diesem Interview verstehen wie die Eintrittspreise entstehen, und dass dieses Thema jetzt für eine Zeit ruhen gelassen wird. Ich gehe auch oft selber an fremde Anlässe, zahle den Preis und schaue noch nicht mal wie viel es kostet, da ich weiss was dahinter steckt. Ich möchte dass die Leute das auch sehen und dann nicht mehr nur denken, dass diese Band ja nicht so viel kostet. Es gibt einfach immer wieder die gleichen Diskussionen, die mich nerven. Die Leute sollen lieber helfen, dass unsere Szene anläuft. Denn im Moment ist es schon sehr gut, und wenn jeder miteinander redet und Werbung macht, dann werden die Veranstaltungen auch gut laufen. Und wenn die gut laufen, kann man sich auch überlegen, ob man mit den Ticketpreisen zurückgehen kann weil man mit den Massen rechnen kann. Das Wünsche ich mir.