Movie-Spezial! Dark Star - HR Gigers Welt
03. Oktober 2014 by Lucie W.
Frenetic Films, Verleih Columbus Film Zürich
. Ein Film von Belinda Sallin


DARK STAR -
HR Gigers Welt

Mit Hans Ruedi „H.R.“ Giger ist im Mai diesen Jahres einer der grössten bildenden Künstler seiner Zeit von uns gegangen. Der Dokumentarfilm „Dark Star - HR Gigers Welt“, der ab 23. Oktober in ausgewählten Kinos zu sehen sein wird, zeigt den somit in seinen letzten Lebensmonaten zwischen Juni 2013 und März 2014.

Die Fertigstellung erlebte Giger nicht mehr, er stürzte in seinem Haus die Treppe hinunter und erlag seinen Verletzungen. In diesem Wissen ist denn auch gleich die erste Szene des Films, in der man Giger sieht, tragisch: sie zeigt den etwas gebrechlichen, alten Mann von 73 Jahren, langsam eben diese Treppe hinaufsteigen. Die knarrenden Stufen zeugen vom nicht minder hohen Alter des Hauses, das er mit seiner Familie bewohnt. Eigentlich sind es drei Häuser, Nr. 1, 2 und 3, die den Lebensraum Gigers bilden, und regelrecht selbst zu einer seiner Kreaturen geworden sind. Dunkle Räume, überall hängen Gigers Werke, stehen seine Statuen und Plastiken, Regalbretter biegen sich unter den Last von unzähligen Bücherbergen, Skizzen, Papieren. Der Garten wurde von Giger selbst in eine Geisterbahn für Erwachsene umgestaltet, eine kleine Bahn fährt durch Tunnel mit seinen dämonischen Frauenfiguren und leidenden Föten. Dies ist das Innerste von Gigers Welt, in der er selbst wie ein dunkler Stern den Mittelpunkt bildet.

Daher der Titel des Dokumentarfilms, dessen unglaublich sensible und detailverliebte Kameraführung die Atmosphäre dieser Welt perfekt einfängt. Der Film zeigt mehr den Menschen Giger als den Künstler, der trotz seines Alters, seiner Schwäche und seiner kratzenden Stimme, trotz der Langsamkeit seiner Bewegungen immer noch charismatisch, sympathisch und fast schon rührend sensibel wirkt. Man erfährt nach und nach seine Lebensgeschichte, lernt seine Kunst kennen und was hinter den düsteren, teils verstörenden und dennoch oft so schönen und ästhetischen Darstellungen steckt. Überraschend ist, wie wenig Giger mit seinen Bildern und Figuren gemein hat, wie unähnlich er ihnen ist. In einer der ersten Szenen des Films zeigt er einen menschlichen Schädel, den er als sechsjähriger von seinem Vater, der Apotheker in Chur war, erhalten hat und sagt: „Den Tod in die Hände zu nehmen ist eine unangenehme Sache. Also habe ich den Schädel an eine Schnur gebunden und hinter mir her gezogen, wenn ich die Strasse entlang gegangen bin. Ich wollte zeigen, dass ich keine Angst vor dem Tod habe.“ Angst war denn auch einer der Hauptantriebe für Gigers Schaffen, er hatte oft Albträume und durch die Abbildung dieser schrecklich Bilder hoffte er, Kontrolle darüber zu bekommen. Diese sensible Seite des Künstlers wird im Film sehr schön gezeigt. Wunderbar sind z.B. die Szene mit Katze Müggi, die Giger heiss und innig liebt, sehr traurig diejenige, wo er vom frühen Selbstmordtod seiner ersten Ehefrau erzählt. Sieht man Giger an der Arbeit, so hat man fast das Gefühl, dass eine verborgene Macht seine Hand leitet, die nicht von dieser Welt kommt, und für die er nur das visuelle Sprachrohr ist. Die Zeitkritik, die in Gigers Arbeit steckt, wird auch erst bei genauer Betrachtung deutlich, klarer tritt hervor, wie er die Abgründe menschlichen Seins, menschlichen Denkens portraitiert und die Faszination der Finsternis, der Dunkelheit einfängt.

Für Metalheads sehr interessant ist sicherlich auch die Rolle, die Giger für Celtic Frost und vor allem für Tom Gabriel Fischer gespielt hat, oder besser gesagt, welche Beziehung die beiden hatten. Fischer erzählt, dass er über das Telefonbuch Gigers Adresse herausfand und ihm eine krakelige Nachricht schrieb, was ihm und den anderen Mitgliedern von Celtic Frost seine Kunst bedeutete. Giger rief ihn an - übrigens kurz nachdem er den Oscar für Alien bekommen hatte - und sagte, er sehe die Verbindung ebenfalls. Daraus entstand eine enge Bindung, Fischer arbeitete bis zu Gigers Tod auch als sein Assistent und die beiden verband eine tiefe Freundschaft und gegenseitiger Respekt.



Besonders hervorzuheben ist noch die wirklich sehr gute Filmmusik, die nicht zu dominant aber auch nicht zu zurückhaltend ist, und die Stimmungen wunderbar unterstreicht. Die Filmemacherin selbst, Belinda Sellin, kommt nie zu Wort, es wird nicht kommentiert oder gefragt. Der Film nimmt unaufdringlich am Leben eines unglaublich talentierten und einzigartigen Künstlers teil und lässt den Zuschauer einen kurzen Einblick in sein grosses Werk, sein bewegtes Leben und sogar seine feinfühlige Seele, seinen feinen Humor, haben. Gegen Ende sagt Giger: „Ich glaube nicht, dass nach dem Tod nochmals etwas kommt. Das wäre unangenehm.“ und „Was ich sehen wollte, habe ich gesehen, was ich machen wollte, habe ich gemacht. Ich bin mit mir zufrieden.“ Mit diesen Worten darf man eine Welt, der man so viel hinterlassen hat, auch verlassen.

Meiner Meinung nach ist dieser Film ein absolutes Muss, auch wenn man nur bedingt kunstinteressiert ist, denn Giger gibt einem viel mehr mit, als nur die blosse Darstellung.

Weitere Infos auf: http://www.darkstar-movie.com