Bericht: Mötley Crüe in Los Angeles
By Maiya R.B.
Nach sieben Jahren Amerika-Abstinenz wurde es Zeit für mich, einem der beliebtesten und zugleich verhasstesten Länder der Welt wieder mal einen Besuch abzustatten. Meine zweiwöchigen Ferien verband ich mit einem Konzert der guten alten Mötley Crüe, die ich aufgrund meines jungen Alters bisher leider noch nie live erleben durfte. Der Flug und das Hotel wurden gebucht, die Konzertkarten bestellt, und schon bald sass ich mit meiner Begleit-Truppe im Flugzeug in Richtung Westen.

Das Forum bietet 17'000 Zuschauern Platz, also ein wirklich riesiger Bau, in dem man sich als Ausländer nicht gerade leicht zurecht findet. Deshalb begleitete uns mein guter Freund Jonas, der schon vor vielen Jahren seiner schwedischen Heimat den Rücken zukehrte, um in Angel City in einem Rock-Shop zu arbeiten und den kalifornischen Lifestyle zu geniessen. Mit einem Einheimischen an unserer Seite machten wir uns also an jenem Mittwoch Abend auf den Weg nach Inglewood, wo wir erst mal bei "Will Call" anstanden, um unsere Tickets abzuholen. Man sah eine Menge exotischer Fans da, vor allem Frauen mit toupierten Haaren und Spandex-Klamotten. War das ein herrlicher Anblick! Wie wir da so in der Schlange standen, flüsterte mir Jonas plötzlich ins Ohr, dass der Schwarzhaarige vor uns der Drummer der Murderdolls sei. Ich musste über diese unerwartete Begegnung erst mal leer schlucken. Ich hatte ihn gar nicht erkannt, weil er seine Zöpfe nicht mehr hat und stattdessen die Haare jetzt kürzer und toupiert trägt. Nun hatten wir also endlich unsere Tickets in der Hand, und ich überlegte hin und her, ob ich meine Digicam mit rein nehmen soll. Schweren Herzens brachte ich sie dann ins Auto zurück, zum Glück! Denn wer bei der Kontrolle eine Kamera dabei hatte, der wurde erst mal auf's Übelste angeschnautzt und durfte sein Knipsgerät auf nimmer Wiedersehen in einen eigens dafür hingestellten Container werfen.

Endlich betraten wir das Forum, wo Mötley Crüe auch schon am Spielen waren. Wir hatten uns leider etwas verspätet, weil Jonas aus unerfindlichen Gründen hundert Mal um die Parkplätze rumkurvte. Wie auch immer, kaum waren wir im Forum drin, haute mich erst mal die Bühnendekoration um! Sie hatten zwei rot-weisse Zirkuszelte auf der Bühne, ganz im Sinne ihrer "Red, White & Crue Tour 2005". Vor meiner Abreise hörte ich oft den Satz "ist ja ganz cool, aber glaubst du, die haben's noch drauf?" Ja ihr Skeptiker! Sie haben's noch drauf! Sie zogen eine unglaubliche Show ab, gaben ihre grössten Hits zum Besten und verzückten ihre Fans mit einer sauguten Stimmung. Immer wieder riefen sie ihrem Publikum zu, wie toll es sei, in der Heimatstadt zu spielen. Vince Neil schwang gekonnt die Hüften zu den Klängen seiner saitenzupfenden Kumpels. Tommy Lee seinerseits zückte zwischen zwei Songs plötzlich eine Videokamera und erklärte dem Publikum, dies sei die Tittie-Cam, und er werde sie jetzt einsetzen. "Wer hat die grössten falschen Titties hier?" fragte er. Dann rief er Pamelaaaa!" Und da sah man auch schon Pam Anderson persönlich auf der Leinwand. "Zieh dein Shirt hoch!" forderte Tommy seine noch-Ehefrau (wieder-Ehefrau oder wie auch immer) auf. Pam aber zierte sich. Nun stieg auch die tosende Menge in Tommy's lautstarke Aufforderung ein. Die Leute brüllten "zieh es hoch, zieh es hoch!" Aber Pam vergrub ihr geniertes Gesicht in der muskulösen Brust ihres Begleiters. Schade Pam, als hätten wir's nicht alle schon mal gesehen. Tommy Lee liess sich aber nicht lumpen und zielte mit der Kamera auf andere mutige Kandidatinnen, die nicht zögerten, ihre Shirts hoch zu heben. Mr. Lee war begeistert und beendete die Tittie-Show mit den Worten "God bless the american titties!" Plötzlich hiess es "wir sind in zehn Minuten zurück!"

Eine Einheimische auf dem Sitz neben mir sagte mit einem Augenzwinkern: "Sie sind eben nicht mehr die Jüngsten. Wahrscheinlich müssen sie alle pinkeln oder einfach mal verschnaufen." Immerhin ging es pünktlich weiter mit noch mehr grossen Hits. Ihren wohl grössten Hit "Girls girls girls" eröffneten sie würdig mit dem Gebrumme aufheulender Harleys, mit denen sie auf der Bühne herumkurvten. Die nächsten paar Songs wurden optisch untermalt von exotischen Akrobatinnen, die auf Trapezen herumturnten. Das mag sich jetzt nach etwas zuviel Eindrücken anhören, aber es war keine Sekunde langweilig oder übertrieben. Die Bühne war ein reines, organisiertes Chaos: Pyros hier, Explosionen da... - Und dann kam etwas, worauf wohl alle gewartet hatten: Tommy Lee's Drum-Solo! Das war sowas von spektakulär! Sie hatten zwei Podeste aufgebaut, hoooch oben, wo man sich schnell mal den Kopf an der Decke hätte anstossen können. Auf den Podesten thronten zwei Drumkits, zwischen denen Tommy Lee an seinem Mini-Flaschenzug hin und her turnte, um sein Können zu demonstrieren. Erst war er links, dann dreschte er rechts auf sein Schlagzeug ein..., die Menge tobte und jubelte über diese Einlage. Als er zum sechsten Mal auf dem rechten Podest landete, passierte etwas Merkwürdiges. Ihr kennt alle diesen Effekt: Man schaut lange auf einen hellen Punkt, und sobald man gerade danach eine dunkle Fläche ansieht, hat man immer noch das helle Muster vor Augen. Nun ja, so war's hier auch. Es gab eine sehr helle, von viel Rauch begleitete Explosion neben dem Drumkit, und dann gingen plötzlich die Lichter auf der Bühne aus. Was man nun auf der Hornhaut gespeichert hatte, war aber nicht einfach ein dunkler Fleck, sondern das umgekehrte Pentagramm. Mötley konnten es wieder mal nicht lassen... - Das war aber noch nicht alles! Wo kämen wir denn hin, wenn Tommy's Drum-Solo im rotierenden Käfig fehlen würde! Er prügelte dem Schlagzeug die Seele raus, der Käfig drehte sich immer wieder um die eigene Achse, begleitet von Pyros und dem frenetischen Kreischen des ekstatischen Publikums... - Wie oft hatte ich das schon im TV gesehen, aber jetzt und hier, ein paar Meter vor meiner Nase..., ich konnte in dem Moment gar nicht richtig begreifen, dass ich wirklich da war und dass meine eigenen Augen das gesehen haben. Auch jetzt noch kommt mir das so unrealistisch vor. Aber ich seh' die Jungs bald wieder in Schweden, und dann werd' ich die Show m
it einem klareren Bewusstsein geniessen können. Mötley Crüe, see you guys in Sölvesborg!