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"…Wir sind in diese Welt gekommen, sie ist wie sie ist, sie ist kaputt, und wir können nichts daran ändern …“
In der ländlichen Idylle des Berner Seelandes durfte ich die Jungs von Causam treffen, deren Debüt „Doomsday Rapture“ nicht nur in der Schweizer Black Metal Szene auf mehr als gönnerhaftes Wohlwollen gestossen ist. Bei all der düsteren Thematik erwiesen sich Abaddon (Drums), Arawan (Guitars), Arcis (Guitars), Andras (Bass) und Grievas (Vocals) als überaus redselige, humorvolle und bodenständige Gesprächspartner, die sich auch bezüglich Interviewverhalten (Stichwort ex-Gorgoroth – Frontmann Gaahl, wir haben uns krummgelacht…) herzlich wenig um die typischen Black Metal – Klischees scherten.
MF: Herzlichen Glückwunsch zum Debüt, die Reaktionen darauf sind durchweg positiv. Hat es euch überrascht, dass das erste Causam-Album auf Anhieb beim Publikum wie auch bei den Rezensenten dermassen gut angekommen ist?
Abaddon: Für mich war es total überraschend, ich hätte es nicht erwartet. Es ist mega, dass es so gekommen ist, ich freue mich riesig darüber. Aber gleichzeitig hat es mich auch vom Sessel gehauen.
Arawan: Dem schliesse ich mich an. Ich hatte nicht mit dermassen vielen Rückmeldungen gerechnet. Das Gleiche gilt für Review-Anfragen. Wir wurden sogar gefragt, ob man einen unserer Songs covern dürfte. Ich bin gespannt, ob da noch was kommt, ich habe demjenigen jedenfalls mal die Tabs des betreffenden Songs geschickt. Es ist einfach toll zu sehen, wie Menschen auf der ganzen Welt Freude am Album haben. Das spiegelt sich auch in den Bestellungen wieder, die in unserem Merch-Shop eintreffen. Ich war wirklich überrumpelt, deshalb habe ich sogar noch eine Woche frei genommen, damit ich diesen momentanen Hype, den es halt rund um Causam gegeben hatte, etwas auskosten konnte. Ich hatte da mit vielen Leuten Kontakt, um den Shop auch noch etwas ausbauen zu können, es ist einfach geil.
Arcis: Siehe auch YouTube, Black Metal Promotion, wie viele Klicks da in kürzester Zeit zusammengekommen sind.
Arawan: In zwei Wochen rund dreissig tausend. Jetzt stagniert es etwas bei zirka vierunddreissig tausend.
Arcis: Es gab viel Feedback und vorwiegend gutes Feedback. Zumindest bis jetzt kein schlechtes, ausser vielleicht bei YouTube-Kommentaren.
Arawan: Naja, vielleicht dreissig oder vierzig Dislikes auf knapp zweitausend Likes…
Grievas: Internet-Standard…
Abaddon: Musik ist immer Geschmackssache.
Grievas: Bei uns war es einfach so, dass wir froh darüber waren, dass das Album fertig produziert ist. Wir sind danach nicht heimgefahren und haben darauf gewartet, dass es einschlägt. Es war eher so, dass wir uns einfach startbereit gemacht haben. Wir wollten uns erst mal nach getaner Arbeit etwas ausruhen, aber dann haben sich die Ereignisse für uns geradezu überschlagen im Sinne von „schaut mal her, was der dazu geschrieben hat“… damit hatten wir wirklich nicht gerechnet. Dass das Debüt vor allem einer Schweizer No Name – Black Metal Band so gut ankommt, speziell auch in Brasilien oder generell Südamerika…
Abaddon: Und jetzt Kroatien.
Andras: Australien…
Grievas: Das ist wirklich cool.
Andras: Selbst bei mir auf der Arbeit kamen Komplimente von Leuten, von denen ich diese nicht erwartet hätte. Oder aus meiner alten Heimat hat mir jemand geschrieben, es sei ein ganz, ganz starkes Album. Dieser Hype ist aufs Mal gekommen, da hat man am Abend den Computer eingeschaltet und realisiert, dass nach drei Stunden schon fünftausend Likes da sind. Da denkt man dann schnell mal, wow, wo führt das noch hin? Das ist echt cool.
Arawan: Was ich auch noch witzig finde ist, dass wenn man auf Spotify schaut, dann sieht man, dass von der Anzahl Hörer her die Schweiz auf Platz fünfzehn ist. Wir haben also vierzehn andere Länder, in denen wir häufiger angehört werden als in der Schweiz, und das als Schweizer Band. Wir existieren halt momentan nur digital und hoffen daher, dass das Black Hole Fest im Oktober wirklich stattfindet.
Abaddon: Tja, Corona sollte endlich überwunden werden, damit wir starten können.
MF: Stichwort Corona: Es hat mich überrascht, dass sich ausgerechnet jetzt eine neue Band gründet und so schnell eine CD auf den Markt wirft, obwohl noch völlig unklar ist, wie sich die Auftrittsmöglichkeiten in den nächsten zwei Jahren entwickeln werden. Was war eure Motivation dazu?
Abaddon: Also die Gründung war noch vor Corona. Damals dachten wir noch wir könnten auftreten, aber dann kam dieser ganze Scheiss. Das hat allerdings unsere ganze Motivation absolut nicht gebremst. Wir haben uns einfach gesagt gut, machen wir Lieder, Lieder, Lieder, hauen eine CD raus, machen aber danach sofort wieder neue Lieder… Wie viele neue Songs haben wir in der Zwischenzeit?
Arawan: Etwa ein Album.
Abaddon: Eben. Aber das macht nichts, so können wir jährlich ein Album rausbringen. Darum geht es ja auch. Wir wollen nicht „Nur“ live spielen, wir wollen auch, dass es sich die Leute zu Hause anhören können. Ich denke, am Anfang werden wir eher regional auftreten, in der Schweiz, vielleicht in Deutschland. Das hängt halt davon ab, was Corona zulässt. Wie weit darf man reisen? Was sind die Bedingungen? Wie viele Veranstalter wird es überhaupt noch geben? Es bleibt abzuwarten, und wir machen einfach fleissig weiter.
Arawan: Diesbezüglich bin ich auch gespannt auf unser Booking. Es hat Sitz in Deutschland, der Vertrag ist weltweit ausgelegt. Am Anfang wird der Fokus sicher auf die Schweiz und die Nachbarländer gerichtet sein, aber wie Abaddon eben bemerkt hat, es kommt halt auf die Bedingungen an, was überhaupt erlaubt sein wird. Deshalb denke ich auch, dass die ersten paar Auftritte in der Schweiz sein werden, was aus meiner Sicht auch Sinn macht.
MF: Ihr seid ja nicht Newcomer im eigentlichen Sinne, jeder von euch hat eine musikalische Vorgeschichte oder hat sogar noch parallel zu Causam etwas am Laufen. Könnt ihr uns etwas zu eurem musikalischen Background erzählen?
Abaddon: Ich hatte 2002 Dark Shadow gegründet und im Dezember 2019 aufgelost, weil die Motivation einfach gefehlt hat. Es ging einfach nicht mehr vorwärts, wir hatten auch ständige Besetzungswechsel. Danach hatte ich kurze Zwischenspiele bei Nekromant und Bloody Blasphemy. Für mich war Musik einfach immer mein Leben, und deshalb wollte ich auch wieder eine Band gründen, in der es vorwärts geht und die Mitglieder motiviert sind.
Andras: Das ist das Gute an dieser Band. Man merkt dass alle wollen, alle ziehen an demselben Strang. Arawan kommt ständig mit einem neuen Stück daher, während dem wir noch nicht mal richtig vertraut sind mit den anderen neuen Songs. Das ist es was ich schätze, es geht was. Jeder kümmert sich um irgendwas, manche mehr, manche weniger, aber im Endeffekt sind wir eine Band. Ich komme ja eigentlich aus der Punkszene, aber ich habe die dementsprechende Band kürzlich verlassen, weil es zeitlich einfach nicht mehr drin lag, von der Arbeit her, von der Familie her. Und es ging auch da irgendwie nicht mehr vorwärts, es war irgendwie stecken geblieben. Und vom zeitlichen und physischen her hatte ich irgendwie keinen Bock mehr darauf, ständig nach Brienz zu fahren. Mir sind die Jungs hier ans Herz gewachsen. Für mich ist jeder Mittwoch wieder ein Highlight, man geht gerne zur Probe und spielt das Zeug auch gerne.
MF: Ihr kommt also nicht alle aus der Black Metal – Szene?
Arawan: Wir sind ein bunter Mix, würde ich sagen.
Arcis: Also ich nicht, für mich war‘s neu. Ich spiele zwar schon lange Gitarre, und das in verschiedensten Bands, Metal, Rock, Folk, alles Mögliche. Es war nie was Grosses dabei, sagen wir mal so, aber ich habe verschiedenste Erfahrungen gemacht mit verschiedensten Musikern oder Kollegen halt und Live-Auftritten. Und Metal wollte ich grundsätzlich schon machen. Ich bin vor zwei, drei Jahren in die Schweiz gezogen und habe mir eine Band gesucht. Da habe ich mal bei Ephedra aus Zofingen gespielt, Stoner Rock, das hat mir auch sehr gefallen. Aber es ging mir dabei wie Andras, es war zu weit weg, und ich wollte da wegen der langen Fahrerei einfach keine Kompromisse eingehen. Da hat mir dann jemand den Facebook – Post von Abaddon gezeigt, so bin ich an ihn geraten. Er hat mir seine Ideen erklärt. Natürlich kannte ich Black Metal schon, aber nur oberflächlich, doch mir wurde schnell gezeigt wie man es macht, vor allem auch durch Arawan. Und ja, es macht Spass, so bin ich hinzugekommen. Black Metal war für mich halt Neuland, ist es teilweise immer noch. Ich kenne weitaus weniger Bands als die „alten Hasen“, aber von der Musik her gibt’s vieles das ich megageil finde, hat Power ohne Ende. Das war so mein Werdegang.
"...Das sind Wege, für die man in den Neunzigern wahrscheinlich ausgelacht worden wäre. Da ist man heute sogar im Black Metal etwas offener geworden..."
MF: Lasst ihr eure verschiedenen musikalischen Einflüsse auch einfliessen? Im Black Metal sind die Bande ja relativ eng gesteckt.
Arcis: Ich glaube das ist so eine Sache, über die wir am Anfang immer viel diskutiert haben. Der Vorteil von eng gesteckten Banden ist, es gibt eine klare Richtung. Ich habe auch schon in Bands gespielt, in denen man irgendwie alles ein Bisschen gemacht hat, bringt auch nicht viel. Deswegen finde ich es gut, dass man eine klare Richtung hat. Vom Songwriting her ist es so, dass Arawan die Gitarrenspuren macht, Abaddon kümmert sich um die Drums und die Songstruktur, und dadurch ist die Richtung gegeben. Klar haben wir ab und zu ein Bisschen Diskussionen nach dem Motto „das macht man nicht so im Black Metal“, aber ich denke, ich kann schon meine Einflüsse hineinbringen. Ich bin in der Lage mich zu adaptieren ohne das Gefühl zu haben, ich müsste da irgendwie etwas zurückstecken.
Abaddon: Ich glaube, darauf gibt es nur eine einzige logische Antwort: Was hört der Hörer? Wir spielen ganz sicher nicht typischen Black Metal.
Arcis: Wir kategorisieren uns als atmosphärischen Black Metal.
Grievas: Das Coole ist halt im Gegensatz zum alten Black Metal, dass das Melodiöse in den letzten Jahren immer mehr aufgekommen ist. Wir sind jetzt auch nicht die ersten, die mehr Melodien in ihren Songs haben, aber es ist auch nicht der typische Necro-Sound der Neunziger. Es ist gut produziert, es ist nicht einfach über einen Kopfhörer aufgenommen, es ist atmosphärisch, wir haben das Intro eingespielt auf einer akustischen Gitarre und einem Akustikbass. Das sind Wege, für die man in den Neunzigern wahrscheinlich ausgelacht worden wäre. Da ist man heute sogar im Black Metal etwas offener geworden. Von daher denke ich, dass jeder nuancenmässig seine Vergangenheit mit hineinbringt, aber es darf nicht Überhand nehmen, es ist schon stilecht. Aber er (schaut zu Arcis rüber) bringt sicher mal ein Riff oder einen Move auf der Gitarre mit hinein, bei dem er lächeln muss, vielleicht etwas, das er im Stoner Rock aufgeschnappt hat. Aber im Grossen und Ganzen stört es nicht, es darf ja ein Bisschen abweichen.
Arawan: Zum Thema Einflüsse, Stil und wie es sein sollte: Mein Ansatz ist eigentlich komplett unabhängig davon. Für mich ist es so… jetzt muss ich schauen, dass ich nicht zu lange quatsche. Musik ist wie ein Wesen oder etwas, das einfach da ist. Jeder hat irgendeinen Bezug dazu, jeder nimmt sie anders wahr und erlebt sie unterschiedlich. Für mich hat beispielsweise auch jeder Ort in dem ich mich befinde bestimmte Melodien, die ich aufschnappe. Ich bin viel in der Natur, gehe wandern, und da kann ich mich in bestimmte Situationen hineinversetzen, und es kommt automatisch. Und genauso funktioniere ich für Causam. Ich versetze mich in bestimmte Situationen, in Gefühle, in Stimmungen, in gewisse Bilder, und die Musik ist da. Ich mache mir keine Gedanken darüber, dass es jetzt Black Metal sein muss und nicht zu viel Melodie und dies und das haben darf. Klar habe ich den Aspekt vor Augen, dass wir Post Apocalyptic Black Metal machen, wir haben auch viel darüber gesprochen. Was bedeutet das für uns, was ist das, was beinhaltet das? Was gehört dazu, was vielleicht weniger? Basierend auf dem entsteht danach alles. Gerade bei den Songs auf „Doomsday Rapture“ empfinde ich oft das Gefühl, dass ich auf einem Hügel oder einer Klippe stehe, die Sonne geht gerade unter, die Stimmung ist absolut episch und du empfindest das Gefühl einer enormen Kraft. Du vergisst alle Probleme, die dich belasten, scheissegal, du lässt alles hinter dir und lebst einfach den Moment. Genau dann ist die Musik da. Musik ist für mich auch immer so ein Ort, in dem ich Motivation und gewissermassen auch Heilung von all dem Schmerz finde, den es auf der Welt gibt. So kann ich mich ausdrücken, das gibt mir wahnsinnig viel, deshalb wollte ich auch wieder in einer Black Metal Band spielen. Meine erste Band war ja auch eine Symphonic Black Metal Band, dann kamen Hedera und jetzt Causam. Es ist etwas ganz anderes, ich kann es nicht wirklich in Worte fassen, was es für mich bedeutet. Aber es gibt mir jedenfalls einen Aspekt ins Leben, der für mich sehr wichtig ist.
"...Wir haben eine Gesellschaft aufgebaut mit gewissen Machtstrukturen, und jeder spielt mit..."
MF: Warum Post Apocalyptic Black Metal, was ist der Reiz des Weltuntergangs?
Abaddon: Für mich ist das ganz einfach. Für mich war es von Anfang an klar, dass ich Post Apocalyptic Black Metal machen wollte, denn die Menschheit muss sich mit diesem Thema auseinandersetzen, ob sie will oder nicht, denn wir werden die Apokalypse unter Umständen erleben. Die Menschheit arbeitet darauf hin. Die Menschen merken es vielleicht nicht oder wollen es nicht wahrhaben, aber wir arbeiten darauf hin. Und ich will mit der Musik etwas ausdrücken, die Menschen zum Denken animieren, und das war den Ansatz dafür, was ich machen wollte. Es wird darüber viel zu wenig kommuniziert, und für mich ist es einfach wichtig zu wissen, wohin wir als gesamte Menschheit hinsteuern.
Arawan: Daran möchte ich jetzt gleich anknüpfen. Für mich ist das Ganze einfach philosophisch. Eine Apokalypse ist das Ende eines Grundsatzes, eines Grundwertes, einer bekannten Haltung zu Grundwerten die man in seiner Komfortzone kannte. Da muss man sich dann damit befassen, sterbe ich jetzt oder passe ich mich an? Wie entwickle ich mich? „Post“ bedeutet ja „Nach“, aber was kommt danach? Man wird können loslassen müssen um weiterzukommen. Das ist es, was mich fasziniert. Man sieht es überall, in der Natur, im einzelnen Menschenleben aber auch in der gesamten Menschheit, so wie es Abaddon eben angesprochen hat. Und ebenso wie er bin ich ganz seiner Meinung, dass man diese Sache mehr thematisieren sollte. Aber genau solche Themen sind in unserer Gesellschaft ein Tabu, jetzt auch gerade wegen Corona. Das Thema Tod ist extrem ambivalent. Irgendwie ist es nicht OK, darüber zu sprechen, aber trotzdem ist es wichtig und in Ordnung dass man es macht. Der Tod ist viel schlimmer als jeder Gemütszustand, den man im Leben haben kann, und ich finde es einfach spannend, sich damit zu befassen und sich Gedanken darüber zu machen. Ich finde es wichtig für die Evolution, damit wir daraus lernen, vielleicht beispielsweise einen ausgeglicheneren Umgang damit, wie wir ihn bei gewissen Naturvölkern beobachten können. Es gibt Kulturen, in denen es normal ist, dass sich die Menschen ab einem gewissen Alter aus der Sippe hinausbegeben, weil sie diese sonst belasten würden. Und sie gehen dann halt in den Tod, das ist dort völlig normal. Wenn bei uns jemand stirbt, dann ist das das Schlimmste was es gibt.
Abaddon: Die ganze Thematik ist eigentlich eine Grauzone. Man möchte darüber sprechen, aber gleichzeitig hat man Angst davor. Aber wovor hat man Angst? Wir steuern ja geradewegs bewusst auf das zu, wovor man Angst haben sollte.
Grievas: Hier rückt bei mir wieder die Misanthropie in den Vordergrund. Das ist typisch für die menschliche Ignoranz. Man ignoriert das was man falsch macht so lange, bis man die eigenen Fehler auf schmerzlich Art und Weise endlich realisiert, und das obwohl man es eigentlich von Anfang an wusste. „Ignorance is bliss“, Unwissenheit ist Glückseligkeit, oder? Bei mir ist dieses Thema jedenfalls sofort auf offene Ohren gestossen. Schon in jungen Jahren in meiner alten Band spürte ich, dass es so nicht weitergehen kann. Als junger Kerl hat man das alles vielleicht mit mehr Hass und direkter hinausposaunt. Jetzt wo man älter ist, merkt man, dass auch gewisse Melodien und melancholische Passagen diese Botschaft mittragen können. Aber egal ob 16 oder 31 Jahre alt, für mich ist es immer noch so, dass Nachrichten fast wie Satire klingen. Irgendwie ist diese Menschheit ein Witz. Wir haben eine Gesellschaft aufgebaut mit gewissen Machtstrukturen, und jeder spielt mit. Aber wenn man dann bei einem Bierchen darüber spricht, macht sich fast jeder darüber lustig. Dass wir uns langsam aber sicher selber zerstören, ist eigentlich jedem von uns klar, aber man spricht nicht darüber. Man macht halt typisch Mensch einfach so lange weiter, bis es knallt.
MF: Deine alte Band… Arshvynd?
Grievas: Genau, man hört es ja schon dem Namen an. Es ging einfach ums Provozieren. Wenn ich mir die alten Texte anhöre wie z.B. in „Satan’s Slut“, dann ist mir heute klar, dass es einfach darum ging, jemanden damit anzugreifen in der Hoffnung, dass dieser dann am Konzert protestiert und sich daraus eine Konfrontation ergibt. Danach hatte ich einen Unterbruch, ich habe fünf oder sechs Jahre lang keine Musik mehr gemacht. Da habe ich nicht mal mehr viel Black Metal gehört, weil ich das Gefühl hatte, das sei bloss so ein Jugendding gewesen. Aber mit der Zeit habe ich gemerkt, dass die Situation immer noch gleich beschissen ist. Egal ob man das Spiel mitspielt oder nicht, der Zug fährt so oder so in die Endstation. Die Postapokalypse ist somit die Chance für einen Neuanfang. Wir sind in diese Welt gekommen, sie ist wie sie ist, sie ist kaputt, und wir können nichts daran ändern. Das coole an der postapokalyptischen Thematik war für mich die Möglichkeit, Texte darüber zu schreiben im Sinne von „es ist endlich passiert“.
Arcis: Das klingt ja schon fast hoffnungsvoll.
Grievas: Ja genau, darum heisst das Album ja „Doomsday Rapture“, diese romantische Vorstellung von „es ist endlich passiert“. Und jene die noch da sind, sind jene die es gewusst haben, die sich darauf vorbereitet haben, die stark genug sind. Jene worüber man sich täglich aufgeregt hatte, sind hingegen sowieso weg. Eben, wir schauen hoffnungsvoll auf den Untergang.
Arcis: Das Gute für mich an dem Thema ist, dass man praktisch alles hineininterpretieren kann, wie man bereits merkt. Hoffnung, Tod, Natur, es kann sich jeder darunter was vorstellen. Es ist jetzt ja auch nichts Neues, die Postapokalypse gibt es in der Popkultur ja schon lange, und so kann sich jeder etwas darunter vorstellen. Und wir finden darin viele Themen für Songs oder auch für ganze Alben. Vor der Apokalypse, nach der Apokalypse, während der Apokalypse, was bedeutet das, was ist das…? Ich finde einfach, das ist ein grosses Feld, in dem man sich Inspiration holen kann
MF: Spielen Themen wie Religionen oder Okkultismus für Causam eine Rolle?
Abaddon: Wenn dann für einzelne von uns im privaten Rahmen, aber nicht für die Band an sich.
Arawan: Wir haben uns als Band ganz bewusst dazu entschlossen, z.B. Satanismus als Thema gar nicht in unser Konzept aufzunehmen. So krank wie die Menschheit heute unterwegs ist, reicht als Thema völlig aus. Das ist es auch, was mich beim Lesen des Reviews eines kroatischen Magazins so gefreut hat. Da wurde dieser Fakt explizit erwähnt, ohne dass wir es jemandem gesagt hätten. Konkret hat der Reviewer geschrieben, wir hätten es nicht nötig gehabt, die üblichen klischeehaften, okkulten Lyrics zu schreiben. Unser Textkonzept ist realitätsbezogen.
Grievas: Für mich ist Religion ein ganz kleiner Teil dessen was falsch läuft.
Arcis: Satanische Themen werden von vielen auch heute noch zur Provokation benutzt, wobei ich finde, dass die heutige Realität so ist, dass es nur noch sehr wenig braucht um zu provozieren. Da reicht es schon aus, wenn jemand sagt, Corona sei ein Blödsinn, nur so als Beispiel. Heutzutage zu provozieren und in eine Ecke gestellt zu werden ist ganz einfach. Satan bedeutet mir nichts, das ist nichts was für mein Leben relevant wäre. Und indem man sich nicht auf dieses Thema fixiert, hat man einen viel grösseren Spielraum.
Grievas: Ich denke auch dass mittlerweile viele von der alten Garde, zum Teil Genregründer, heute zugeben, dass das damals reine Provokation war. Damals war das noch Provokation, heute provozierst du niemanden mehr wenn du sagst, das Christentum sei Scheisse.
Abaddon: Heute provozierst du, wenn du ein Eisernes Kreuz trägst.
Arcis: Und das sind dann eher Zustände, die ich versuchen würde zu „besingen“.
Abaddon: Das ist einfach so lächerlich.
Arcis: Ist so.
MF: Meritocrazy… bei diesem Song musste ich augenblicklich an Donald Trump denken. Wahrscheinlich liege ich damit falsch. Aber für mich hat dieses Wortspiel – „Meritocracy“ / „Meritocrazy“ – einfach gepasst. Worum geht es in dieser Nummer?
Grievas: Die Idee war eigentlich die: Was würden die Väter ihren Kindern nach der Apokalypse erzählen, wie war es vor diesem Ereignis, warum ist alles zusammengebrochen? Das wäre ja dann die einzige Möglichkeit, Informationen und Geschichten weiterzugeben, wir gehen ja davon aus, dass alles zusammengebrochen ist. Und so haben wir halt die klassische Vorstellung des Alten, der am Lagerfeuer Geschichten von früher erzählt. Wie erklärt er den Jungen die Stupidität des alten Systems? Ein System in dem jemand in eine Machtposition erhoben wird, nur weil er zufälligerweise den richtigen Namen trägt, aber ohne dass er wirklich etwas geleistet hätte. Das ist ja eine der Eigenschaften der Meritokratie. Und so läuft es ja heute. Ein Politiker wird von uns gewählt, weil er der Sohn von jemandem ist, der das Amt vor ihm innehatte. Und lustigerweise könnte man auf dem Wahlzettel einfach aus Spass den Namen irgendeines Newcomers ankreuzen, aber fast niemand macht es. Und die Jungen lernen von den Eltern und wählen wieder diesen Kerl, weil er der Sohn von dem und dem ist. Sicher gibt es fünf oder sechs Prozent von Querschlägern, die dieses Verhalten ablehnen. Es geht immer um diese Ignoranz, sieh Dir zum Beispiel auch die Managerlöhne an. Alle akzeptieren es, denn wenn sie es nicht tun würden, dann würde es nicht passieren. Alle arbeiten darauf hin. Ich muss studieren, dann bekomme ich so und so viel Lohn, warum weiss niemand. Ich bin 23, habe keine Lebenserfahrung, aber ich verdiene 10‘000 Franken, während dem der Schreiner, der handwerklich produktiv ist, 4500 Franken verdient. Und trotzdem unterstützen wir dieses System, obwohl wir bei jedem Feierabendbier darüber fluchen.
Arawan: Das hat viel mit Bequemlichkeit zu tun, das sieht man ja in unserem politischen System in der Schweiz. Viele orientieren sich zunächst an einer Partei die sie gut finden, noch bevor sie sich bei einer Abstimmung selber Gedanken machen. Sie bilden sich ihre Meinung aufgrund der Ausrichtung einer Partei. Natürlich gibt es Überschneidungen bei den Themen, aber schlussendlich geht es um Menschen und ihre persönlichen Meinungen. Man sollte sich seine eigene Meinung bilden, aber es ist halt einfacher zu sagen, ich stimme im Sinne der SP oder der SVP oder sonst einer Partei ab.
Grievas: Und dieses System ist zu gross geworden, als dass man es noch irgendwie ändern könnte. Und wenn man es ändern möchte, dann gehört man zu den tausend Leuten auf dem Platz, die von den anderen ausgelacht werden, und schon ist man weg.
Arcis: Corona hat jetzt den Vorteil, dass die Leute sehen wie das System funktioniert. Jetzt wird von oben herab bestimmt. Vorher war das noch scheissegal.
Chancengleichheit gibt es nicht in dem Sinne. In der Schweiz vielleicht noch, die zieht ja in solchen Sachen immer etwas nach. Aber in den USA oder in Deutschland, den ganzen tollen, grossen Ländern, kannst Du Chancengleichheit vergessen. Bist du im Ghetto geboren, kommst du da nie raus. Und bist du der Sohn eines reichen Senatoren, dann ist dein Leben vorgezeichnet. Und solche Leute regieren dann, bestimmen über das Schicksal von tausenden von Arbeitern. Politiker die blöd gesagt nie einen Finger krumm gemacht haben, die noch nie einen anständigen Job gemacht haben entscheiden dann.
Grievas: „Meritocrazy“ will dieses System einfach grob umschreiben. Darin enthalten ist die Textzeile „Working for the profit of a few degenerates“, also eigentlich schuftet man sich ab, und es fliesst alles nach oben. Unsere Pyramide steht einfach auf dem Kopf. Jeder flucht darüber, aber niemand ändert es. Deshalb wird es nicht gut ausgehen, denn die grosse Masse unterstützt die Idiotie, weil sie zu faul ist, etwas zu ändern.
MF: So betrachtet wäre in dem Fall der Weltuntergang und ein „zurück zur Natur“ geradezu ein Hoffnungsschimmer.
Abaddon: Ein Heilsweg für die Menschheit, oder besser gesagt für den Planeten. Der Mensch ist eh das Virus dieses Planeten.
Grievas: Genau das ist die Kernaussage. Wenn, dann hat es gerade eine Handvoll Menschen verdient zu überleben, Naturvölker wie auch immer, und all das Urbane hat hier eigentlich nichts verloren.
Arcis: Es ist natürlich schwierig diese Frage zu beantworten. Wer hat‘s verdient? Wer entscheidet das?
Abaddon: Das höchste Gesetz der Natur lautet, der Stärkere gewinnt. Aber die Natur sucht auch immer den Ausgleich. Der Mensch nicht, der vermehr sich nur.
Arcis: Bei uns in unserer Gesellschaft heisst das, der Reichere gewinnt.
Grievas: Das ist in vielen Songs das Thema, das Naturgesetz soll wieder gelten. „Primal Instinct“, „Wasteland Utopia“… die zielen eigentlich alle darauf ab, dass uns irgendwann keine gesellschaftlichen Regeln mehr einschränken, sondern nur noch die Gesetze der Natur gelten. Man kann jemanden umbringen, was ja eigentlich verboten ist. Aber was passiert dann? Es gibt eine komplette Verschiebung, und jemand der vierzig Jahre lang nichts zu sagen hatte, ist plötzlich der Chef. Nimm die ganzen Strukturen weg, und all jene die vorher das Sagen hatten, stehen plötzlich nackt da. Back to the roots, survival oft he fittest, das wird dann wieder kommen, dann wird sehr schnell eine Veränderung eintreten.
Arcis : Ich habe mal gelesen, ich glaube es stammt von einem Russen, früher war das Leben hart, und hartes Leben bringt harte Menschen hervor. Und harte Menschen sorgen für ein besseres Leben. Das bessere Leben so wie jetzt, das fettgefressene Leben, bringt schwache Menschen hervor. Und die regieren dann, so wie heute. Und irgendwann bricht das wieder zusammen, so dass die harten Menschen überleben und alles wieder übernehmen.
Arawan: In dieser Hinsicht beziehe ich mich immer wieder gerne auf die Theorien von Alfred J. Lotka und Vito Volterra, diese beschreiben die Wechselwirkung von Räuber- und Beutepopulationen. Da sind zwei verschobene Sinuskurven. Mal hat man die härteren Phasen, daraus lernen die Menschen und werden, wie soll ich sagen… sie erkennen gewisse Werte und leben sie. Danach werden sie wieder schwach, weil sie, so wie es Arcis gesagt hat, den Reichtum leben. Man kann es ja auch geniessen, das will ich jetzt gar nicht als gut oder schlecht bewerten. Aber es ist ein natürlicher Prozess. Gewisse Sachen werden mehr, aber irgendwann ist der Punkt erreicht, wo sie wieder weniger werden müssen. Und genau dort sehe ich unser Wirtschaftssystem, das so nicht funktionieren kann. Man kann kein endloses Wachstum haben, das funktioniert nicht, es gibt immer wieder einen Crash. Warum? Die Natur zeigt es uns, es war schon immer so. Wir hätten es vielleicht gerne, aber so funktioniert es nicht.
Arcis: Das einzige was in der Natur endlos wächst, das ist der Krebs. Das ist ausser Kontrolle geratenes Wachstum.
Arawan: Aber auch der kann nicht ewig leben. Wenn er überall wäre, würde es ihn irgendwann nicht mehr geben.
Abaddon: Was die Menschheit irgendwann vernichten wird, ist die Überbevölkerung. Da kann man noch lange darüber debattieren, aber ich denke es geht noch drei-, vierhundert Jahre, und dann ist der Planet am Ende. Er ist überbevölkert, die Wälder wurden abgeholzt, denn wo Menschen sind, braucht es Ressourcen, auch wenn es nur ein einziger Mensch ist. Auch dieser braucht ein Stück Natur für seine Ernährung. Wenn man das jetzt hochrechnet, wie schnell sich die Menschheit vermehrt, dann wird es nicht mehr so lange dauern, dann wird es in absehbarer Zeit stattfinden. Vielleicht schiebt jemand noch den Riegel, das werden wir aber wahrscheinlich nicht mehr erleben, daran wird die Menschheit zugrunde gehen.
Arawan: Das ist interessant, genau das was Du jetzt gesagt hast, wird heutzutage auch an der Universität gelehrt. Ich habe im Nebenfach nachhaltige Entwicklung studiert, und dort befasst man sich mit genau solchen Problemen. Und es ist total unklar, wie es sein wird. Sind wir genug anpassungsfähig, dass wir es früh genug erkennen werden? Ohne eine Riesenkatastrophe für die Menschen wird es eh nicht funktionieren, so weit sind wir einfach nicht, das liegt nicht in unserer Natur. Aber ob es dafür eine Komplettauslöschung brauchen wird, werden wir noch sehen. Also wir vielleicht nicht mehr, aber…
Abaddon: Es wird zur Auslöschung der Menschheit kommen, denn wir brauchen Luft zum Atmen, und wir holzen tagtäglich die Lunge der Erde ab.
Arcis: Ich weiss nicht wer festlegen kann, wie viele Menschen auf der Erde genug sind. Rein technologisch sind wir so weit, dass locker acht, neun, zehn Milliarden Menschen ernährt werden könnten, und wir alle genug Energie hätten. Man schraubt an der einen Stelle die Anforderungen etwas herunter, lebt etwas nachhaltiger, setzt vermehrt auf nachhaltige Energien… da wäre technologisch heutzutage so viel möglich, aber man verballert alles in Waffen und Kriege. Die Menschen raufen sich null zusammen, und ich glaube das ist das grösste Problem, nicht die Anzahl Menschen, sondern dass man sich gegenseitig immer wieder auf den Deckel haut. Und die Menschheit löscht sich auch so aus, denn wenn ein paar Atombomben hochgehen, dann hast du auch locker ein paar Millionen Menschen gekillt. Rein technisch wäre da noch viel drin, aber man müsste sich halt zusammenraufen, das ist das Problem. Nicht nur die Anzahl, sondern auch die Art wie man miteinander lebt.
Arawan: Da habe ich auch das Gefühl, dass man eine Grundeigenschaft des Menschen nie wird kollektiv optimieren können, und zwar den Egoismus. Ich will das jetzt nicht grundsätzlich negativ bewerten, aber es kann zum Problem werden, und ist es heutzutage eigentlich auch, andernfalls hätten wir heute nicht das Problem der Teilung, das sich so zeigt, dass z.B. wir Europäer auf Kosten anderer leben. Unser heutiges Leben ist so nicht möglich, ohne dass andere Menschen dafür leiden. Aber wie viele Menschen schon nur in der Schweiz haben dieses Bewusstsein? Da kommen wir nicht mal auf ein paar wenige Prozent.
Arcis: Und wieviel Wahl hat man das zu ändern? Darüber könnten wir stundenlang diskutieren.
Arawan: (Lacht) Nächste Frage.
"...Dass man nicht einfach nach draussen gehen kann und gleich jeden totschlagen darf der einem nicht passt, ist natürlich schon eine Errungenschaft. Aber was ich interessant finde ist, wie schnell diese Errungenschaften in einer Notsituation fallen könne..."
MF: Trotzdem möchte ich jetzt noch daran anknüpfen. Kann man politisch gesprochen „Doomsday Rapture“ in dem Fall auch als Manifest gegen die westliche Dekadenz verstehen, oder wäre das schon zu weit hergeholt?
Grievas: Wir haben eigentlich immer erklärt, dass wir keine politische Band sind. Für mich ist es einfach pure Misanthropie. Manchmal fühle ich heute noch wie damals, als ich sechzehn Jahre alt war, diesen Hass auf die eigene Gattung. Ich bin nicht jemand der Streit sucht, aber wenn mehr als fünf Menschen involviert sind, kann man dem Streit schon nicht mehr aus dem Weg gehen. Egal ob in der Familie oder sonst wo, der Mensch muss streiten. Vielleicht ist das evolutionstechnisch in uns verwurzelt, wieder im Sinne von „survival of the fittest“, und vielleicht ist das sogar auch gut so. Ich habe einfach das Gefühl, und das hatte ich mit sechzehn Jahren wie auch mit dreissig Jahren, dass das Zusammenarbeiten wie es theoretisch gehen würde, nicht einmal in einem kleinen Dorf funktioniert. Wie soll es dann auf dem ganzen Planeten funktionieren? Wahrscheinlich würden in einem Dorf bereits die einen vierzig Prozent am liebsten den anderen sechzig Prozent die Köpfe einschlagen. Deshalb geht es nicht. Man kann sich zehn Jahre lang bemühen das zu ändern, aber man kann die Menschheit nicht ändern, und dann kommt wieder diese Aussichtslosigkeit, und schon befindet man sich wieder auf der alten Schiene. In diesem Sinne sehe ich das Ganze eher als ein menschliches Problem denn als ein politisches.
MF: Steckt in dem Fall der Mensch in einem Zwiespalt zwischen seinen naturgegebenen, animalischen Instinkten, die ihn zum Tier machen, und den zivilisatorischen Errungenschaften wie Demokratie, Bildung, Rücksichtnahme etc.?
Grievas: Absolut. Eigentlich versucht man ständig, dieses Tier zu unterdrücken. Dass man nicht einfach nach draussen gehen kann und gleich jeden totschlagen darf der einem nicht passt, ist natürlich schon eine Errungenschaft. Aber was ich interessant finde ist, wie schnell diese Errungenschaften in einer Notsituation fallen können. Jetzt ist es ja nicht mehr so schlimm, aber nehmen wir mal den ersten Lockdown im März 2020. Da wurden in den Läden sämtliche Regale leergekauft. Das muss man sich mal vorstellen, in der Schweiz ist das Gemüseregal leer.
Abaddon: Moment, Toilettenpapier…
Grievas: Genau Toilettenpapier, das muss man sich mal vor Augen führen. Der Schweizer, der normalerweise seine sechs Tomaten kauft, geht in den Coop und kauft fünf Kilos Tomaten, schaut wieder mal nur für sich. Sobald eine Notsituation eintritt, kommt wieder der Urinstinkt hervor, und ich schaue nur noch für jene, die mir am nächsten stehen, meine Frau, meine Kinder, meine Eltern. Und was die anderen fressen oder womit sie sich den Arsch abputzen sollen, ist mir völlig egal. Da kann man hundert Jahre lang auf ein hohes Ziel hinarbeiten, dann kommt ein kleines Ding, letztes Jahr im März war die Pandemie ja noch wirklich überschaubar klein, und man hat alles leergekauft.
Arcis: Das Wichtige an der Aussage ist, dass der Mensch in solch einer Situation nicht nur egoistisch ist und dann halt alles leerkauft, sondern dass er jetzt, und das ist der springende Punkt, Klopapier kauft. Das ist das typisch Idiotische für unsere Gesellschaft. Man kauft nicht Reis oder Wasser oder was weiss ich, nein, man kauft Scheisshauspapier. Man liest darüber was oder sieht den anderen in den Medien, und aus irgendwelchen Gründen rennt man los und macht das Gleiche.
Arawan: (Lacht) Wir wissen ja nicht wie viele Kalorien Klopapier hat.
Abaddon: (Erleidet einen amtlichen Lachflash) Die Idioten vererben das Zeug noch an die nächsten fünf Generationen!
Arcis: Das ist es ja, die kaufen Scheisshauspapier, das ist ja das Absurde. Aber ich sage euch, ich war auch im Supermarkt, das muss ich ehrlich zugeben, und habe mir eine Packung Scheisshauspapier gekauft.
Grievas: Aber nur eine!
Arcis: Es gab nur noch eine!
Grievas: Wie auch immer, das Tier kommt in solchen Situationen sehr schnell zum Vorschein, und daran erkennt man auch, dass viele Menschen eine extreme Krisensituation gar nicht überleben könnten, ausser man sagt ihnen vor, dass sie Reis kaufen müssen. Sie wissen nicht mehr, was man braucht, um drei oder vier Wochen überleben zu können. Jemand in der Wildnis Kanadas weiss was zu tun ist, um Nahrungsmittel zu konservieren. Bei uns weiss man das nicht mehr. Nach zwei Wochen würde man schon anfangen, beim Nachbarn zu klauen. Da versuchen dann die Dummen bei den Schlauen, die frühzeitig Nahrungsmittel gebunkert haben, zu klauen, und das führt dann sofort zu Konflikten. Das geht sehr schnell. Sagen wir mal, wir haben einen Blackout, einen totalen, andauernden Stromausfall. Kein Kühlschrank, kein Tiefkühler funktioniert mehr. Das geht vielleicht zwei Wochen lang noch gut, danach haben wir Krieg. Dann ist Schluss mit du bist mein Nachbar, du bist mein Kollege etc., dann ist alles vorbei.
Arawan: Das Gute daran wäre, man hätte dann auch keine Medien mehr, und man wäre mit der unmittelbaren Wahrheit konfrontiert.
Abaddon: Jein, ich denke Medien werden als Letzte sterben. Wo fangen Medien an? Bei der Mund zu Mund Propaganda. Und genau dort liegt das Problem, man lässt sich manipulieren. Man hört auf den, der gut sprechen kann.
Arcis: Ja gut, aber man kann sich in seinem Kreis auch die eigene Meinung bilden. Warum haben alle Scheisshauspapier gekauft? Weil sie es in den Medien gesehen haben.
Arawan: Irgendwann gibt es ein „Toilet Paper Magazine“!
MF: Anderes Thema. Trotz der momentanen Situation seid ihr damit beschäftigt, Auftrittsmöglichkeiten für euch zu angeln, gleichzeitig schreibt ihr auch fleissig neue Songs. Wie sehen eure mittelfristigen Pläne aus?
Arawan: Also hoffentlich im Oktober am Black Hole Fest zu spielen, so wie es aussieht als einzige Schweizer Band.
Abaddon: Sicher eine neue CD im Repertoire zu haben, aber noch nicht veröffentlicht. Einfach damit wir für nächstes Jahr vorbereitet sind, vielleicht noch eine kleine Single, je nachdem wie es zeitlich aufgeht.
Arcis: Technische Verbesserungen im Proberaum… Nee im Ernst jetzt, ich würde auch sagen neue Songs schreiben, aufnehmen und in irgendeiner Form veröffentlichen.
Grievas: Das Black Hole Festival ist ja verschoben worden, das ist zwar schlecht, gibt uns aber wieder Zeit für neue Songs. Momentan wäre es relativ sinnlos, nur für Live-Events zu proben, und dafür keine neuen Songs zu schreiben. Aber wir sind bereit.
MF: Wie geht es mit den neuen Songs thematisch weiter, sind da Änderungen geplant?
Grievas: Jetzt zeigen alle auf mich… Als ich zur Band gestossen bin, hat man ein Konzept erarbeitet. Das sind jetzt sicher mal drei Alben, drei Konzeptalben. Das erste, „Doomsday Rapture“, ist die harte Einleitung, unsere Vorstellung der Zeit nach der Apokalypse. Da befassen sich einige Texte damit, dass es gerade passiert ist. Beim zweiten Album wird es sich um vergangene Szenarien drehen, welche die Menschen damals als Apokalypse empfunden haben, diesbezüglich haben wir schon ein paar Ideen zusammengetragen. Zum Beispiel geht es um grosse Hungersnöte, die sich wie der Weltuntergang angefühlt haben, weil dadurch die damals geltenden Regeln aufgehoben wurden. Und beim dritten Album werden wir sehen.
Arawan: Einfach noch als kleine Anmerkung zu diesem Thema: Was die Leute von einer Band sehen, vorausgesetzt die Band funktioniert auch gut, ist immer ein Abbild der Vergangenheit, denn die Band ist immer ein paar Schritte voraus. Für mich ist das immer eine Herausforderung. Wieviel von der mir verfügbaren Zeit nehme ich mir, um die jetzigen Resultate, die Früchte des Baumes zu geniessen, und wieviel Zeit und Energie investiere ich in die Wurzeln und ins Wachstum, damit Neues entsteht? Die Leute wollen neue Sachen hören, ich selber will neue Sachen schreiben, das ist es was mich erfüllt. Wir haben praktisch schon ein neues Album fertig, jetzt müssen wir schauen, dass wir die Stücke finalisieren und noch dieses Jahr aufnehmen. Das ist mir wichtig, immer ein paar Schritte voraus zu sein und konkret zu wissen, was wir als nächstes machen, und nicht einfach da zu sitzen und zu denken „saugeil, jetzt haben wir ein Album draussen und alle finden es cool, OK“.
Arcis: Das coole ist, jetzt weiss man, dass es gut ist was man gemacht hat, vorher wusste man es ja noch nicht. Jetzt weiss man, das ist eine gute Richtung, darauf kann man aufbauen, und das motiviert dann ja auch. Wir können aus dem was wir gemacht haben lernen und noch geileres Zeug machen.
Grievas: Wir können sagen, dass die neuen Lieder schon 10% mehr Qualität haben, wir sind gefestigt, man hat sich als Fünferteam gefunden.
Arcis: Und es motiviert echt, dass das erste was man gemacht hat gleich so gut ankommt. Hätte es geheissen, das ist Scheisse, probieren wir es nochmal, dann wäre das halt blöd gewesen, aber so ist’s gut.
Abaddon: Die nächste CD wird auch sicher ein paar Minuten länger sein. Mit ein bis zwei Songs mehr werden wir sicher die vierzig oder fünfundvierzig Minuten erreichen, die viele Leute irgendwie erwarten.
Arawan: Andererseits wenn man sich die ganzen neuen Alben auf Black Metal Promotion anschaut, dann dauern die meisten auch nur dreissig bis fünfunddreissig Minuten. Die Leute wollen vor allem immer häufiger etwas Neues. Sie wollen nicht ein oder zwei Jahre warten, und dann bekommen sie eine Stunde neue Musik serviert. Sie möchten wenn möglich alle sechs Monate etwas Neues hören.
Grievas: Was ja eigentlich auch kein Problem ist.
Arawan: Ja schon, aber es ist schwieriger alle sechs Monate ein einstündiges Album herauszuhauen.
Grievas: Ja klar, das müsste dann natürlich etwas kürzer sein. Aber so lange es durchdacht ist, dann lieber so.
Abaddon: Die Leute können sich jedenfalls freuen, wir bleiben am Ball und versuchen, sie möglichst schnell mit neuem Zeug zu versorgen, zum Beispiel mit einer Single, und natürlich nächstes Jahr mit einer CD.
Arawan: (Flüstert geheimnisvoll) Stay tuned, and listen to Causam.
Grievas: Und hoffentlich bald einmal ein verdammtes Konzert, spätestens im Oktober!
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