Olten als Mekka von Rock und Metal? Das gab es freilich, aber die aktiven Zeiten liegen Jahrzehnte zurück! Was bleibt, sind aber die unauslöschlichen Erinnerungen. Als der Rezensent mit Jahrgang 1964, damals wohnhaft in Olten, am Abend des 16.11.1968 von der Mama ins Bettchen geschickt wurde, spielten bekanntlich Pink Floyd im Restaurant Hammer, Luftlinie etwa einen Kilometer weg! Man stelle sich das mal vor, und gut eine Dekade später, waren es dann Acts wie Hellrider, Twilight, Irrwisch oder die Steve Whitney Band, die in der 2008 abgerissenen Reithalle für Stimmung sorgten. Auch das "Oupi Oute" von 1981 war ein gut besuchter Freiluft-Event, aber längst Geschichte. Diese wird nun vom neuen Veranstalter "Heavy Sound" neu geschrieben, der heuer zur ersten "Metal Night" einlud. Dabei soll es aber nicht bleiben, sondern etwas Beständiges daraus werden, heisst der zweite Anlass von 2026 steht schon fest!
Dem heutigen Aufruf zur Premiere in der Dreitannen-Stadt folgten mindestens 300 über Vorverkauf zahlende Besucher, flankiert von einigen Guests der jeweiligen Bands und etwas zusätzlicher Laufkundschaft. Im Billing standen insgesamt vier Bands, und dazu gehörten als Headliner Crystal Ball, begleitet von China, Elcano und Antipodes. Mit letzteren zwei Combos wurde man zumindest der Bezeichnung "Metal" gerecht, während China ja lupenreinen Hard Rock am Start haben und Crystal Ball melodisch ausgerichtete Hard & Heavy Mucke zelebrieren. Dass sich an diesem Abend deren Rhythm-Section mit Marcel "Nick Hardy" Sardella (d) und Cris Stone (b) von ihren Kollegen und Fans verabschiedete, verlieh der Veranstaltung in der Schützi noch einen speziellen Anstrich.
Antipodes
Da ich den Opener nur vage, also bloss vom Namen her kannte, war zuerst mal etwas Recherche zu dieser Truppe angesagt. Die Band hat sich ab 2020 aus einem ursprünglichen Studio-Projekt heraus entwickelt und stammt aus der Region Bern. Stilistisch lässt sich die Combo nicht so einfach in eine Schublade stecken, da man sich Modern Metal, Melodic Metal, Progressive Rock und Progressive Metal auf die Fahne geschrieben hat. Zugpferde sind Leadsänger Matt Cellini und Manuel Wunderlich (Keys/Sound Design). Ergänzend kam dann vor zwei Jahren die Rhythmus-Abteilung mit Stu Olivo (Bass) und Attila Nemeth (Drums) dazu. Auf der Bühne stand ausserdem ein zusätzlicher Gitarrist (Mathias Lehtoranta?), der je nach Song und dessen Stil eine wichtige Funktion einnahm.
Als die Berner pünktlich um 18:00 Uhr die Bühne bevölkerten und mit ihrem Aufritt begannen, standen noch sehr wenige Leute in der Schützi und der "berühmte" Abstand hin zur Bühne betrug mehrere Meter, sodass ich vorne beim Fotographieren (trotz fehlendem Fotograben) absolut freie Hand hatte. Antipodes zogen ihr Programm auf jeden Fall professionell durch, und mit der Zeit nahm die Anzahl der Zuschauer laufend zu, aber der Abstand blieb mehr oder weniger bestehen. Davon liess sich das Quintett jedoch nicht beirren und nahm das Publikum mit auf die stilistische Reise. Wo ich an anderer Stelle einen fehlenden roten Faden bemängelt hätte, überzeugten die Protagonisten mit Variabilität, und diese Abwechslung bereicherte den guten Auftritt ganz allgemein.
Setliste: «Pandorum» - «The Ocean Between» - «Petrichor» - «As I Am (Dream Theater Cover)» - «Who We Are» - «I Ran» - «Carrot»
Elcano
Es ist ein ganzes Weilchen her, seit ich die Nautic Metaller mal in ihrem Übungsraum besucht hatte. Was ich damals sah und hörte, war schon eigen von der Machart her, letztlich aber ganz in Ordnung, trotz Luft nach oben. Seither fanden einige Konzerte statt, die der Festigung der farbenfrohen Truppe auf jeden Fall entgegenkamen. In der Schützi befanden sich augenscheinlich auch einige Fans der Band, und ein paar davon sollten dann noch speziell in Erscheinung treten. Sie alle wollten der eigenständigen Mischung aus epischem Heavy Metal, Folk-Einflüssen und cineastischen Elementen beiwohnen. Dabei stand die theatralische Live-Präsenz, die Segel, ein Steuerrad und Seefahrerkleidung umfasst, im Vordergrund, und mit dabei «The First Circumnavigation Of The World».
Das aktuelle full-lenght Debüt ist ein konzeptionelles Werk, das die gesamte Reise der ersten Weltumsegelung (1519-1522) musikalisch nacherzählt und als ein abenteuerliches Logbuch der Band fungiert. Dabei verweigert sich das agile Septett dem reinen Piraten Metal Klischee, wie das zum Beispiel von Alestorm zelebriert wird. Vielmehr wird auf einen vielschichtigen Sound gesetzt, der ein Publikum erforderte, das sich darauf einliess. Das beinhaltete zum Beispiel das Spielen mit verbundenen Augen und die kultige Rudereinlage, wo sich einige Fans auf den Boden setzten und "in Richtung Bühne ruderten". Insgesamt war es ein spassiger und unterhaltsamer Auftritt, der aber auf Seiten des geteilten Lead-Gesangs von Josy Fine und Marc Meli noch Luft nach oben signalisierte.
Setliste: «Intro» - «Half A World» - «Tempest!» - «Sweet Foreign Lands» - «Tierra Del Fuego» - «Siren Song» - «Call Of The Falcons» - «Tall Tales» - «The Raging Calm» - «78 Days At Sea»
China
Und nun war die Band an der Reihe, die massgeblich dafür verantwortlich war, dass ich diesem Event eigentlich beiwohnte. Unvergessen das Konzert als Support von Yngwie Malmsteen auf dessen genialer "Eclipse-Tour" im Mai 1990 im Volkshaus in Zürich, und einige Jahre später, heisst 2007 in Winterthur, waren sie Opener eines kultigen Festivals und rissen damals mit Eric St. Michaels in einer eigentlich noch leeren Halle einen Hammer-Set herunter. Dazu gab es weitere Konzerte, wo ich eigentlich nur Mainman Claudio Matteo die Band verkörperte. Richtig Zunder kehrte erst mit der Rückkehr der beiden verlorenen Söhne Freddy Scherer (g) und Marc Lynn (b) zurück, die 2019 wieder an Bord gingen. Mit dabei waren da auch Sänger Werner "Hardy" Hartmeier und Drummer Johnny Giorgi.
Letzter wurde 2020 durch Ralph "Tosi" Tosoni abgelöst, und seither stehen Matteo & Co. wieder voll im Saft! Dass dem so zu hundert Prozent ist, bewies der Fünfer heute Abend eindrücklich in Olten. Im Wissen darum, dass es wieder gut läuft, besann man sich wohlweislich auf die früheren Jahre, was die Songauswahl betrifft. So war zum Beispiel kein einziger Song des aktuellen Albums «We Are The Stars» in der Setliste auszumachen. Ein Blick darauf offenbart, was Sache war, und das nicht zu knapp! Der Gast-Auftritt von Eric St. Michaels und das Dazustossen von Hardy, der Matteo beim Leadgesang stärkte, rundete das Ganze zusätzlich ab. Die ausgelassene Stimmung des gut antizipierenden Publikums liess keinen Zweifel darüber aufkommen, dass hier noch viel Benzin im Tank ist!
Setliste: «Dead Lights» - «Shout It Out» - «Sign In The Sky» - «Living On The Stage» - «Love Someone» - «You Got Me Going» - «Back To You» - «Hot Loving Night» - «So Long» - «Ran Out Of Love» - «All Through The Night» - «In The Middle Of The Night» - «Rock City» - «Bad Case» - «All I Do» -- «Proud Mary (Creedence Clearwater Revival Cover)»
Crystal Ball
Wer denn nun der eigentliche Headliner an diesem Abend war, darüber liesse sich durchaus streiten, aber an der Stelle eher unnötig sich deswegen in die Haare zu geraten. Fakt ist, dass sich Crystal Ball wohl spätestens jetzt an einem entscheidenden Punkt ihrer Karriere befinden, denn im Vorfeld dieses Auftrittes war zu vernehmen, dass sich heute Abend die Rhythm-Section offiziell verabschiedet, heisst Marcel Sardella (d) als zweitletztes Original-Mitglied der Ur-Formation und Cris Stone (b), der immerhin seit 2013 mit dabei war. Somit lag schon ein bisschen Wehmut in der Luft, doch die Musiker sind Profis genug, um es sich zumindest während dem Konzert zu keiner Zeit anmerken zu lassen. Vielmehr gab die Band von Anfang an ordentlich Gas und zeigte sich von der allerbesten Seite.
Angeführt von Lead-Sänger Steven Mageney wurden überwiegend Songs aus seiner Tonträger-Ära, sprich den letzten fünf Studio-Alben gespielt (die Best-of «2020» ausgeklammert), angereichert um «He Came To Change The World» (von «Timewalker, 2005) sowie noch ein Kracher. Früher noch deutlich im melodiösen Hard Rock verwurzelt, wurde der Sound vor allem in den 2000-ern spürbar härter. Diese Stil-Korrektur führte insgesamt zu keinem grösseren Erfolg, aber die Truppe blieb sich stets treu und biss sich durch. Und dann kam der Moment, wo Marcel und Cris verabschiedet sowie von ihren Kollegen mit einer speziellen Silberscheibe beschenkt und geehrt wurden. Im Zugabenteil riss dann vor allem «Hellvetia» die Kohlen aus dem Feuer, und die Fans wussten am Schluss: es geht weiter.
Setliste: «Intro» - «What Part Of No» - «Undying» - «Director's Cut» - «Dr. Hell No» - «Suspended» - «You Lit My Fire» - «He Came To Change The World» - «Skin To Skin» - «Hold Your Flag» - «Déjà-Voodoo» - «Instrumental» - «Alive For Evermore» - «Crysteria» - « Life Rider» - «Anyone Can Be A Hero» - «Make My Day» -- «Hellvetia» - «Paradise»



