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11. August 2023, Aarburg - Musigburg
By Tinu
Es gibt im Leben diese Momente, sprich solche, bei denen man sagt, diese Band hat mich auf eine gewisse Art begleitet, und ich hatte nie die Möglichkeit, sie zu sehen. Das ist bei EvilDead und mir so. Eine Truppe, die sicherlich nicht zu den Top-Verdienern gehört und eher bei der dritten Garde der Thrash Metal Bands aus den Staaten anzusiedeln ist. Die aus Los Angeles stammende Formation hat mit Juan Garcia (ehemals Abattoir, Agent Steel) ein Urtier des harten Metals in ihren Reihen. Zusammen mit dem Schlagzeuger Rob Alaniz (ehemals Abattoir), dem Bassisten Karlos Medina (ehemals Agent Steel), dem Gitarristen Albert Gonzales (ehemals Death) und dem Sänger Phil Flores (ehemals Abattoir) steht Juan seit einiger Zeit wieder in den Startlöchern und hat mit «United States Of Anarchy» ein mehr als nur gelungenes, drittes Scheibchen veröffentlicht.
Powerstroke
Bevor die Amis aber die Bühne betraten, war es jedoch den Belgiern von Powerstroke vorbehalten, das Publikum anzuheizen, und das gelang dem Quintett soweit, wenn auch mit Abstrichen. Zumindest liess der Applaus nach dem letzten Ton vermuten, dass nicht gerade viele wegen den Belgiern die Musigburg besuchten und die Truppe die Anwesenden auch nur bedingt abholen konnte. Rein optisch war Sänger Bavo Coene allerdings nicht nur ein muskulöser Shouter, sondern beherrschte auch die sanften wie die aggressiven Töne. Dabei growlte und kreischte der Gute nach bester Manier und entpuppte sich als angeschossenes Tier, das wild um sich schlug. Jochen Reyskens überraschte derweil mit einem transparenten Bass, bei dem das Griffbrett mit blauen Leuchtdioden versehen war. Musikalisch hörte man eine Combo, die sicherlich ihre Einflüsse bei Biohazard und Pantera hatte. Dabei liess sie viele metallene, aber auch noch bösere wie groovende Parts erklingen. Die Jungs waren bemüht, aber dies schien sich für die Ost-Flandern aus Eeklo nicht auszuzahlen, da der Grossteil der Anwesenden offensichtlich nur wegen EvilDead da war, und ehrlich gesagt hätte an diesem Abend ein anderer Support auf jeden Fall besser gepasst. Auch wenn Phil Flores die Support-Band am Ende des EvilDead-Gigs lobte, blieb es eine Show, die wenig Nachhaltiges zu bieten hatte.
EvilDead
Ganz anders sah das anschliessend beim Headliner aus, der trotz des Alters der Musiker zwischen 57 und 59 Jahren mächtig Arsch trat und Phil dabei mit seinen wilden Sprüngen für Aufsehen sorgte. Die Amis packten das Beste aus ihren drei Longplayern wie ihrer EP aus und kombinierten Melodien mit Härte. Ob es das teils doppelläufige Gitarrenspiel von Juan und Albert war oder die filigranen Bassläufe von Karlos – was die Jungs da hinzauberten, verströmte eine packende Energie. Selbst als Juan seine Gitarre von Sender zu Kabel umstöpseln musste, liess die die Stimmung in der Musigburg nicht geringer werden. Ab Mitte des Sets entluden sich immer wieder Mosh-Pits am Bühnenrand, die besonders Phil begeisterten und ihn dazu brachten, die Mosh-Könige anzufeuern. Es war die zwölfte Show einer Band, die sich auf ihre Fähigkeiten und ihre Songs verlassen konnte. Der grosse Erfolg blieb dem Fünfer bis jetzt verwehrt, und wenn wir ehrlich sind, wird er auch nicht mehr eintreffen. Dieser Zug ist leider definitiv abgefahren.
Aber wenn man eine Truppe mit dermassen viel Herzblut und Leidenschaft aufspielen sieht, dann weiss man, dass sich hinter EvilDead nicht bloss ein zusammen geschusterter Haufen verbirgt, sondern sich Musiker getroffen haben, die ihrer Leidenschaft folgen. Das Publikum bestand aus vielen alten, leicht ergrauten Thrashern, aber auch aus einigen jungen Fans. Und wenn aus der Westschweiz Vater wie Sohn anreisen, respektive sich der Papa mit zittrigen Händen Autogramme von Juan geben lässt, dann weiss man, dass eine solche Band ihre Daseinsberechtigung verdient hat. Phil fand dabei mit seiner Stimme die optimale Verbindung zwischen melodischem Gesang und einer gehörigen Portion Würze, Verbitterung und Wut gleichermassen. Dabei beging Mister Flores nicht den Fehler, die Fans nur mit Aggression anzustacheln, sondern brachte in seinen Ansagen auch immer den Fun-Faktor mit einer neckischen Note unter, wie man dies auch von Zetro (Exodus) und Bobby (Overkill) her kennt. Die Jungs hatten mächtig Power im Arsch und überliessen nichts dem Zufall. Sie kamen, sahen und rissen mit ihren Riffs alles in Grund und Boden.
Das Zusammenspiel von Juan und Albert war tight, heftig und auch mit vielen verspielten Elementen versehen, sodass neben allen Thrash-Parts genügend Platz für den traditionellen Metal übrig blieb. Wie war denn nun das Konzert für mich, nachdem ich nach all den Jahren, heisst seit dem Release von «Annihilation Of Civilization» (1989) auf EvilDead habe warten müssen? Eine grossartige Reise in eine Zeit, in der Thrash Metal noch Thrash Metal war und nicht nur von Wut, Hass, Ablehnung wie Gekreische gekennzeichnet war. Man darf gespannt sein, was uns EvilDead nach ihrem letzten Werk «The Path Against All Others» (2020) mit dem in Arbeit stehenden, neuen Longplayer präsentieren werden. Wenn man sich den Vorboten «Bathe In Fire» anhört, steht uns ein wundervolles Thrash-Werk bevor. Ach ja, und mit «Sloe Death», «The Awakening», «Annihilation Of Civilization» und dem nicht geplanten, sprich unerwartet gespielten «Run Again» als Zugabe warfen die Jungs genug Kraftfutter in den eigenen Reihen auf, das durch neueres Material wie «Napoleon Complex», «Word Of God» und «The Descending» bestens abgerundet wurde. Das war ein echt toller Abend, und deshalb bitte bald mehr davon!
Setliste: «A.O.P / The Descending» - «Napoleon Complex» - «Gone Shooting» - «Future Shock» - «Sloe Death» - «Bathe In Fire» - «Blasphemy Divine» - «Word Of God» - «F.C.I. / The Awakening» - «Process Elimination» - «Annihilation Of Civilization» -- «Run Again»