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Sonntag, 26 Oktober 2025 21:52

Mystery in Pratteln Empfehlung

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26. Oktober 2025, Pratteln - Z7
By Rockslave

Gewisse Dinge brauchen offenbar etwas Zeit im Leben, und was Mystery angeht, einer eigentlich für die Kenner unter der geschätzten wie nerdigen Leserschaft nicht so unbekannten Neo-Prog-Band aus Québec, brauchte dies in meinem Fall Jahrzehnte! Schlimmer ist da nur noch die uralte Volksweisheit "wer zu spät kommt, den bestraft das Leben"! Gründe, warum Genesis, Yes, Rush, SAGA, Dream Theater, Threshold, Pallas, Arena, Vanden Plas, Ivanhoe, Pagan's Mind, Everon und noch einige mehr wichtiger waren? Wie auch immer, aber die Live-DCD «Live In Poznań», die 2019 erschienen ist, landete nach dem Konzert in der Sammlung. Und dort lag das schöne Teil eine ganze Weile unberührt wie eingeschweisst da und tut es noch heute! Warum? Weil ich immer noch keinen Bezug zu Mystery aufbauen konnte und mir heute Abend, sechs Jahre später, erneut ein Konzert einer Band ansehen ging, von der ich bisher keinen einzigen Song kannte!

Mystery
Somit war es allerhöchste Zeit, diese Scharte endlich auszuwetzen, und dafür opferte ich den sonst üblichen "Tatort" Abend auf der heimischen Couch mit einem Augenzwinkern! Die laufende Tour stand in diesem Herbst unter dem Motto "Delusion Rain 10th Anniversary Tour". Damit angesprochen war das gleich benannte sechste Studio-Album, das folgerichtig 2015 veröffentlicht wurde und den albummässigen Einstieg von Frontmann Jean Pageau markierte, der bis heute anhält. «Theatre Of The Mind», das LP-Debüt von 1996, wurde von Gary Savoie eingesungen, der in den 2000ern dann von Benoît David abgelöst wurde und zeitweise auch bei Yes sang. Das, was Mystery letztlich ausmacht und optimal hat reifen lassen, verortet seinen Ursprung im Jahre 2013 als, wie erwähnt, Jean dazu stiess.

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Zuerst hegte ich noch die Befürchtung, dass "nur" auf das "Mini-Z7" bespielt wird. Immerhin gut 400 anwesende Prog-Fans verhinderten dies aber zum Glück, und so konnte die Hauptbühne in Beschlag genommen werden. Eine Support-Band war heute Abend nicht zu Gast, aber der Konzert-Abend bestand ja aus zwei Teilen (mit einer kurzen Pause dazwischen) und widmete sich, nebst dem Hauptthema, weiteren tragenden Songs aus dem Backkatalog. Zu aufbrandendem Applaus kamen Michel St-Père (g), Jean Pageau (v/flute/keyb), Sylvain Moineau (g/keyb), François Fournier (b), Jean-Sébastien Goyette (d) und Johnny Maz (keyb) auf die Bretter, die die Welt bedeuten. Letzterer vertrat Antoine Michaud auf dem gleichen Level, der anderen Verpflichtungen nachgehen musste.

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Als die ersten instrumentalen Klänge des Openers «Is This How The Story Ends?» ins Z7 hallten, schnalzten die eingefleischten Nerds bereits mit der Zunge, während ich keinen blassen Schimmer hatte, dass dies bereits ein 19-minütiges Epos, sprich der Closer vom aktuellen Album «Redemption» (2023) ist und ich erstmal für mich dachte, dass mir hierbei gleich etwas die alten Genesis in den Sinn kommen. Nach gut drei nur instrumentalen Minuten mit Intro-Charakter griff dann auch Master Pageau ins Geschehen ein. Sein prägnanter Gesang, der sich als Hybrid aus SAGAs Michael Sadler (mehr) und Rushs Geddy Lee (weniger) anhörte, drückte dem Ganzen, unterstützt durch Backing-Vocals, seinen Stempel auf. Während die Progger schon glückselig waren, war ich noch auf der Suche.

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Etwas härter und kompakter hörte sich anschliessend «Travel To The Night» an, ein älterer Track von 2007, und spätestens bei «Superstar» (von «The World Is A Game, 2012) hatte ich, ausser weiteren Vibes von Genesis (und einem Hauch von Pink Floyd), keinerlei musikalische Widerhaken, die mich aufgefangen hätten. Irgendwie noch schräg, aber nichts Ungewöhnliches, wenn man das Material bisher nicht kannte. So lauschte ich der gekonnt vorgetragenen Performance und liess mich einfach forttragen. Mit der Zeit machte sich bei mir zwar eine gewisse Form von Frust breit, denn während andere den anstehenden Höhepunkten, Breaks, Brigdes und Soli entgegenfieberten, stand ich einfach da, und fand es zumindest interessant und ansprechend zugleich, wenn auch "anstrengend"!

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Nach etwas über einer Stunde ging der erste Set zu Ende und gewährte eine Pause, um Anlauf für Part 2 des Abends zu nehmen. Der Kern der diesjährigen Tour stand im Fokus von «Delusion Rain», wovon letztlich alle sechs Songs in der ursprünglichen Reihenfolge durchgespielt wurden. Nachdem mir das Anfangs-Programm insgesamt zwar durchaus gefallen, aber nicht aus den Latschen hat kippen lassen, erhoffte ich mir eine Steigerung. Der Titeltrack entpuppte sich dabei als flotter Einstieg, der mit zehn Minuten alles abdeckte, was das Genre verlangt. «If You See Her» wandelte, zumindest für meine Wahrnehmung, erneut deutlich auf den musikalischen Pfaden von Genesis, und genau da lag der Hase im Pfeffer, weil ich das frühe wie spätere Werk der Briten total verinnerlicht habe.

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Das führt automatisch dazu, dass hier entsprechende Vergleiche angestellt werden, und in Sachen Songs, die nachhaltig hängenbleiben, haben die Kanadier bei allem Können und dem fantastischen Gesang von Jean Pageau klar das Nachsehen. Selbst wenn ich zusätzliche Vibes von Threshold und teils auch Everon bei «Wall Street King» heraushöre, fehlt hinten raus einfach etwas. Dennoch holte zum Beispiel der Longtrack «The Willow Tree» noch ein paar progressive Kohlen aus dem Feuer. Bei den Zugaben stach dann vor allem das sechsteilige, über 20-minütige Epos «Through Different Eyes» heraus, und auch hier umgarnte der Mystery-Sound meine musikalischen Geschmacksnerven nach allen Regeln der Kunst, sprich versuchte mich abzuholen. Gelang, nicht überraschend, nur bedingt.

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Fazit? Ist schwierig schlüssig festzuhalten, denn einerseits überzeugte das Handwerkliche ohne Zweifel, und die gute Stimmung an diesem Sonntagabend tat das Übrige. Mystery wurden ordentlich abgefeiert, was sie sich sicher verdient hatten. Meine Wenigkeit traf der Grad des Unvorbereitetseins jedoch klar auf dem falschen Fuss. Ich fühlte mich bisher wohl kaum noch an einem Konzert so verloren und orientierungslos. Unter dem Strich fand ich mich allerdings bei allem Wohlwollen bestätigt, warum Mystery bisher nicht bei mir stattfanden, und es besteht zumindest die Möglichkeit, dass sich künftig nichts daran ändern wird. Trotz allem war es ein unterhaltsamer Abend, wo ich übrigens zum ersten Mal meinen geschätzten MF-Kollegen Lukas R. aus L. persönlich begrüssen konnte!

Setliste: «(Set 1) Is This How The Story Ends?» - «Travel To The Night» - «Superstar» - «Behind The Mirror» - «How Do You Feel?» - «Shadow Of The Lake» - Pause (20 Min.)» - «(Set 2) Delusion Rain» - «If You See Her» - «The Last Glass Of Wine» - «The Willow Tree» - «Wall Street King» - «A Song for You» -- «Through Different Eyes: I) When Sorrow Turns To Pain» - «II) Apocalyptic Visions Of Paradise» - «III) So Far Away» - «IV) The Point Of No Return» - «V) The Silent Scream» - «VI) Dancing With Butterflies» - «The Preacher's Fall».

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