Nun, soundtechnisch wird hier schwere Kost geboten, welche vielleicht die, beziehungsweise den eine/n andere/n Metalhead/in doch ziemlich die Nase rümpfen lässt, denn Mycelia sind experimentierfreudig und beschreiten doch sehr abgelegene Pfade im Metal. Was will der Schreiberling damit ausdrücken? Well, er will damit ausdrücken, dass es ein sehr vielseitiges, an weitreichenden Spektren sich handelndes Songwriting ist, das die Grenze zwischen beinahe schon Electronica und schwerem, brutalen Death Metal sich wohl schmelzend doch verbinden können, ohne dabei auf irgendwas Wesentliches verzichten zu müssen. Nebst eingespeisten Dialogen wird daher auch auf den Einsatz von Synthesizern nicht verzichtet - warum auch? - und stilistisch treten dadurch auch leichte Rammstein- und Ministry-Einflüsse hervor, welche jedoch durch das straighte, leicht corige Death Metal Geschrubbe beinahe wieder zunichte gemacht werden, obschon die Härte wiederum für Rammstein und Ministry spricht.
Da die meisten CH-Metalacts sowieso stets die Ketten der Schubladisierung vom ersten Ton her sprengen, Mycelia miteingeschlossen oder dann auch Bands wie Coroner, Celtic Frost, Hellhammer, Eluveitie, Triptykon und weitreichende Konsorten des Genres nennen zu dürfen, so ist der Begriff "progressiv" wohl auch mit atmosphärisch, ambient, avantgardistisch zu benennen, denn «In A Late Country» ist alles andere als ein 08/15-Gezocke. So kommen halt auch Bands wie Rammstein, Ministry, etwas Type O Negative, Celtic Frost, Rivers Of Nihil, Fallujah und Konsorten hinzu, als Anhaltspunkte, vor allem auch die Weitreichigkeit des Gesamtsoundes und Songwritings vergleichend. Die elektronischen Momente sind ein Bestandteil im Sound von Mycelia. Die Vocals tendieren von reinem Klargesang bis hin zu derbstem Growl, doch stets klar, bösartig, sauber gehalten. Die Drums prasseln mal kurz blastend, mal mit viel Double-Bass Drums versehen, so Android-mässig im Gleichtakt gehalten, monoton, treibend, wirbelnd auf einen nieder. Die Snare ist straight, die Cymbals tanzen, und die Toms erhallen im Voodoo-Takt einher.
Die Gitarre rifft und schrammelt sich durch die deathcorigen Grundmomente eines anständigen Riffs hindurch, gepaart mit ab und an sehr melodiösen Läufen wie Tappings und nicht unbedingt endlosen Solo-Attacken. Der Tieftöner ist das bassmächtige Pendant zur Klampfe, ebenfalls sehr virtuos, abwechselnd und mit reinem Sound versehen. Die Produktion ist klar, druckvoll, rein, so wirkt dann auch das songwriterische, abstrakte Schaffen sehr gelungen. Das Cover-Artwork entspricht dem Musikalischen und ist sehr mystisch und atmosphärisch gehalten. Einzelne Tracks hervor zu heben wird schwierig, denn dann würde man diese aus dem Konzept heraus reissen. Nein, das neue Album «In A Late Country» soll als Einheit, als Ganzes, durchgehört werden, denn nur so erhält man den Überblick, was Mycelia auf «In A Late Country» zocken und geleistet haben. Ja, ein Antesten ist unausweichlich, doch hat man mal den berühmten Zugang zum Album gefunden, dann eröffnet es einem das Universum, ohne Scheiss. Deshalb, nehmt Euch die Musse, die Zeit und das Hinhören, es lohnt sich alleweil.
Poldi