Die finnischen Musiker haben sich über drei Dekaden den Legendenstatus erarbeitet. Von ihren ikonischen Death Metal Wurzeln anfangs der 90er Jahre hin zu einem progressiveren und vom Folk Metal beeinflussten Sound, was sie jedoch nie davon abgehalten hat, eine Reihe von essenziellen Platten zu produzieren. Dazu zählt sicherlich auch ihr fünfzehnter Longplayer «Borderland». Im Laufe der Jahre haben Amorphis echte Klangveränderungen in Richtung Progressivität durchlaufen, der deathmetallige Unterton blieb jedoch stets erhalten. Diesen hat auch der neue Produzent Jacob Hansen nicht angefasst.
Der hymnische Opener «The Circle», das treibende «Fog To Fog», die stampfende, epische Lead-Gitarre von «Bones»; das ist Amorphis in Reinkultur. Nur wenige Bands, die so lange in der Szene dabei sind, können bei mir noch solche Emotionen mit ihrer Musik hervorrufen. Jeder Track ist von einem kalten Schauer geprägt, umhüllt von einer atmosphärischen Düsternis, die allerdings nie Überhand nimmt. «Light And Shadow» besitzt Gothic Metal-Einflüsse, gepaart mit kraftvollen melodischen Riffs, die berauschend sind. Paradise Lost hätten es am Zenit ihrer Doom-Phase Mitte der Neunzigerjahre nicht besser machen können.
Amorphis packen noch eine gewaltige Portion Heavy Metal hinzu, und das Resultat ist einmalig. Wobei, trotz meiner Loyalität für diese Combo muss ich zugeben, dass die Songs auf «Borderland» zur zweiten Hälfte des Albums an Einmaligkeit einbüssen. Die Melodien sind zwar nach wie vor stark, jedoch weiss man nicht eindeutig, ob man diesen Song bereits gehört hat oder nicht, da er grosse Ähnlichkeit mit seinem Vorgänger aufweist. Dafür ist das Wechselspiel zwischen Growl- und Clean-Vocals auf «Borderland» meistens grandios, wird nie langweilig, sondern unterstreicht die Dualität des Sounds.
Trotz der Kritik, was Abwechslung und Einmaligkeit betrifft, haben die Finnen mit «Borderland» einen weiteren Meilenstein errichtet. Die zehn Tracks sind emotional, strotzen vor Kraft, Anmut wie Erhabenheit und transportieren dabei jede Menge Heavy Metal. Von Ideensterben bei Amorphis kann also noch lange keine Rede sein, auch wenn nicht jeder einzelne Song ein «Black Winter Day» ist. Bands, die das vollbringen, was Amorphis zurzeit abliefern, sind auf diesem Niveau eindeutig rar. Tolle Platte!
Oliver H.