Der Schweizer Einfluss ist unverkennbar: Gründer Reto Mäder (JeGong, Ural Umbo) formt riesige negative Räume und körnige Texturen, während die finnische Achse mit Jukka Rämänen am Schlagzeug und Marko Neuman als Stimme/Noise-Medium diese Räume in Druckkammern verwandelt. Es ist ein echter grenzüberschreitender Dialog: Schweizer Präzision trifft auf finnische Trance und ergibt Musik, die wie eine Beschwörung wirkt.
Trotz der elektronischen Einflüsse und avantgardistischen Impulse überzeugt «Spectral» mit doomiger Schwere und schlammiger Gravitation. Rämännens tomgeführte Patterns marschieren wie rituelle Kriegstrommeln, Gitarren und Synthesizer verschmelzen zu übersteuerten Drones, die wie Verstärker am Rande aufblühen, und Neumans viele Kehlen bewegen sich von Atem zu Kreischen, respektive kanalisieren die theatralische Intensität, nach der sich Metal-Fans sehnen.
Gastauftritte vertiefen die Verbindungen: Juho Vanhanen (Oranssi Pazuzu) verroht den Horizont des Openers, Vicotnik (Dødheimsgard) injiziert paranoides Theater in «Beer Cans In A Bottomless Pit» und G. Stuart Dahlquist (Burning Witch/Goatsnake) zieht «Agglomeration» in subharmonische Ruinen. Musikalisch fliesst das Album wie eine Séance mit unterschiedlichen Räumen: eine langsame Entzündung bluesiger, verstimmter Gitarrenklänge, tektonische Drones, die sich in kalte, motorische Impulse auflösen, Chorstimmen, die unter metallischen Obertönen verschwinden, sowie plötzliche Schocks minimalistischer Melodien, die sich wie Notbeleuchtung in einem rauchgefüllten Saal anfühlen.
Die LP-Version strafft den Zauber auf acht Sätze, während die CD-/Digitalversion «Null» hinzufügt, einen fiebrigen Höhepunkt aus besessenem Schlagzeug und zersplitterter Stimme, der die Erzählung in Richtung Delirium kippen lässt. «Spectral» ist keine Hintergrund-Atmosphäre, sondern eine Halluzination in Körpertemperatur, sprich schwer, diszipliniert und unheimlich lebendig. Zuhörern, die das Gewicht und die Bedrohlichkeit des Metal wollen, ohne ihre Neugier aufzugeben, liefern Sum Of R einen packenden, transalpinen Exorzismus.
Lukas R.