«Si Vis Pacem Para Bellum» erscheint wie eine musikalisch umgesetzte Sezierung (s)eines Leichnams. In vier gewaltigen Kompositionen konstruiert das Berliner Kollektiv ein Theater des Widerstands, ein dialektisches Ritual in Metal, in dem jeder Satz eine weitere Maske der Macht, des Glaubens und der Angst entlarvt. In «Echoes Of Ashes» erheben sich Stimmen aus den Ruinen des Imperiums. Die ukrainischen Gastsängerinnen Yaryna Borynets und Natalya Androsova verwandeln ihre Klage in Trotz, ihre Stimmen durchdringen den Frost der Apathie.
Der Song wird zu einem Dokument, teils Requiem, teils Zeugenaussage und dies für eine Welt, in der sich der Rauch noch nicht verzogen hat. «I Who Repel All Light» folgt wie eine umgekehrte Predigt. Hier wird keine Erlösung versprochen. Die Religion wird ihrer Gewänder beraubt und offenbart eine Maschinerie des Gehorsams. Die Gitarren dröhnen wie einstürzende Kathedralen, Christins Stimme wird zur Revolte der Zweifler, eine Klinge der Vernunft, geschmiedet aus Desillusionierung. Dann folgt «Drifting Beyond Time’s Grasp».
Es ist die Stille nach dem Marsch, eine Stille, die schwerer wiegt als Lärm. Der Song fängt den Bedeutungsverlust einer Welt ein, die sich täglich selbst vergisst. Ein Requiem für die Erinnerung, geschrieben in Grautönen. Schliesslich folgt «Eradicate Taciturnity». Hier weigert sich die Stimme der Unterdrückten, zu schweigen. Christins weiblicher, gebrochener und ungebrochener Schrei zerstört die Anständigkeit des Durchhaltens. Es ist das Erwachen, der Klang von Ketten, die im Rhythmus der Wahrheit zerbrechen.
Mit der Präzision und Wut von Daniel Ringl und Dave Otero produziert, ist «Si Vis Pacem Para Bellum» sowohl Spiegel, als auch Waffe. Wie Brechts Theater fordert es Bewusstsein statt Flucht. Es beruhigt nicht, sondern lehrt. In diesem Zeitalter der stillen Komplizenschaft erinnern uns Hæresis daran, dass Kunst, wenn man sie ihrer Behaglichkeit beraubt, immer noch kämpfen kann.
Lukas R.