Anstatt die aggressive, Lovecraft-artige Dissonanz ihrer jüngsten Veröffentlichungen fortzusetzen, entscheidet sich Vindsval dieses Mal für Reflexion und Erweiterung. Das Album wirkt weniger konfrontativ, sondern eher erhaben. Schade dass diese Band es vorzieht fast nie live zu spielen. Musikalisch tendiert «Ethereal Horizons» zu einem melodischen, gitarrenlastigen Sound, der an die psychedelische Klarheit von «Hallucinogen» und die expansiven Atmosphären der «Memoria Vetusta»-Ära anknüpft, ohne jemals nostalgisch zu werden. Die Riffs atmen, dehnen sich aus und entfalten sich geduldig; oft umkreisen sie leuchtende Motive, die sich beinahe progressiv anfühlen. Post-Rock-Dynamik, kosmische Synthesizer und subtile Orgelklänge sorgen für Wärme und Bewegung, während die Rhythmusgruppe alles mit zurückhaltender Zuversicht statt mit purer Aggression verankert.
Der Gesang wird sparsam, aber effektiv eingesetzt. Vindsvals charakteristische Reibeisenstimme wirkt dabei eher wie eine spektrale Textur als wie eine dominante Kraft. Sie steht häufig im Kontrast zu klaren Gesängen und Chören, die ein Gefühl von zerbrechlicher Menschlichkeit vermitteln. Diese Momente sollen Verletzlichkeit in weiten, jenseitigen Räumen suggerieren. Das Ergebnis ist ein Album, das sich gleichzeitig kosmisch und introspektiv anfühlt. Ein Stück wie «Seclusion» löst bei mir unmittelbar visuelle Assoziationen aus – die Musik ist klar cinematographisch gedacht und arbeitet mit eindrücklich gezeichneten Klangbildern.
Das Hörerlebnis ist eher immersiv als überwältigend. Die Tracks fliessen organisch ineinander und regen dazu an, das gesamte Album zu hören, statt einzelne Stücke isoliert zu konsumieren. Zwar werden langjährige Fans der härteren, dissonanteren Phasen von Blut aus Nord die bedrückende Schwere vielleicht zunächst vermissen, doch mit Geduld werden sie mit Tiefe, Nuancen und emotionaler Resonanz belohnt.
«Ethereal Horizons» ist keine radikale Neuerfindung, sondern eine sorgfältige Synthese aus Vergangenheit und Gegenwart, gefiltert durch drei Jahrzehnte künstlerischer Entwicklung. Es ist ein selbstbewusstes, reifes Statement, das vor allem Hörer ansprechen dürfte, die Black Metal als Medium für Atmosphäre, Transformation und stille Transzendenz schätzen und nicht als reine Extremität.
Lukas R.