Nach Jahren der Stille bewies ihre Wiedervereinigung im Jahr 2014, dass die Neuerfindung Teil ihrer DNA ist. Mit «A Dark Poem, Part I: The Shores Of Melancholia» starten sie nun den ersten Teil einer geplanten Trilogie, ein ambitioniertes Werk, das sowohl literarische Inspiration, als auch zwei Jahrzehnte unermüdlicher Kreativität in sich vereint. Das Album umfasst sechs Titel, die alle sorgfältig darauf abgestimmt sind, Atmosphäre, Schwere und Emotion in Einklang zu bringen. Der Opener «As Silence Took You» beginnt mit schweren Basslinien wie traurigen Vocals und steigert sich zu einem Höhepunkt der Trauer.
Der Refrain "I never got to say goodbye" hallt noch lange nach dem letzten Akkord nach. Die Auskopplung «In Your Paradise» folgt mit einem kraftvollen Riff und dramatischen Gesangs-Bögen, untermalt von subtilen Keyboard-Klängen, die die Aufmerksamkeit der Band für Texturen offenbaren. «Me, My Enemy» beginnt zurückhaltend und entfaltet sich von einem sanften Puls zu einer hymnischen Welle, die an die emotionale Kraft von Riverside oder Soen erinnert.
Mit «The Slave That You Are» knüpft die Band wieder an ihre Black Metal Wurzeln an. Gastvokalist Grutle Kjellson von Enslaved setzt Kjetil Nordhus' klarem Gesang einen wilden Kontrapunkt entgegen und schafft so einen der auffälligsten Kontraste des Albums. Der Titeltrack «The Shores of Melancholia» verlagert den Fokus zurück auf die Melodie, deren prägnante Struktur von einem unwiderstehlichen Gesangs-Hook getragen wird. Das Schluss-Stück «Too Close to the Flame» ist sowohl expansiv als auch kathartisch. Es schichtet Gitarren- und Synthesizer-Wellen zu einem Finale, das sich wie eine Zusammenfassung der bisherigen Reise der Band anfühlt. (Mein Anspieltipp!)
Was dieses Album so bemerkenswert macht, ist nicht die Virtuosität um ihrer selbst willen, sondern die Kohäsion: Jeder Song atmet, jede Stille ist sinnvoll und jede Steigerung ist sorgfältig erarbeitet. «The Shores Of Melancholia» fühlt sich weniger wie der Beginn einer Trilogie an, sondern eher wie der Auftakt zu einer weitläufigen, emotionalen Landschaft. Wenn dieser erste Teil ein Indikator ist, dann sind Green Carnation erneut bereit, einen unauslöschlichen Eindruck in der Zukunft des Progressive Metal zu hinterlassen. Ich liebe sie, die Norweger.
Lukas R.