Von der Underground-Punkszene über Major-Labels bis hin zu einflussreichen Indie-Labels sind Thrice wohl soweit einzigartig, dass sie mit jeder neuen Veröffentlichung bei ihren Fans an Bedeutung gewannen. Die beständige Besetzung mit Dustin Kensrue (v/g), Teppei Teranishi (g), Eddie Breckenridge (b) und Riley Breckenridge (d) entwickelte sich stets in Klang und Substanz weiter, ging Fragen unter der Oberfläche nach und lehnte abgedroschene Formeln ab – bis heute.
Eigentlich hatten Thrice kurz nach dem Release ihrer zehnten Platte «Horizons/East» (2021) schon darüber gesprochen, dass Teil zwei fertig sei. So einfach schien es aber dann doch nicht zu gehen. Nun steht dieser in den Läden. Musikalisch verbindet «Horizons/West» die cineastischen Post Rock-Texturen mit den rhythmischen Feinheiten von «Horizons/East» und sogar Momenten der rohen Dringlichkeit, die bereits ihre frühen Alben geprägt haben. Kensrues Stimme ist immer ausdrucksstark, reicht von einem verletzten Flüstern bis zu einem leidenschaftlichen Brüllen.
Gleichzeitig bleibt die Band eine straff gespannte Maschine aus Emotion und Präzision. Textlich setzt Kensrue seine Erkundung einiger der grössten Fragen des Lebens fort, die sich um persönliche Identität, gesellschaftliche Manipulation, technologische Ängste und spirituelle Transzendenz drehen. «Horizons/West» versucht, einen Teil davon zu enthüllen. Während elf Songs erkunden Thrice immersive Atmosphären, cineastische Gitarrentöne und expansive Dynamik, ohne dabei die Trademarks zu opfern, die ihre Klassiker auszeichnet.
Die Songs bauen sich auf und entfalten sich wie flackernde Fackeln in der Dunkelheit. Darüber hinaus sind die miteinander verflochtenen Alben ein Beweis für die Ausdauer einer Band, die sich seit mehr als zwei Jahrzehnten jeder Kategorisierung entzieht und Unruhe in Langlebigkeit, Experimente in Hymnen und Überzeugung in Gemeinschaft verwandelt. «Horizons/West» vollendet eine Reise, die egoistisches Genre-Festhalten loslässt und mit etwas Grösserem verschmilzt.
Oliver H.