Aus dem kreativen Nährboden der amerikanischen Post-Rock-Underground-Szene hervorgegangen hat sich Hiroe 2022 mit einer vielversprechenden EP einen Namen gemacht. Doch mit «Wield» sind sie erst richtig angekommen. Diese 48-minütige hauptsächlich instrumentale Reise ist vielschichtig, immersiv und emotional ausdrucksstark. Im Mittelpunkt stehen drei Gitarren, die sich mal harmonisch, mal dissonant bewegen, mal wie ein Murmeln, mal wie kollidierende tektonische Platten. Das Ergebnis ist ein Klangteppich, der an die verträumtesten Stücke von Deftones, die kolossalsten von Caspian und sogar an die unheimliche Schwere von Year of No Light erinnert.
«The Calm» eröffnet das Album mit Zurückhaltung. Das zarte Xylophon und die ambienten Klänge laden dabei zu stiller Aufmerksamkeit ein. Doch erst «Tides» zeigt die dynamische Bandbreite von Hiroe in vollem Umfang: ein doomlastiger, schlammiger Koloss, der sich zu einer hochfliegenden Melodie entfaltet. Es ist ein Track, der Hiroes Talent für Übergänge verkörpert: Gewalt in Schönheit, Schwere in Leichtigkeit. «Collider», das Herzstück des Albums, bewegt sich mit komplexen Tapping-Patterns und steigender melodischer Spannung. Die letzten Minuten fühlen sich weniger wie ein Höhepunkt, sondern vielmehr wie eine Transzendenz an. Dann gibt es noch «Dancing at the End of the World» – ein Track, der genau das tut, was sein Titel verspricht: Er blickt mit Anmut und Rhythmus dem Untergang entgegen.
Was «Wield» auszeichnet, ist nicht nur seine Klangpalette oder die Klarheit der Komposition. Es ist die Absicht. Dieses Album bettelt nicht um Aufmerksamkeit, sondern schafft Vertrauen. Es sollte von Anfang bis Ende mit Zeit und Geduld erlebt werden. Und es belohnt beides. In einem von Echo-Kammer-Gleichförmigkeit geprägten Genre wirkt «Wield» wie eine Leuchtrakete. Laut, leuchtend und absolut lebendig.
Lukas R.