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"... John, Gonzo und ich sind gleich alt und besuchten die gleiche Schulklasse. Wir waren sieben oder acht Jahre alt und wurden enge Freunde..."
Wer sich einmal mit den Amerikanern von Armored Saint beschäftigte oder eines ihrer unvergesslichen Konzerte besuchte, konnte dem AS-Virus nicht mehr entrinnen. Sänger John Bush, Bassist und Interviewpartner Joey Vera, Trommler Gonzo Sandoval sowie die beiden Gitarristen Phil Sandoval und Jeff Duncan gehören zu den intensivsten Musikern, die es im traditionellen Metal zu hören und zu sehen gibt.
Alben wie «March Of The Saint», «Delirious Nomad» und «Raising Fear» waren die Startsignale einer aufstrebenden Einheit. Damals noch mit Gitarristen Dave Prichard, der leider 1990 an Leukämie verstarb. Nach diesem tragischen Ereignis wurde «Symbol Of Salvation» veröffentlicht. Eine Scheibe, die sich von den drei Vorgängern abhebt und trotzdem typisch nach Armored Saint klang. Auch eine Europa Tour, als Support der Scorpions, konnte das Ende der Truppe jedoch nicht verhindern. Die Jungs stiegen aber wie der berühmte Phoenix aus der Asche und sind heute eine noch grössere Macht als früher. Aktuell wurden zum 30-jährigen Jubiläum von «Symbol Of Salvation» ein Live-Album und eine Live-DVD veröffentlicht, welche das komplette Werk beinhalten. Diese Tracks wurden mit einer absolut göttlichen Hingabe, Energie und Tightness gespielt, dass es dem Verfasser dieser Zeilen einmal mehr dicke Fragezeichen auf die Stirne zimmerte, die von der Frage "wieso diese Band nicht erfolgreicher wurde" flankiert wurden. Aber jammern hilft bekanntlich nichts, darum steigen wir ins Interview ein…
MF: Joey, das neue Live-Album besitzt eine unglaubliche Energie, wie ein Schlag ins Gesicht. Woher kommt diese?
Joey (lachend): Ich denke, wir haben viel dafür geprobt und bin glücklich, dieses Statement von dir zu hören, Martin. Wir waren richtig heiss für dieses Konzert und sehr aufgeregt, das komplette «Symbol Of Salvation» Album zu performen. Zudem waren wir gespannt, wie sich das Material nach all den Jahren anhören wird. Wir versuchten den Grundstein für eine gute Show immer im Studio zu legen, wenn wir neues Material schrieben. Viel Zeit verbrachten wir damals im Soundtempel, um «Symbol Of Salvation» aufzunehmen und zu produzieren. Ich kann dir nur aus meiner Sichtweise sagen, als Bandmitglied, Songschreiber und Produzent der letzten drei Scheiben, dass wir noch immer die Besessenheit haben, immer das Beste zu geben. Es steckt viel Power in uns, wenn wir im Studio, aber auch auf der Bühne sind. Wir schenken beiden Dingen eine grosse Beachtung.
MF: Wo habt ihr das Live-Album aufgenommen?
Joey: Wir spielten 2018 eine Tour in den Staaten. Das Konzert, das man im Video sieht, stammt aus New York. Rein aus budgettechnischen Gründen machte dies am meisten Sinn. Eine 5-Mann Kamera-Crew stand uns zur Seite.
MF: Wieso habt ihr das Konzert nur in schwarz und weiss gefilmt?
Joey: Ich denke, diese Bilder geben eine sehr coole Stimmung ab. 1991, als «Symbol Of Salvation» erschien, kam uns vieles schwarz und weiss vor. Dies wiederum ergab eine tolle Verbindung, um die dunklen und hellen Seiten des Werkes zu präsentieren. Die Qualität erschien uns einfach besser.
MF: Im Live-Video erwähnt John, dass ihr wie eine Familie seid. Was macht diese Band so speziell?
Joey: John, Gonzo und ich sind zusammen aufgewachsen. Phil gehört irgendwie auch dazu (grinst), weil er der Bruder von Gonzo ist. Wir wohnten nur ein paar Häuser voneinander entfernt. John, Gonzo und ich sind gleich alt und besuchten die gleiche Schulklasse. Wir waren sieben oder acht Jahre alt und wurden enge Freunde fürs Leben. Noch heute hängen wir dauernd zusammen ab, seit 1975 (lacht). Das ist eine sehr lange Zeit in der wir unsere Zeit miteinander teilen (lacht). Die Band wurde 1981, nach unserer Zeit in der High-School, gegründet. Während der Schule spielten wir in unterschiedlichen Truppen, die ganz verschiedenen Stilen nachgingen. Wir erlebten die Höhen und Tiefen zusammen, wie in einer Familie, und aus diesem Grund sind wir mehr als "nur" Freunde.
MF: John hat auch erwähnt, dass Jeff das neuste Mitglied der Band ist. Wie schwer war es für ihn, in diese Familie rein zu kommen?
Joey: Das war eine sehr natürliche Sache für ihn. Jeff wohnte in der Nähe und war nicht zu jung für uns. Als wir Freunde wurden, spielte er in den gleichen Clubs wie Armored Saint und hat die gleichen Erfahrungen mit der Musik gemacht wie wir. Es war eine ganz natürliche Geschichte für ihn und für uns. Das erste Mal als wir ihn baten bei uns einzusteigen, war nach der «Raising Fear» Tour. Das müsste 1987 gewesen sein. Es fühlte sich sehr natürlich an, weil wir immer zusammen abhingen und den gleichen Freundeskreis hatten.
MF: Wie wichtig ist das Album «Symbol Of Salvation» für dich persönlich?
Joey: Eine ziemlich wichtige Scheibe (grinst). Damals befanden wir uns als Band in einer sehr schwierigen und harten Zeit. Die Leute, welche unsere Geschichte kennen, wissen durch welche emotionalen Täler wir damals schritten. Chrysalis kündigte unseren Plattenvertrag. Wir veröffentlichten drei Alben bei diesem Major Label, und 1987 war alles vorbei. Es gab Ärger, einen neuen Deal zu finden. Drei Jahre versuchten wir einen neuen Plattenvertrag zu bekommen und schrieben das Material für «Symbol Of Salvation». Zeitgleich stellte unser Gitarrist Dave Prichard fest, dass er Krebs hatte und musste sich Chemo-Therapien unterziehen. Auch Operationen konnten nicht verhindern, dass er 1999 starb. Das war wirklich eine sehr dunkle Periode in der Zeit von uns und Armored Saint. Zeitgleich schreiben wir Lieder und kamen an einen Punkt, an dem wir nur noch für uns komponierten. Die Musik-Genres trennten sich in dieser Zeit in viele Unterkapitel auf. Thrash und Hair Metal gab es schon, welche den traditionellen Metal ergänzten. Dann kamen neue Bereiche dazu wie Death und Black Metal sowie viele Crossover Richtungen, die den ursprünglichen Sound erweiterten.
Aus diesem Grund begannen wir mehr zu experimentieren und nahmen die Möglichkeit wahr, andere Elemente in unseren Sound einfliessen zu lassen. Zum Beispiel aus den siebziger Jahren, sowie Punk und Blues-Parts. Ich denke, dass wir dies aber erst zu Beginn der Jahrtausendwende wahr nahmen. Als ich auf unsere Karriere zurück blickte und mich fragte, wieso sich «Symbol Of Salvation» von seinen Vorgängern unterscheidet. Diese Scheibe brachte uns auf einen neuen Weg, der uns wiederum dazu veranlasste, unseren eigenen, unverkennbaren Sound zu definieren. «Symbol Of Salvation» war der nukleare Start dazu (grinst). Ohne dieses Album hätte es kein «La Raza», «Win Hands Down» oder «Punching The Sky» gegeben. Alleine aus diesem Grund ist «Symbol Of Salvation» ein dermassen wichtiges Werk in meiner Karriere geworden. Ich bin mir sicher, dass viele Fans meiner Meinung zustimmen würden, weil dies auch ihr Lieblingsalbum ist. Damals war es eine sehr schwierige, aber auch interessante Zeit. Es war das Ende einer Periode und zugleich der Start einer Neuen (grinst). Für viele Fans war die Scheibe aber auch der Start, um Armored Saint kennen zu lernen. Auch dank der Videos von «Reign Of Fire» und «Last Train Home», welche immer auf MTV gezeigt wurden. Durch diesen Einstieg kamen sie in Berührung mit «March Of The Saint», «Delirious Nomad» und «Raising Fear». Das Komische war, dass wir uns nach «Symbol Of Salvation» für zwölf Jahre auflösten (lacht). Es gibt sehr viele Gründe, wieso genau dieses Album ein sehr, sehr wichtiges war.
"...Wir waren junge Kerle, und der Tod hat uns förmlich überrascht. Dave war gerade 26 Jahre jung, als er diese schreckliche Diagnose erhielt..."
MF: Du hast es angetönt, die Krankheit und der Tod von Dave. Wie stark hat dies die Scheibe beeinflusst?
Joey: Wir kamen aus einer Zeit, in der der sich vieles änderte. Viele Dinge erledigten wir für unseren Freund. Trotz der Krankheit half uns Dave immer wieder beim Songwriting. Als er starb, ging vieles mit ihm mit. Auch die Art, wie wir die eigene Musik hörten. Es war eine sehr grosse Herausforderung für uns, und wir schauten dabei in eine ungewisse Zukunft. Es war sehr aufregend, mit welchen Ideen uns Dave noch inspirierte. Das Arbeiten im Studio war auf eine Art und Weise hilfreich wie heilend, auch wenn es einer emotionalen Achterbahnfahrt gleich kam. Es war nicht immer alles leicht, aber auch nicht immer alles schwierig und aussichtslos. All diese Dinge ergaben dieses Album. Wir waren junge Kerle und der Tod hat uns förmlich überrascht. Dave war gerade 26 Jahre jung, als er diese schreckliche Diagnose erhielt. In diesem Alter denkst du nicht über eine schwere Krankheit oder den Tod nach. Seine Persönlichkeit (lacht)…, Leute, die ihn kannten sagten immer: "Er ist ein sehr positiver Mensch, unbesiegbar und eine Art Superheld (grinst). Er war ein Spassvogel". Als Dave an Leukämie erkrankte, bei dem man wusste, es gab keine Heilung…, das war eine schwer zu schluckende Pille. Wir verbachten viel Zeit bei ihm im Spital. Es wirkte, als gäbe es trotzdem eine schnelle Heilung, zumindest hofften wir dies. Dave musste diese Chemo-Therapien über sich ergehen lassen, die einiges in seinem Körper killten. Es war eine schwere und kurze Zeit, in der es vom Superhelden zum Zusammenbruch kam, sowie eine verdammt harte Zeit, die man so schnell nicht vergisst.
MF: War «Last Train Home» ein Andenken an Dave?
Joey: Nein, denn das Lied wurde um einige Jahre früher geschrieben. Er ist eher ein Tribut an das Leben generell. Inspiriert wurde es durch den Tod von Johns Vater. Wir befanden uns im Songwriting Prozess, nachdem wir den Plattenvertrag verloren hatten und Jeff bei uns einstieg. Er hatte die Grundidee zu diesem Track. Wir hatten ein Konzert und flogen nach Wisconsin. Als wir eintrafen bekam John einen Anruf seiner Mutter, dass sein Vater einen massiven Herzinfarkt erlitten hatte. Wir spielten die Show, aber ich weiss, wie sehr John an diesem Abend auf der Bühne beeinflusst und mit seinem Gedanken völlig an einem anderen Ort war. Man fliegt um die Welt, spielt Konzerte und vergisst dabei ab und zu das Leben zu geniessen. Ich bin mir sicher, «Last Train Home» wurde unter diesen Einflüssen geschrieben.
MF: Du hast auch den Vertrag mit Chrysalis erwähnt. War der eher ein Fluch oder ein Segen?
Joey: Beides (lacht). Grundsätzlich war er ein Segen. Sie gaben uns Möglichkeiten, die damals durch einen Major möglich waren. Es waren sehr viele Leute involviert, welche für uns arbeiteten. Diese Zahnräder griffen ineinander. Von den Budgets über die Werbung, bis zu den Bemusterungen in den Verkaufsläden. Wir hatten die Möglichkeiten in den grössten Studios aufzunehmen und mit den bedeutendsten Produzenten wie Max Norman, zu arbeiten. Diese Illusion, welche damit verbunden war (grinst), macht dich fast unsterblich. Wir waren jung, knapp zwanzig Jahre alt, als wir den Vertrag unterschrieben. Es war unglaublich! Viele Leute kämpfen ein ganzes Leben lang, um eine solche Möglichkeit zu erhalten (lacht). Es gab sicherlich viele Höhen und Tiefen. Das ist normal, wenn du bei einem solchen Giganten unter Vertrag stehst. Aber hey, so war das Leben damals, wie auch heute. Es gibt gute und schlechte Momente in deinem Leben. Das macht das Dasein so spannend.
Wir haben einiges gelernt und fühlten uns dabei aber nie als Rockstars. Der wollte ich auch nie sein. Es war kein Ziel. Nochmals, als wir den Vertrag unterschrieben, waren wir verdammt jung. Vielleicht hast du Bilder in deinen Augen, was alles passieren und welche Träume in Erfüllung gehen könnten. Damals wurde ein Traum wahr. Mit 22 Jahren kam unsere erste Scheibe «March Of The Saint» raus und wir gingen als Vorband von Quiet Riot und Whitesnake auf eine Arena-Tour. Quiet Riot hatten gerade «Condition Critical» veröffentlicht und Whitesnake befanden sich auf der «Slide It In»-Konzertreise. "Here we are!" (lacht), als lokale Helden spielten wir jeden Abend mit diesen massiv erfolgreichen Truppen vor 12'000 bis 17'000 Leuten. David Coverdale steht zusammen mit John Sykes und Cozy "fucking" Powell auf der Bühne. "What the fuck we are doing here?!" Wir hatten viel Spass und ich wünschte, ich könnte mich noch an alles erinnern (lautes Lachen). Es war alles neu und eine verrückte Zeit, die uns ehrlich gesagt völlig "crazy" machte. Das waren diesen Zeiten in denen wir dachten: "YES, we made it!" (lacht). Sehr schnell merkst du, dass dies alles nur eine Illusion ist und dich die Realität schneller wieder ein- und überholt (grinst). Aber diese verdammten fünfzig Minuten waren jeweils ein toller Moment (lautes Lachen)!
MF: In meinen Augen sind «Delirious Nomad» und «Raising Fear» die absoluten Top-Alben von euch. Welches liegt dir am meisten am Herzen?
Joey: Meine Verbindung zu den Werken…, ich war bei allen ein Bestandteil und somit involviert. Es war eine verdammt lange Zeit. Wenn man in die Musik eintritt, aus meiner Perspektive, hast du ein Verlangen dich auszudrücken. Damit hast du eine ganz eigene Verbindung zu deinem Herzen wie deiner Seele und verbindest einen ganz bestimmten Moment in deinem Leben mit diesen Alben. Darum besteht die innigste Verbindung zu meinem letzten Werk «Punching The Sky». Seit dem ersten Tag befindet sich diese Truppe in einem stetigen Vorschritt. Darum sehe ich «Punching The Sky» als die beste Scheibe. Ich bin sehr stolz darauf woher wir kommen und auf die Kombination aller Platten, die wir über all die Jahren kreierten. Ich kann dir sagen, welche Erinnerungen ich an «Delirious Nomad» habe. Das ist auch eine ganz wichtige Scheibe für mich, weil es eine sehr rebellische Angelegenheit war. (grinst). Die Platte davor, unser Debüt «March Of The Saint»...
...wir waren jung, und das erste Mal sprangen wir aus der Box heraus. Das waren die ersten Lieder, die wir komponierten, die einen naiven Vibe versprühten. Wir waren bei einem Major Label, hatten einen neuen Manager und verloren die Kontrolle über uns. Es gab zu viel Einfluss des Major Labels. Wir rebellierten, und daraus entstand «Delirious Nomad». Dies war unsere Antwort auf diese Rebellion. Im Vergleich zu «March Of The Saint» fiel sie eher dunkel aus. Zusammen mit Max Norman produzierten wir dieses "wütende" Werk. Damit entlud sich dieser Frust in Form von Liedern. Auch «Raising Fear» war ein sehr wichtiger Schritt nach vorne. Vielleicht ist es eine konfusere Arbeit, und auch hier rebellierten wir, aber dieses Mal aus Frustration. Wir verloren noch mehr die Kontrolle und hatten mehr Ärger mit dem Management. Der Schmerz wurde immer grösser und wir fragten uns, wer wir sind, respektive wohin soll es mit uns als Musiker und Songschreiber gehen? «Raising Fear» ist voll von diesen Fragen und "Ängsten". So könnte ich dir über jedes Album eine Geschichte erzählen. Aus unterschiedlichen Gründen sind alle Scheiben sehr wichtig für mich und die Band.
MF: Was war für dich früher wichtig, und was ist es heute?
Joey: Wir wollten Lieder schreiben und uns immer selber treu bleiben, vom ersten Tag an. Wir wurden von Queen, Thin Lizzy und UFO beeinflusst. Bands, die sich immer wieder neu erfanden und nicht immer das gleiche Album immer und immer wieder komponierten. Verstehe mich nicht falsch, ich mag Truppen wie AC/DC, die ihren ureigenen Sound haben. Aber für uns war wichtig, dass wir uns weiter entwickeln und unseren eigenen Sound kreieren. Das war uns immer sehr, sehr wichtig, und ich denke, das haben wir bis heute durchgezogen. Auch dank einem Label wie Metal Blade, das uns die Möglichkeit gibt, uns selbst zu verwirklichen. Wir können die Musik schreiben, die wir wollen. Unser musikalisches Umfeld unterstützt uns dabei, und unser Verlangen kann somit gestillt werden. Diese Freiheit die wir heute haben, ist sehr sehr wichtig für uns. Die hatten wir nicht immer (grinst). Dafür sind wir sehr dankbar.
MF: Herzlichen Dank für das Interview und die Zeit, die du dir genommen hast.
Joey: Sehr gerne, ich danke dir, es war wieder einmal nett mit dir sprechen zu können.