Swiss Hard Rock and Heavy Metal Magazine since 1999
You can reach us via email or phone.
+41 (0) 79 638-1021
"...Den aktuellen Härtegrad von Sinner gab es 1996 schon, und da existierten Primal Fear noch nicht..."
Ein neues Sinner-Album lässt mich immer aufhorchen. Auch wenn «Brotherhood» härter ans Werk geht als seine beiden Vorgänger, sind die Markenzeichen des Sounds klar erkennbar. Einerseits die Gitarren-Power und andererseits die Gesangsstimme von Mat. Dass es dem Protagonisten gesundheitlich schon eine Weile nicht so gut geht, konnte man den Medien ja entnehmen. Irgendwann wird sich der singende Bassist sicher auch zu seiner Krankheit mitteilen, aber in diesem Gespräch soll es primär um die Musik des neuen Werkes gehen. Gitarrist Tom Naumann, der auch bei Primal Fear mitspielt, sass mir eines Abends mit einem KISS-Shirt gegenüber und liess mich wissen, dass seine erste Lieblingsband die Beatles, dann die Bay City Rollers (Zitat: "Das war den Mädels geschuldet") waren und KISS später dazu kamen.
MF: Was hat sich von «Santa Muerta» hin zu «Brotherhood» verändert?
Tom: Wir sind härter geworden. Bei «Tequila Suicide» (2017) und «Santa Muerta» (2019) gings nicht so richtig hart zur Sache. Mat und ich trafen uns Ende 2020 und entschieden uns, ein paar Härtegrade drauf zu packen. Wie das schon bei «Bottom Line» (1995), «Judgement Day» (1996) und insbesondere bei «The Nature Of Evil» (1998) der Fall war. So begann das Songwriting. «Brotherhood» ist durchs Band heavy geworden.
MF: Wenn ich mich richtig erinnere, habt ihr damals diese härtere Gangart bewusst wieder verlassen, um nicht zu nahe bei Primal Fear zu sein.
Tom: Weisst du Martin, bei Primal Fear wissen die Fans was sie bekommen. Es macht keinen Sinn, mit Sinner genau die gleiche Musik zu spielen. Für Mat ist Sinner mittlerweile und das ist nicht negativ gemeint, eher ein Hobby geworden. Primal Fear ist Mats Hauptband. Trotzdem will er Sinner nicht aufgeben und tobt sich da musikalisch gerne aus. Wir sind da für alles offen und darum können wir problemlos von The Killers einen Track covern («When You Were Young»). Was für eine Metal Truppe sicherlich eher ungewöhnlich ist, aber wir haben uns bei Sinner auch schon «Rebel Yell» von Billy Idol zur Brust genommen oder «The Sun Goes Down» von Thin Lizzy. Wir sind bei Sinner einfach offener und können tun und lassen, was wir wollen (grinst). Daraus kann ganz gut ein Album entstehen, das gestern stilistisch eher bei Thin Lizzy lag, heute härter ist und morgen wieder was ganz anderes sein wird. Das Lustige ist für mich, dass Sinner 1994 bis 1996 relativ harte Platten veröffentlichten.
Primal Fear starteten erst 1998 mit einem anderen Sänger durch. Durch die Stimme von Ralf wurden wir gleich in die Judas Priest Ecke gedrückt, was ich persönlich überhaupt nicht verstehen kann. Ich bin Priest und Maiden Fan. Mit Primal Fear wollten wir nie Judas Priest kopieren. Klar klingt Ralf ein bisschen wie Rob Halford, deswegen war er auch in der engeren Auswahl als sein Nachfolger bei Judas Priest. Primal Fear wurden nicht gegründet, um ein Priest-Klon zu sein, sondern wir wollten etwas Eigenständiges und Selbständiges machen. Was wir in meinen Augen auch tun, aber wenn du in diese Schublade gesteckt wirst, kommst du da kaum wieder raus (grinst). Das Debüt-Album von Primal Fear erschien nach den harten Scheiben von Sinner. Jetzt kommt die Frage: «Primal Fear sind relativ erfolgreich, geht ihr mit Sinner ins Fahrwasser von Primal Fear?» Das stimmt nicht. Den aktuellen Härtegrad von Sinner gab es 1996 schon, und da existierten Primal Fear noch nicht (lacht). Allein aus diesem Grund sind wir nicht ins Studio gegangen und wollten eine neue Scheibe machen, die wie die ersten beiden von Primal Fear klingt. Der Ansatz stattdessen war, dass wir wie bei «The Nature Of Evil» (1998) klingen wollten, auch mit dem klaren Bewusstsein, dass das Material härter wird.
MF: Wie kam es zu den Gastbeiträgen?
Tom: Mat ist schon ewig lang im Business und kennt sehr viele Leute, auch als er damals noch bei Nuclear Blast arbeitete. So lernte er Musiker wie Ronnie Romero (MSG), Eric Mårtensson (Eclipse), Tom Englund (Evergrey) oder Dave Ingram (Benediction) kennen. Bei «Rock Meets Classis» ist es auch Mat, der sich um die Gastmusiker kümmert. Es war schon geil mit Eric und Tom zusammen zu arbeiten. Da will ich die Leistungen der anderen gar nicht schmälern, aber die Stimme von Tom besitzt etwas sehr Markantes. Mat hat also die ganzen Gastmusiker geholt, und die Songs wurden von Ende November 2020 bis Februar 2021 geschrieben. Da hatten viele Musiker sehr viel freie Zeit wegen Corona und hatten kaum was zu tun hatten, da man keine Konzerte spielen konnte. Die Beschränkungen waren relativ hoch und reisen durfte man auch nicht. Aus diesem Grund denke ich dass es sehr entspannt war, die Musiker ins Studio zu holen.
"...Es war schön, dass diese deutsche Musiker Community zusammensteht. Man hat sich gegenseitig unterstützt..."
MF: Wieso habt ihr euch für den Albumtitel «Brotherhood» entschieden?
Tom: «Brotherhood» ist auch ein bisschen der Situation geschuldet, dass Mat und ich uns schon ewig kennen. Das muss alles 1985 oder 1986 begonnen haben. Bei Sinner kennen wir uns alle schon ewig lange, auch wenn wir noch nicht so lange zusammen spielen. Gerade in der Corona-Zeit sind wir noch enger zusammen gerückt. Wir entschieden uns, die Platte im engeren Freundeskreis zu machen. Wir gingen nicht in irgendwelche Studios, weil wir das Budget hatten. Unser Tourmanager und Livemischer, der Basi, hat ein kleines und feines Tonstudio. Lasst und die Scheibe dort aufnehmen, dann verdient er auch noch ein bisschen was. So versuchten wir alles intern zu halten. In dieser Corona-Zeit ging auf dem Live-Sektor überhaupt nichts mehr. Das betrifft nicht nur die Musiker, sondern auch Techniker, Backliner oder Nightliner Firmen waren betroffen. Wir kennen viele Leute. Während diesen Pandemie-Tagen telefonierte ich mit vielen Leuten, mit denen ich normalerweise nie einen Call habe (lacht). Es war schön, dass diese deutsche Musiker Community zusammensteht. Man hat sich gegenseitig unterstützt. So kam es auch dazu, dass uns der Kamelot Keyboarder Oliver Palotai unterstütze. Er wohnt gerade mal 25 Kilometer weg von uns weg.
MF: Wem ist «The Man That Couldn't Hang» gewidmet?
Tom: Weiss ich nicht (lautes Lachen). Es war meistens so, ich verkroch mich in mein kleines Studio und arbeitete an meinen Riff-Ideen. Nachdem ich sie ausgearbeitet hatte, schickt ich sie Mat, der sie immer geil fand (grinst). So entstand die Musik und Mat kam zu mir, um die Gesangsmelodien und Texte zu komponieren, heisst so war die Arbeitsaufteilung. Daher weiss ich oftmals nicht zu 100 %, was Mat mit seinen Lyrics aussagen will (grinst). Ich gehe davon aus, dass bei ihm viele persönliche Dinge rein spielen. Viele Texte handeln vom Durchhalten, sich nicht unterkriegen zu lassen und vom stetigen Aufstehen. Speziell auch in einer Zeit, in der es uns allen nicht gut ging und wir als Musiker finanziell ziemlich zu kämpfen hatten. Trotzdem haben wir nie, wie viele andere auch, den Kopf in den Sand gesteckt. «Refuse To Surrender» ist ein Lebensmotto von mir, das ich auf meinen Arm tätowieren liess. Aus diesem Grund kam auch der Songtitel zu Stande. Darum, immer positiv bleiben, nach vorne schauen, auch wenn es einem Scheisse geht, denn es gibt immer ein Licht am Ende des Tunnels.
MF: Wie steht das Cover in Bezug zum Album-Titel?
Tom: Das war eher ein Spagat, da die beiden letzten Platten in dieser Art gezeichnet wurden. Da sie uns sehr gut gefielen, wollten wir diesen Weg fortsetzen. Klar hätten wir auch ein anderes Cover verwenden können, wie Motorräder, Feuer und irgendwelche Jungs, die sich in den Armen liegen. Wir wollten aber die Tradition der letzten Covers nicht verlassen.
MF: Oft tretet ihr nicht mit Sinner auf. Ist dies nicht unglaublich schade, wenn man Herzblut, Schweiss und Tränen in neue Lieder steckt und diese dem Publikum letztlich nicht präsentieren kann?
Tom: Kann ich so nicht sagen, da wir zuletzt mit der «Santa Muerta» Platte auf Tour waren. Klar, das waren höchstens zehn Konzerte und mehr geht immer, da live spielen super ist (lacht). Aber es gibt mit Primal Fear immer sehr viel zu tun, wie auch mit «Rock Meets Classic». Wir drehen keine Däumchen und sagen: "Wir können alles". Speziell bei den "Classic-Shows" muss ich dreissig Lieder lernen. Auch wenn natürlich Hits wie «Smoke On The Water» zusammen nicht gross geübt werden müssen, aber mit einem Joey Tempest (Europe) oder Michael Sadler (SAGA) muss geübt werden. Es ist nicht einfach nachzuspielen, was die jungen Männer damals an der Gitarre alles fabrizierten (grinst). Da brauchst du schon die eine oder andere Probe, heisst so ganz von allein geht nix (lacht). Alle Tourneen mit Primal Fear mussten verschoben werden. Seien dies nun die Japan- oder Amerika-Shows. Tja und mit Sinner…, Martin, wir sind auch nicht mehr die Jüngsten (grinst). Klar freue ich mich bei einer neuen Sinner-Platte, dass wir damit auf Tournee gehen könnten. Das dürften auch mal drei Wochen und zwanzig Shows sein. Wenn sich das anbieten sollte, machen wir es gerne. In der letzten Zeit waren es jedoch eher die Hälfte davon, die trotzdem sehr viel Spass gemacht haben.
MF: Was war für dich früher wichtig und was ist es heute?
Tom: Die Gesundheit! Mein Stiefvater war Millionär, und nun ist er der reichste Mann auf dem Friedhof. Das bringt dir überhaupt nichts. Man sollte nicht unterschätzen, dass man täglich selbstständig aufstehen und ohne Hilfe aus Klo gehen kann. Ich hab es bei Mat und Horst Frank (Organisator des BYH!!!- Festivals) gesehen, wie schnell was passieren kann. Oder Leute aus meinen Umfeld, die an Corona erkrankt sind und denen es heute nicht mehr so gut geht. Die Gesundheit ist und bleibt das Wichtigste. Danach kommen Freundschaft und Glück. Was bringt dir da das ganze Geld? Es kann jeden treffen.
MF: In diesem Sinne danke ich dir fürs Interview und wünsche dir beste Gesundheit für die Zukunft.
Tom: Danke Martin…, bleib gesund, bis bald und geniess das Leben!