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01. November 2022, Aarau – KiFF
By Rockslave
Ein Blick ins Archiv zeigt, dass es wohl tatsächlich schon vier Jahre her sein muss, seit ich die norwegischen Vorzeige-Rocker das letzte Mal, respektive hier bei uns habe aufspielen sehen. Somit fällt das in eine Zeit, die noch nicht vom zentralen Menschheits-Trauma der vergangenen zwei Jahre geprägt war. Ort des Geschehens war damals das Böröm Pöm Pöm in Oberentfelden, und heute Abend gastierte man im Foyer des KiFFs in Aarau. Was zunächst, weil nicht im grossen Saal oben stattfindend, einen vermeintlichen Stimmungseinbruch hätte bewirken können, löste sich mit der gut besetzten Hälfte des maximalen Fassungsvermögens von 250 Besuchern bald in Luft auf. Wenn es eine Band auf diesem Planeten gibt, die jeden noch so kleinen Fleck, der irgendwie nach einer Bühne aussieht, locker bespielen kann, dann sind das Audrey Horne! Mit dabei hatten sie ihr brandneues wie sackstarkes neues Album «Devil's Bell» und ein paar weitere Kracher der früheren Meisterwerke. Begleitet wurden sie von den Londoner UK-Metallern Seven Sisters, die aber weder tuntig noch female fronted waren.
Seven Sisters
Als die Briten die Foyer-Bühne enterten, fiel zunächst mal Bassist Tom Drones mit Kurzhaar und seinem nach hinten getragenen Cap optisch aus dem Rahmen, da Frontmann/Gitarrist Kyle McNeill und der zweite Gitarrist Graeme Farmer bezüglich den langen Haaren und ihrem Outfit deutlich näher bei den 70ern angesiedelt werden mussten. Grund dafür war, dass sich der etatmässige Bassist Gareth "Baz" Martin für die letzten Europa-Konzerte, zusammen mit Headliner Audrey Horne, ein offenbar "verdientes Päuschen" gönnte. Drummer Sammy Christou, der den Posten hinter den Kesseln seit 2020 als Nachfolger von Steve Loftin übernommen hat, passte dabei vom Look her eher besser zu Tom, but anyway. Nach dem introartigen «Andromeda Rising» stiegen Seven Sisters mit flottem Tempo in den Opener «Beyond The Black Stars» ein, der ordentliches Flair der NWOBHM-Zeit ausstrahlte. Donnernde Double Bass-Drums, pfeilschnelles Riffing und töfte Twin-Guitar Soli setzten bereits die erste Duftnote. «Blood And Fire» (ab dem Album «The Cauldron And The Cross», 2018) hörte sich anschliessend mehr nach US-Metal, sprich zum Beispiel Jag Panzer an, und obwohl Kyles Leadvocals trotz jugendlicher Klarheit wie Kraft gut klangen, vermochte er sich dabei aber nicht in die Höhen von Harry Conklin schrauben.
«Horizon’s Eye», ein Track ab dem neuen, sprich letztjährigen Album «Shadow Of A Fallen Star Pt.1» begann ähnlich, ehe sich in der Mitte überraschend ein episch-ruhiger Part zeigte, der hinten raus wieder in einem weiteren Twin-Solo, so quasi als Appetizer vor Audrey Horne, mündete. Die alten Iron Maiden grüssten schliesslich von den Grund-Vibes her bei «Whispers In The Dark» und auch bei «Commanded By Fear». Dabei schwingt in der Mucke auch etwas leicht Kauziges mit und lässt Vergleiche mit Wytch Hazel oder Angel Witch aufkommen. Doch Seven Sisters kann man nicht wirklich abschliessend schubladisieren, denn der epische Longtrack «Truth's Burden» streicht die melodischen Gitarren (die hier an Ghost erinnern) besonders heraus, und zusammen mit dem prägnanten Gesang von Mr. McNeill wirkt das Ganze live noch etwas sperriger als auf Konserve. Und das ist letztlich auch der Punkt, warum die Chose, trotz ansprechendem Applaus der Publikums, nicht so richtig zünden wollte. Der Performance an sich, also handwerklich, war ok, doch meine musikalischen Geschmacksnerven tauten dabei nur partiell auf. Genau das vermag andere Leute aber womöglich mehr anzusprechen, denn wo mir der rote Faden insgesamt fehlt, punktet hingegen das Unvorhersehbare, das im Vordergrund steht.
Setliste: «Andromeda Rising» - «Beyond The Black Stars» - «Blood And Fire» - «Horizon’s Eye» - «Whispers In The Dark» - «Commanded By Fear» - «Truth’s Burden» - «The Artifice»
Audrey Horne
Obwohl schon zum Voraus klar war, was nun für ein audiovisueller Leckerbissen ansteht, war die Vorfreude dennoch gross! Dies wurde dann auch sogleich bestätigt, als die norwegischen Kult-Rocker von null auf hundert mit «Ashes To Ashes» loslegten. Frontmann Torkjell Rød alias Toshie performte beherzt, wie man das ja von ihm kennt. Die feurige Saiten-Front mit Arve Isdal und Thomas Tofthagen sowie Bassist Espen Lien nutzte jeden Quadrat-Zentimeter der Bühne aus. Das schloss natürlich das stets eifrige Posen von Arve und Thomas am Bühnenrand mit ein. Dabei musste immer Acht darauf gegeben werden, dass man einander die Gitarrenhälse nicht gegenseitig um den Kopf haut oder die Fans in der ersten Reihe ausknockt. Gestählt durch hunderte solcher Auftritte gaben sich Audrey Horne aber keinerlei Blösse und rockten den Stiefel volle Kanne herunter. Es ging nicht lange, bis Toshies Hemd total durchgeschwitzt war und der Schweiss generell in Strömen floss. Die Fans antizipierten die Energie zu hundert Prozent, und so stieg der Stimmungspegel merklich an. Die neuen Songs wie der Opener oder «Break Out», und auch «Animal» kamen dabei sehr gut an, sprich fügten sich optimal zum älteren Material hinzu. Etwas aus der Reihe tanzte der Iron Maiden Cover «Phantom Of The Opera», aber was daraus gemacht wurde, war einfach klasse und eines der Highlights an diesem gewöhnlichen Dienstagabend.
Interessanterweise standen gleich drei Songs von «Pure Heavy» (2014) im Set, also dem Album, das damals nicht bei allen Leuten der schreibenden Zunft gleich gut ankam, während der hochgelobte Vorgänger «Blackout» (2018) immerhin noch mit dem Titelsong und «This Is War» gewürdigt wurde. Unter dem Strich ist das aber alles Schall und Rauch, denn die Live-Qualitäten der Norweger sind schlicht überragend, und da sind keinerlei Schwankungen auszumachen. Nach wie vor unverzichtbar sind die Ausflüge von Toshie, Arve und Thomas mitten ins Publikum hinein. Fannaher geht nicht, und es würde wirklich etwas fehlen ohne diese Einlage. Nach «Devil's Bell», dem namensgebenden Song für den neuen Longplayer und einem weiteren Höhepunkt des heutigen Konzertabends, folgte der absolut zwingende Ober-Brecher «Blaze Of Ashes»! Die raumfüllende Dramaturgie dieses mittlerweile 13-jährigen Killer-Songs haut einen jedes Mal wieder von Neuem aus den Latschen. Da jeweils noch einen drauf setzen zu können, ist eigentlich kaum möglich, doch mit dem energetischen «Redemption Blues» und dem Mitgröhl-Klassiker «Waiting For The Night» zum Abschluss, gelang das spielend! Die Textzeilen "I got tonight - You got tonight - We got tonight - Everybody's waiting for the night" wurden bis zur Heiserkeit heraus gebrüllt. Was auch bei Festivals mühelos umgesetzt wird, behält aber nur hier, wie im KiFF, seine Magie!
Setliste: «Ashes To Ashes» - «This Is War» - «Break Out» - «Animal» - «Blackout» - «Pretty Little Sunshine» - «Gravity» - «Boy Wonder» - «Phantom Of The Opera (Cover Iron Maiden)» - «Devil's Bell» - «Blaze Of Ashes» - «Redemption Blues» - «Waiting For The Night»