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16. Oktober 2024, Dübendorf – The Hall
Text & Pics by Oliver H.
Was tut der geneigte Schwedentod-Anhänger, wenn sich ein wahnwitziges Melodic Line-up unter dem Namen "Rising From The North" ankündet? Er geht hin! So geschehen, als an einem normalen Mittwochabend zig Fans in die ausverkaufte «Hall» in Dübendorf pilgerten. Ein milder Herbstabend liess die Fans draussen verweilen, um sich für den bevorstehenden Konzertabend in Stimmung zu bringen. Bier- und Zigarettenduft mischten sich, während einige Fans verzweifelt noch Tickets unter den Wartenden suchten. Verständlich, denn ein Abend mit Soilwork, Arch Enemy und In Flames ist nicht gerade die Regel. Ich persönlich war gespannt, wie sich der neue Arch Enemy Gitarrist in die alte Garde einfügt und hoffte insgeheim, dass sich In Flames live weniger gewandelt haben als bei ihren Platten. Es konnte losgehen!
Soilwork
Als Special Guest und Opener der Tour werden Soilwork oft übersehen, wenn es um die klassischen, schwedischen Melodic Death Metal Bands geht. Nicht so an diesem Abend. Bjørn Strid und seine Mannen legten fulminant los, um klar aufzuzeigen, weshalb sie ein Teil dieser Tour sind. «Stabbing The Drama» lockte viele Fans scharenweise in die Halle, die zuvor noch am Merch oder im Freien herumlungerten. Strid war kein Quassler, sondern ein Sänger, wie man ihn sich wünscht. Viele Songs und eine stimmliche Bandbreite, die von klarem Gesang bis hin zu düsteren Growls reicht.
Trotzdem wollte der Funke zwischen Publikum und Band noch nicht so richtig überspringen, auch wenn das Live-Debüt ihres neuen Songs «Spirit Of No Return» eine willkommene Ergänzung zum eigentlich unterhaltsamen Set bot. Ganz die Profis, die sie nun mal sind, zogen Soilwork ihren würdigen Warm-up-Gig gekonnt durch. Man hatte trotz des verhaltenen Publikums das Gefühl, die Truppe habe sichtlich ihren Spass an der Sache. Gitarrist Sylvain Coudret sah ich später noch kurz auf dem Gang, wo ich ihm mein Lob aussprechen konnte. Nach knapp vierzig Minuten war ihre Zeit abgelaufen, und der Fünfer machte Platz für den nächsten schwedischen Hochkaräter.
Setliste: «Stabbing The Drama» - «Arrival» - «Exile» - «Distortion Sleep» - «Spirit Of No Return» - «Övergivenheten» - «Death Diviner» - «The Ride Majestic» - «Stålfågel» - «Outro (Morgongåva/Stormfågel)»
Arch Enemy
Als zweite Band des Abends zeigten sich Arch Enemy explosiv von der ersten Sekunde an, als sie die Bühne betraten. Sofort legten sie mit dem leidenschaftlichen «Deceiver, Deceiver» die ganze Halle in Schutt und Asche. Die charismatische Frontfrau Alissa White-Gluz beherrschte die Menge von Beginn weg. Eine Puppenspielerin, die die Laune jedes einzelnen Fans kontrolliert, während der Rest der Band die Energie von tausend Generatoren erzeugt. Arch Enemys Sound wurde von Song zu Song perfektioniert, und mit der nötigen Power sowie der dazugehörigen Aggression wurde die Truppe zu einer musizierenden Macht, die den Raum beherrschte. Neu-Gitarrist Joey Concepcion, der gerade knappe zehn Monate für die Band in die Saiten greift, liess nicht den kleinsten Zweifel aufkommen, dass er ein würdiger Ersatz für den ehemaligen Axtschwinger Jeff Loomis ist. Durch ihn gestaltet sich nun sogar die Haarfarbe der Truppe einheitlich, nämlich viermal dunkelbraun und einmal blau!
Plötzlich brachen überall kleinere Circle- und Mosh-Pits aus und die Fangesänge hallten durch das Gebäude. Die Menge war ausser sich vor Begeisterung, als Arch Enemy die Favoriten wie «My Apocalypse», «As The Pages Burn», «House Of Mirrors» und «War Eternal» zum Besten gaben. Um die Sache interessant zu halten, gaben sie nicht nur das Live-Debüt ihres neuen Songs «Dream Stealer» zum Besten, sondern präsentierten auch eine Titel-Premiere ihres kürzlich angekündigten, neuen Albums «Blood Dynasty». Dieser frische, noch nie zuvor veröffentlichte Track mit dem Titel «Liars & Thieves» besitzt die unbändige Wildheit von Arch Enemys Spitzenmaterial - donnernde Drums, melodische Gitarren-Riffs und eine Mischung aus Alissas kraftvollen Death-Growls sowie ihren hochfliegenden Cleans. Dieser Song wird mit Sicherheit Wellen schlagen, wenn die Platte veröffentlicht wird. Mitunter vielleicht auch deswegen, weil der Refrain doch stark an Metallicas «Whiplash» erinnert.
Na, wenn das kein Kompliment ist! Nicht wie üblich beendete das Quintett seinen Set mit dem kultigen «Nemesis» vom Album «Doomsday Machine», das noch in der Ära Angela Gossow veröffentlicht wurde, sondern mit «First Day In Hell». Geschadet hat es nicht! Es war wieder einmal ein fantastisch starkes Set von einer der professionellsten Bands im harten Musikgeschäft. Arch Enemy lieferten genau das ab, was von ihnen erwartet wurde - eine Metalparty der Extraklasse!
Setliste: «Deceiver, Deceiver» - «No Gods, No Masters» - «House Of Mirrors» - «Dream Stealer» - «As The Pages Burn» - «My Apocalypse» - «Sunset Over The Empire» - «The World Is Yours» - «The Eagle Flies Alone» - «Liars & Thieves» - «War Eternal» - «Nemesis» - «First Day In Hell» - «Fields Of Desolation (Outro)»
In Flames
Die letzten 75 Minuten des Abends gehörten den Melodic Death Legenden In Flames, und die eröffneten überraschenderweise ihren Set gleich mit zwei ihrer kultigsten Songs, die normalerweise am Schluss eines Gigs zum Einsatz kommen. Es lässt sich nicht bestreiten, dass ihre Wahl den gewünschten Effekt hatte, denn die Menge geriet durch «Cloud Connected» und «Take This Life» sofort in Wallung. Die Energie war zum Greifen nah und die Atmosphäre elektrisierend, denn die gesamte Menge drehte völlig durch. Dies liess auch die Band nicht kalt, denn man merkte ihnen an, dass sie jede Minute, die sie auf der Bühne standen, genossen. Ihre Energie und Leidenschaft spiegelten sich auch im Publikum wider. Es bildeten sich wieder kleinere Circle-Pits, die jedoch von Anders Fridén angeleiert wurden, denn die kräftezehrende Show von Arch Enemy forderte nun auch beim Publikum ihren Tribut. Deshalb nutzte der Sänger die Pausen auch für kleinere Interaktionen mit den Fans, woraus sich ein "Fridénscher Lachanfall" entwickelte.
Auf die Frage hin, welcher Song noch zu spielen sei, wünschte sich einer aus der Menge einen Titel von Megadeth. Der Sänger begann zu lachen und kommentierte die Szenerie mit dem Satz: "Du kommst hierher, siehst dir Soilwork, Arch Enemy sowie In Flames an und möchtest lieber Megadeth hören?» Dann prustete er wieder los! Man muss vielleicht kurz dazu erwähnen, dass der In Flames Gitarrist Chris Broderick (fest seit 2022), seine Bekanntheit besonders als Mitglied der Thrasher Megadeth erlangte (2008 - 2014). Somit wirkte die Story gerade noch etwas skurriler. Die Show der Göteborger war eine brillante Mischung aus Klassikern von «Colony» bis hin zu neuerem Material von «Foregone», wobei die neueren Songs, gemessen am Publikums-Pegel, nicht ganz so gut ankamen. Anyway!
Die Energie von In Flames war ungebrochen, und dieses Konzert war eines der stärksten, das ich je miterleben durfte. Die Band ist auch fast 35 Jahre nach ihren Anfängen noch gut in Form, und das ist wohl mit ein Grund, weshalb sie bis heute zu den Säulen der Göteborger Melodeath Szene zählen. Schön wars!
Setliste: «Cloud Connected» - «Take This Life» - «Deliver Us» - «Paralyzed» - «In The Dark» - «Voices» - «Food For The Gods» - «Coerced Coexistence» - «Trigger» - «Only For The Weak» - «Meet Your Maker» - «State Of Slow Decay» - «Alias» - «The Mirror's Truth» - «I Am Above» - «My Sweet Shadow»