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23. September 2022, erster Tag
By Rockslave (Rsl) - All Pics by Rockslave
Nach zwei langen Jahren des Darbens wegen Corona war es endlich soweit, dass die "Rocknacht in Tennwil" wieder im gewohnten und familiären Rahmen stattfinden konnte. Verteilt auf zwei Abende, sprich Freitag und Samstag, standen einheimische und internationale Bands auf den Bühnenbrettern, die die Welt bedeuten und feierten zusammen mit den Besuchern der diesjährigen Ausgabe ein zünftiges Fest. Nebst der Beschallung liess sich auch das Angebot an Speis und Trank nicht lumpen, womit jeder auf seine Kosten kam. Des Weiteren konnten wir aufgrund der aktuellen Situation einen fetten und gut frequentierten METAL FACTORY Stand mitten in der Halle platzieren, flankiert von "Rachel Skull" mit seinem vielseitigen Getränkeangebot. Da für mich heuer, sprich unter anderem das "Sweden Rock Festival" und das "BYH!!!-Festival" ausfielen, hatte nicht nur ich mächtig Bock auf zwei Rocknächte am Hallwiler-See. (Rsl)
Big Clyde
Die Schweizer Rock'n'Roller existieren seit 2016, haben 2018 eine erste EP mit drei Tracks veröffentlicht und seither einigen Dreck gefressen, sprich zahlreich live gespielt und an ihrer energetischen Performance gefeilt. Wäre Corona nicht gewesen, sähe diese Bilanz noch besser aus, doch Big Clyde waren ready, als sie gar noch etwas vor dem offiziellen Beginn um 19:00 Uhr die Bühne enterten und den Hebel gleich umlegten. Die Mischung aus krachendem Hard Rock mit massig Rock'n'Roll Attitüde war genau das Richtige, um das noch nicht so zahlreich anwesende Publikum näher heran zu lotsen. Sänger und Frontmann Kevin Volken war dabei, wie seine Mitstreiter auch, motiviert bis in die Fingerspitzen und versprühte massig Energie, die schliesslich auch die Fans erreichte wie spürbar erfasste. Es wurde ordentlich mitgeklatscht und hinten raus nahm der Groove-Faktor noch zu und sorgte für einen schweisstreibenden Auftritt einer eingespielten Combo. (Rsl)
Setliste: «Walk The Dog» - «Roll The Dice» - «She Was Sitting» - «Bragger» - «Freakin' Out» - «Folsom Prison Blues» - «Coffee To Go» - «When The Sun Goes Down»
Serious Black
Vom ursprünglichen Gründungs Line-up von 2014 sind nur noch Bassist Mario Lochert (Ex-Vision Of Atlantis) und Gitarrist Dominik Sebastian (Edenbridge) übrig geblieben. Die einstige "Supergroup" führte damals noch Namen wie Roland Grapow (Ex-Helloween, Masterplan), Thomen Stauch (Ex-Blind Guardian, Ex-Iron Savior), Jan Vacik (Ex-Dreamscape) und Urban Breed (Ex- Tad Morose, Ex-Bloodbound). Aktuell ist die Truppe auf ein Quartett geschrumpft, spielt die Keyboards ab Band und hat sich ab 2018 mit Ramy Ali (Ex-Freedom Call, Evidence One) und seit letztem Jahr mit dem neuen Sänger Nikola Mijić (Eden's Curse) wieder aufgefrischt. Im Februar erschien das sechste Studio-Album «Vengeance Is Mine» als erstes Werk der neuen Besetzung. Geboten wird schnittiger Power Metal, der früher mitunter auf den Spuren von Stratovarius wandelte. «High And Low», heute Abend auch gespielt, gehört in diese Kategorie. Aktuell wird insgesamt jedoch straighter gezockt, aber nicht mehr auf dem früheren Level. Die Stimmung fiel denn auch, trotz technischer Fähigkeiten und dem Power-Drumming von Ali, eher dezent aus. (Rsl)
Bevor ColdSpell die Bühne enterten, folgte nach der Schweigeminute bei Big Clyde für den unerwartet verstorbenen Sohn der Bandmanagerin Babsy Holl ein weiteres schmerzvolles Intermezzo in eigener Sache. Das ganze "Rocknacht in Tennwil" OK gedachte einerseits ihres Kollegen Remi Nafzger und andererseits dem Bauern, der jeweils das Land für diesen Anlass zur Verfügung gestellt hat. Beide wurden viel zu früh aus dem Leben gerissen, in einer kurzen Ansprache geehrt, und zum Schluss stiessen alle, die einen der massig verteilten Shots zu fassen kriegten, gemeinsam auf die Verstorbenen an. Eine aufrichtige wie berührende Geste die aufzeigte, dass man hier das Herz am rechten Fleck trägt.
ColdSpell
Die schwedischen Melodic Heavy Rocker standen bei OK-Mitglied Urs Lüscher, nebst Doctor Victor, heuer ganz oben auf der Wunschliste, nachdem diese bereits 2018 an gleicher Stelle voll abgeliefert hatten. Noch vor dem Release des neuen, fünften Longplayers, für den eigentlich längst genug Auswahl besteht, kam die Truppe um Frontmann Niclas Swedentorp noch so gerne an den Hallwiler-See. Mit dabei hatten sie Songs ihrer vier bisherigen Top-Alben (die auch bei mir allesamt im Regal stehen!) und zeigten schon bald auf, dass sie leider immer noch mit dem Prädikat "underrated" leben müssen. Die knackige Mucke, die mit progressiven Vibes untermalt ist, glänzt gleichzeitig mit griffigen Melody-Lines, die von töften Lead- wie Backing Vocals getragen werden. Zudem stand mit Matti Eklund (früher festes Mitglied der Band) ein Tastenmann in Fleisch und Blut auf der Bühne, was jede Einspielung in die Bedeutungslosigkeit verbannt. Die inzwischen deutlich gestiegene Anzahl Fans vor der Bühne frass ColdSpell förmlich aus der Hand und sorgte für eine tolle Stimmung zum bisher klar besten Auftritt der ersten Rocknacht. (Rsl)
Setliste: «Forevermore» - «It Hurts» - «Out >From The Cold» - «Eye Of The Storm» - «On The Run» - «Night Falls» - «Infinite Stargaze» - «Angel Of The World» - «Call Of The Wild» - «Time» - «Paradise» - «Straight Things Out»
Victory
Die Ankündigung des einstigen Aushängeschilds der deutschen Hard Rock Szene sorgte in mehrerlei Hinsicht für grosse Freude. Einerseits dadurch, dass Mainman Herman Frank (Ex-Accept, Herman Frank) die Band immer noch am Leben erhält und andererseits, dass auf dem aktuellen, sackstarken neuen Album «Gods Of Tomorrow» kein Geringerer als "unser" Schweizer Ausnahme-Sänger Gianni Pontillo (Ex-Pure Inc., The Order, Souls Revival) für frische Gesangs-Power sorgt! Die Band, die Ende der 80er mit dem Killer-Werk «Culture Killed The Native» bereit war die Welt zu erobern, überlebte die 90er trotz ein paar Lichtblicken nicht unbeschadet. Das scheinbare Comeback von 2011 mit dem bärenstarken «Don't Talk Science» war leider nur von kurzer Dauer, aber jetzt sind Victory zurück und besser denn je! Das neue Material verfügt über alle Ingredienzien, die man in diesem Genre braucht. Zusammen mit den Highlights der früheren Jahre liest sich die Setliste wie ein Viersterne-Menü, und genau das zelebrierte das deutschschweizerische Gespann, indem der Headliner voll ablieferte und keine Gefangenen machte, einfach herrlich! Die knapp 75 Minuten des ersten CH-Auftritts in dieser Formation hätten noch den einen oder anderen Nachschlag verdient gehabt, aber das Gezeigte war auf jeden Fall hochklassig und ohne jeglichen Makel. (Rsl)
Setliste: «Are You Ready» - «Take The Pace» - «Standing Like A Rock» - «Rock The Neighbours» - «Love & Hate» - «Gods Of Tomorrow» - «Rock N Roll Kids» - «Power Strikes The Earth» - «Speak Up» - «On The Loose» - «Tears Of Nepal» - «Feel The Fire» - «More And More» - «Checks In The Mail» - «Don't Tell No Lies» -- «Temple Of Gold»
24. September 2022, zweiter Tag
By Tinu (Tin) - All Pics by Rockslave
Black Diamonds
Die Ostschweizer machen grundsätzlich immer Spass, besonders wenn ich das Gefühl habe, dass die Jungs von Gig zu Gig besser werden. Auch wenn ich mich nach wie vor nicht mit den kurzen Haaren von drei Vierteln der Black Diamonds anfreunden kann, denn wer den Spirit von L.A. in die Schweiz transportieren will, sollte mit einer lange Matte auf der Bühne stehen. Musikalisch passen Riffs und Melodien, wie auch die packenden Refrains bestens zusammen und bieten als Einheizer des zweiten Tages genau das, was man sich von einer solchen Truppe wünscht. Mit sehr viel Spielfreude und einem Lächeln in den Augen wie auf den Lippen liessen Black Diamonds nichts anbrennen, und ihre zahlreich angereisten Fans dankten es ihnen mit grossen Applaus und lautem Geschrei. Interessant und passend auch die abwechselnden Leadgesänge von Bassist Andi und Gitarrist Mich. Die schwarzen Diamanten machten wirklich Spass ohne Ende und hätten in meinen Augen auch gerne später auf die Bühne gehen können. (Tin)
Setliste:« No-Tell Hotel» - «Evil Twin» - « I'll Be O.K. » - «Forever Wild» - «Pieces Of A Broken Dream» - «Lonesome Road» - «Thrillride» - «We Want To Party»
Radiant
"Wir haben einen Auftrag" verkündete Sänger Herbie Langhans, der auch schon bei Firewind und Avantasia in Erscheinung getreten ist. Dann waren wir mal gespannt, wie dieser aussehen wird. Dass Herbie singen kann, weiss man, ob er mit seiner Truppe die Fans allerdings zu begeistern vermag, musste er zuerst noch beweisen. Zu Beginn wirkte alles etwas "holprig", nahm aber mit zunehmender Spielzeit an Fahrt auf. Waren mit Black Diamonds die Sleaze Rocker auf der Bühne, so standen nun mit Radiant die Metaller ihren Mann. Speziell die beiden Gitarristen rifften, als würde die Erde bald stillstehen, und solistisch brennte die Luft. Die Mitsingspielchen verfehlten ihren Reiz nicht und mit teils Dokken und Mötley Crüe-liken Noten wurden die Besucher immer aufmerksamer auf Radiant. Herausragend war sicherlich und einmal mehr Mister Langhans mit seinem Stimmvolumen. Somit konnten Radiant die gute Stimmung aufrecht erhalten, auch wenn Black Diamonds den "Heimbonus" für sich beanspruchen konnten. (Tin)
Setliste: «Nightshift» - «Don't Stop The Daydream» - «You Rock» - «Real Passion Will Never Die» - Contagioned» - «Rock And Win» - «Yes I Am» - «Hit The Night» - « Forever One»
Doctor Victor
Dass die Musikwelt ab und zu komische Vögel ans Tageslicht bringt, wissen wir nicht erst seit Nirvana. Von Doctor Victor hatte ich im Vorfeld noch nichts gehört, aber als die junge Truppe aus Prag auf die Bühne stieg, wurde bei der Zeitmaschine der Startknopf gedrückt. Ein runder, roter Teppich lag auf dem Boden, und musikalisch wurden alle in die frühen Siebziger zurück katapultiert. Ein von Drogen aufgepeitschter (so schien es zumindest) singender Gitarrist, der mit wilden Verrenkungen jedem Chiropraktiker die Dollar-Scheine in den Augen aufblitzen liess, war der Mittelpunkt von Doctor Victor. Dass sich die Jungs frech an Prince' «Purple Rain» wagten, war schon recht mutig, auch wenn die Interpretation sehr gelang und am Ende lauten Zuspruch erhielt. Das Trio schien den Retro Rock erfunden zu haben, denn selten wurde alles so bis ins kleinste Detail zelebriert wie bei den Tschechen. Der grosse Nachteil dieser Truppe ist aber, dass sich alles auf Victor konzentrierte, der singt und Gitarre spielt. Somit bleibt der Rest der Truppe auswechselbar. Mit zunehmender Spieldauer brachte das Trio es aber fertig, die Anwesenden voll auf deren Seite zu ziehen. (Tin)
Wig Wam
Die Norweger waren klar der Headliner an diesem Samstag. Mit welcher Frechheit, Cleverness, Professionalität und Sympathie der Vierer auftrumpfte, war ganz grosses Kino. Allein die Kopflampe von Schlagzeuger Sporty war für einen Lacher gut. Flash am Bass sah ein bisschen wie der Cowboy von den Village People aus, pumpte mit seinen Bassläufen aber einen grundsoliden Beat ins Zelt. Teeny überzeugte derweil mit seinen virtuosen Solos, aber auch mit seinen unglaublich tollen Riffs. Der Zeremonienmeister ist und bleibt jedoch Glam, der für einmal ohne Indianerkopfschmuck auf der Stage stand. Dafür aber mit einer unglaublichen Gestik und Mimik den Songs noch mehr Ausdruck verlieh und mit jedem/jeder flirtete der/die seinen Blicken nicht ausweichen konnte. Die Band und insbesondere Glam zeigten, was grosses Entertainment ist, und kleideten sich in den Klamotten, die man vom letzten Studio-Album «Never Say Die» her kennt. Mit den Klassikern «Rock My Ride», «Bless The Night», der Mel C Cover-Version «I Turn To You», «It's Hard To Be A Rock'n Roller», «Dare Devil Heat» und dem krönenden Abschluss «In My Dreams» fuhren die Nordländer eine unglaubliche Hitdichte auf, die von den neueren Tracks nicht immer gehalten werden kann. Trotzdem sangen die Fans nach dem letzten Ton noch lange «It's Hard To Be A Rock'n Roller» und zollten den Jungs, die eine wirklich sensationelle Show boten, den verdienten Tribut. Tja, mit einem Glam kann nichts schief gehen, der sich mal als Engel, aber auch als kleiner Teufel selber zelebrierte und sich mit Teeny den Spass gönnte: "Ich sing dir was vor und du spielst es auf der Gitarre nach". Wig Wam, ihr dürft gerne wieder kommen, denn das war eine richtig fette und Spass machende Rock-Show. (Tin)
Setliste: «Never Say Die» - «Hypnotized» - « Rock My Ride» - «Non Stop Rock And Roll» - «I Turn To You» - «Call Of The Wild» - «Wall Street» - «Kilimanjaro» - «The Drop» - «Hard Love» - «Bless The Night» - «My Kaleidoskope Ark» - «Dare Devil Heat» - «Do You Wanna Taste It» - «Shadows Of Eternity» - «Out Of Time, Gonna Get You Someday» - «Hard To Be A Rock N Roller» -- «In My Dreams»
BBR
Buddies, Beer And Rock'n' Roll beendeten den Abend mit einer gehörigen Portion Aggressivität und ungebremster, wilder Attitüde. Dabei war nicht nur Divertimentos Manu an der Leadgitarre der Hingucker, sondern der von einem ganzen Wespenschwarm in den Arsch gestochener Sänger Marc, der die Aufmerksamkeit förmlich an sich riss. Der wilde umher springende, rennende und hüpfende Shouter liess nichts anbrennen und wurde zum Sicherheitsrisiko für seine Mitmusiker. Die Setliste wurde den Covers gewidmet. Waren es nun Ärztes «Schrei nach Liebe», Skid Rows «Riot Act», Iron Maidens «Fear Of The Dark» (sorry, was für eine Gähn-Nummer, auch wenn die Anwesenden steil gingen), AC/DCs «Whole Lotta Rosie» mit Manu auf den Festbänken bei den Fans, Black Sabbaths «Paranoid» oder Judas Priests «Breaking The Law». Es waren permanente Schläge in die Fresse, die kompromisslos vorgetragen wurden. BBR wollten das Zelt abfackeln und musikalisch gesehen taten sie dies auch. Am Schluss kam, was noch kommen musste, nämlich ein amtliches Metallica Medley, bestehend unter anderem aus «For Whom The Bell Tolls», «Seek And Destroy» und «Enter Sandman». Ein Adrenalinschub sondergleichen beendete schliesslich die diesjährige Ausgabe der "Rocknacht in Tennwil". Bis zum nächsten Jahr! (Tin)