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"...Speed Metal hat seinen Ursprung in den Siebzigern, dank Deep Purple..."
Mit Lips begann alles – und damit ist die Truppe vor Anvil gemeint. Dies liegt daran, dass Robbs (Reiner, Schlagzeug) Vater Steve Kudlow (Gitarre, Gesang) ganz einfach „Lips“ nannte, weil Lips zu jedem Thema etwas zu sagen hatte. Robb brachte schliesslich den Bandnamen Anvil ins Spiel, und das Ziel war klar definiert: "To be the heaviest band that ever came out of Canada." Ein Ziel, das ihnen nach zwanzig Studio-Alben durchaus gelungen ist. Doch auch mit dem Film "The Story Of Anvil" blieb der ganz grosse Erfolg aus. Aber was ist Erfolg überhaupt? In diesem Interview liess mich Lips wissen, was er als erfolgreich betrachtet und was nicht. Dabei driftete das Gespräch in Themen ab, von denen ich nie zu träumen gewagt hätte. Aber Lips ist nun mal Lips – ein Wasserfall der Worte. Wie recht Robbs Vater doch hatte!
MF: Lass uns ein bisschen über die Vergangenheit sprechen.
Lips: Oh, grossartig, lass uns anfangen!
MF: Wann habt ihr begonnen, zusammen Musik zu machen?
Lips: 1973…
MF: … das ist über 50 Jahre her…
Lips: …ja, ein ganzes Leben lang (grinst). Viele Leute leben nicht so lange (lacht).
MF: Zusammen mit Exciter habt ihr die Speed-Metal-Welle von Kanada aus losgetreten?
Lips: Ich würde nicht behaupten, dass wir das gemeinsam getan haben. Wir waren zwei bis drei Jahre vor ihnen am Start. Speed Metal hat seinen Ursprung in den Siebzigern, dank Deep Purple. Ganz ehrlich, Motörhead waren die ersten. Sie und Deep Purple hatten diese schnellen Songs. Sie nahmen das Bestehende und hievten es auf das nächste Level. Zumindest übten sie einen grossen Einfluss auf mich aus. Als ich die Lieder zum ersten Mal hörte, empfand ich sie als sehr schnell. Es war interessante Musik. Auch wenn man das damals nicht mit dem heutigen Speed Metal vergleichen kann. Zumindest in meinen Ohren war die Musik seinerzeit bedeutend melodiöser. Es geht dabei nicht um gut oder schlecht, aber der heutige Sound entspricht nicht dem Weg, den ich gehen will. Viele der Einflüsse von Robb und mir stammen aus der Zeit, als wir aufwuchsen, also in unserer Zeit als Teenager.
Als wir mit der Musik begannen, beeinflussten wir nicht bewusst, was wir hörten. Wir versuchten, unseren eigenen Weg zu gehen und lernten dabei, wie wir spielen wollten. Wir hatten einen Demo-Song, der sich «Pussy Poison» nannte (lacht). Das war ein Instrumental-Track. Ich versuchte auf der Gitarre, Robbs Doublebass-Drums zu folgen. War das Speed Metal? Nein (lautes Lachen). Für uns war es ein Versuch, Robbs Rhythmus auf der Gitarre umzusetzen. Uns gefiel das, und wir fanden es richtig cool, so zu spielen. Das war kein Einfluss, dem wir strikt folgten – wir setzten unsere eigenen Ideen um. Aber wir sind keine Speed Metal Band, auch wenn uns das von vielen Leuten zugeschrieben wird. Klar, wir haben viele schnelle Nummern. Doch unser grösster Hit, «Metal On Metal», ist ja alles andere als ein Speed-Track.
«666», «Jackhammer» oder vielleicht «March Of The Crabs» passen eher in diese Kategorie. Auf dem Album (Metal On Metal) sind jedoch mehr Midtempo-Songs zu hören als schnelle. «666» war für uns ein wichtiger Schritt vorwärts in diese Richtung. Der Einfluss kam von Budgie (Band aus dem UK). Die Art, wie der Chorus wechselt, haben wir uns bei «Breadfan» abgeschaut. Was die Leute aber hineininterpretieren, liegt ausserhalb unserer Kontrolle (grinst). Ich kann dir nur sagen, was uns damals durch den Kopf ging, als wir den Track komponierten.
"...Kann man nur erfolgreich sein, wenn man viel Geld verdient?..."
MF: Was auch dazu geführt hat, dass ihr für mich immer noch zu den interessantesten Bands der Welt gehört – auch wenn ihr nicht den gebührenden Erfolg verbuchen konntet.
Lips: Was ist denn Erfolg? Kann man nur erfolgreich sein, wenn man viel Geld verdient? Auch wenn die Leute dies oft mit Erfolg gleichsetzen – ist es dann wirklich Erfolg? Eine erfolgreiche Band zu sein bedeutet doch, immer das zu tun, was man liebt. Gehe ich einem regulären Job nach, kann das genauso erfolgreich sein. Viele Musiker würden sich wünschen, den Erfolg zu haben, den ich habe. Als unser Film herauskam, waren wir gerade dabei, unser dreizehntes Album aufzunehmen (grinst). Nicht das zweite nach über zwanzig Jahren! Wenn das kein Erfolg ist? Weisst du, was für mich Erfolg bedeutet? Zwölf oder dreizehn neue Lieder zu schreiben, sie aufzunehmen und zu veröffentlichen. Heute noch einen Platten-Vertrag zu haben – das ist ein grosser Erfolg.
Wie viele Bands schreiben sich die Finger wund und werden nie ein Album aufnehmen können? Die meisten! Weisst du, was das ultimative Ziel ist? Der Typ zu sein, der neue Songs komponiert und versucht, seine Band so lange wie möglich am Leben zu erhalten. Für mich ist es wichtig, wie viele Songs du geschrieben und veröffentlicht hast – das bedeutet, Erfolg zu haben! Je mehr du komponierst und herausgebracht hast, desto erfolgreicher bist du in meinen Augen (lacht). Es spielt keine Rolle, wie viel du dabei verdient hast oder was du als Gage für ein Konzert bekommst. Das ist nicht das Erfolgsmuster. Wer ist der erfolgreichste Liebhaber? Gene Simmons, weil er über 1'000 Frauen flachgelegt hat? Das ist eine andere Art, erfolgreich zu sein (lautes Lachen).
MF: Was habt ihr gefühlt, als ihr zum ersten Mal ein Album mit dem Namen Anvil in den Händen gehalten habt?
Lips: Das war ein unbeschreiblicher Moment. Ich erinnere mich, wie meine Mutter Deep Purples «Machine Head» aus meiner Sammlung pickte und fragte: "Junge, ist das dein Album, das du veröffentlicht hast? Oh, Mam, irgendwann werde ich auch so etwas veröffentlichen (lacht)". Ich war sechzehn oder siebzehn Jahre alt, als ich mein erstes Werk in den Händen hielt. Es war mein «Machine Head», wenn du verstehst, was ich meine (lacht). Heilige Scheisse, auf dem Cover war mein Foto – was kann erfüllender sein (lacht)? Seitdem ist es noch weitere 20-mal passiert.
"...Es war eine grosse Möglichkeit, den nächsten Schritt zu machen – ich wünschte, die Erinnerung würde sich aus meinem Kopf verbannen..."
MF: Was war für euch die schmerzlichste Erfahrung mit der Band?
Lips: Jesus! Gute Frage mein Lieber…, wahrscheinlich einer der schlimmsten Momente, die ich je erleben musste, war, als wir gebeten wurden, fünf Shows für Aerosmith zu eröffnen. David Krebs, einer der führenden Manager-Mogule der Welt, der Ted Nugent, Aerosmith, Michael Bolton oder Joan Jett unter Vertrag hatte…, die Liste der Künstler ist der Wahnsinn! Es war eine grosse Möglichkeit, den nächsten Schritt zu machen – ich wünschte, die Erinnerung würde sich aus meinem Kopf verbannen. Wir spielten die Support-Shows für Aerosmith in diesen unglaublich riesigen Hockey-Arenen. Alle Plattenfirmen waren anwesend und schauten sich Anvil an. Mein Gitarrist kotzte sich die Leber aus dem Körper, weil er sich mal wieder völlig besoffen hatte. Wir mussten zu dritt auf die Bühne.
Nicht, dass das allein eine schreckliche Situation war, aber wir hätten uns als Band präsentieren sollen – zumindest fehlte die zweite Stimme und Gitarre an diesem Abend. Es fühlte sich an, als würde ich nur mit meinen Unterhosen auf der Bühne stehen. Natürlich konnten wir die Plattenfirmen an diesem Abend nicht überzeugen. Wir schnupperten an einem grossen Plattenvertrag, der uns weltweit bekannt gemacht hätte. Diese Möglichkeit kam nie wieder. Du kannst solche Möglichkeiten nicht reproduzieren und später nochmals nachholen. Es ist vorbei! Die Vertreter der Firmen sahen uns an und meinten: "Nun, nicht schlecht, aber (trotzdem) nein!" Es gibt keine zweite Chance. Du willst über schmerzliche Erfahrungen sprechen? Das war eine.
Die Nacht vor dieser Show flippte ich völlig aus und schrie unseren Gitarristen an: "Hör auf zu saufen, du Idiot! Die wichtigste Show unseres Lebens steht bevor. Es ist drei Uhr in der Nacht, und du säufst wie ein Loch und hast die Nase voller Kokain. Wie willst du morgen in guter Verfassung auf der Bühne stehen?" Wir gingen ohne drittes Bandmitglied auf die Bühne und spielten mit einem Handicap. Ja (seufzt), heute spielt das keine Rolle mehr, denn vielleicht hätte das nicht unser Weg sein sollen. Und wer weiss, was mit einem solchen Vertrag alles passiert wäre? Was passiert, geschieht. Heute bin ich glücklich, dass ich genug Geld verdiene, um meine Rechnungen zu bezahlen und in einer Top-Form bin. Ich bin froh, dass ich in meinem Haus wohnen kann, eine wundervolle Ehe führe und Kinder habe. Ich lebe ein völlig normales Leben, was viele Leute nicht von sich behaupten können. Ausserdem kann ich noch immer in einer Band spielen und den Rock'n'Roll zelebrieren. Das kann Dave Allison (der ehemalige Gitarrist), der vor ein paar Wochen gestorben ist, nicht mehr von sich sagen.
"...1984 bis 1987 waren die wichtigsten Jahre für Heavy Metal, und Anvil wurden auf Eis gelegt..."
Ich wusste, dass uns nach dem «Forged In Fire» Album alle Felle davonschwammen. Die Plattenfirma liess uns hängen, weil David Krebs das Interesse an uns verlor. Wir waren zu dumm, um für all die wichtigen Leute zu spielen und sie von uns zu überzeugen (lacht). Unsere erste Plattenfirma lizenzierte uns an eine französische Firma. Diese erstellte Bootlegs von «Hard 'n' Heavy» und «Metal On Metal» als Picture Discs. Dafür sahen wir nie Geld. Ein weiterer Grund, warum all die Firmenbosse uns damals nicht unter Vertrag nehmen wollten, war, dass sie kein Geld in Platten investieren wollten, von denen es bereits Bootlegs gab (lacht). Darum hatten wir keinen Platten-Vertrag für vier Jahre, bis wir «Strength Of Steel» über Metal Blade veröffentlichten. 1984 bis 1987 waren die wichtigsten Jahre für Heavy Metal, und Anvil wurden auf Eis gelegt. Grossartig! Was passierte, passierte mit Anvil. All diese Dinge sind Schicksal. Ich brauche eine Familie und ein Haus, um leben zu können (grinst).
Trotzdem hörte ich nie auf, Musiker zu sein. Ich musste meinen eigenen Weg finden und daran arbeiten. Es war mir nicht vergönnt, einen Deal zu unterschreiben und schlagartig erfolgreich zu sein. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir nicht die richtige Chemie in der Band, um den nächsten Schritt zu gehen. Darum mussten Dave und Ian (Dickson, Bass) Anvil verlassen. Sie waren für die Mädels da, aber nicht, um die Band seriös voranzutreiben und weiterzutragen. Robb und ich gründeten die Truppe Jahre, bevor Dave und Ian dazukamen (grinst). Darum war es auch keine grosse Überraschung, dass Dave und Ian irgendwann das Handtuch warfen. Eine Band am Leben zu erhalten und die nächsten Schritte gehen zu können, war für sie härter, als sie dachten. "Dann geh bitte ins Leben hinaus, such dir etwas anderes und geniesse es". Damals wünschte ich mir, dass ein Kid mit unserer Musik aufgewachsen wäre und uns später unterstützt. Gehen wir ins Jahr 2006 (lacht) zurück. Wir trafen da auf einen Typen, den wir 1982 zum ersten Mal gesehen hatten. Das war in London im Marquee Club. Es war Steven Spielbergs Drehbuchautor. Er trat 2006 mit mir in Kontakt und war völlig aus dem Häuschen, dass Anvil noch immer existierten. So entstand die Idee, dass es einen Film über Anvil geben sollte. Ich begann zu weinen, als er mir erzählte, dass er die Geschichte von Anvil verfilmen wolle.
Wir sprachen nicht mit einem Hobbyfilmer, sondern mit einem der wichtigsten Autoren aus Hollywood. Meine Güte, das musste ich erst einmal verarbeiten! Vor meinem inneren Auge sah ich bereits die roten Teppiche, die für uns ausgerollt wurden, und die Awards, die wir mit dem Film gewinnen würden – während uns die besten Tische reserviert wurden, an denen wir speisen könnten. Und tatsächlich: Alles wurde wahr! Der Moment, in dem ich weinte und realisierte, dass dies die Antwort auf all den Kummer und die harten Zeiten war, war unbeschreiblich. So kann sich die Geschichte ändern. Wir mussten diesen Weg gehen – von David Krebs fallengelassen und von anderen Firmen nicht ernst genommen zu werden – damit dieser Film überhaupt entstehen konnte (lacht). Das ist der Grund, warum die Dinge am Ende so enden, wie sie eben enden, und genau das ist grossartig. Ich habe keine Millionen von Dollars auf meinem Konto, aber ich habe etwas, von dem die meisten nur träumen können.
"...Was verband einen 26-Jährigen und einen 15-Jährigen? Die Musik!..."
60 Jahre alt zu werden (Lips ist 68 Jahre jung), noch immer aktiv zu sein und zu wissen, dass der morgige Tag ein guter wird – das ist ein Geschenk. Ich bin noch lange nicht im Ruhestand und auch nicht ausgebrannt von dem, was ich in meinen Zwanzigern und Dreissigern gemacht habe (lacht). Ich will nicht aus dem Business aussteigen, sondern das bis zu dem Tag machen, an dem ich sterbe (lacht). Das ist eine grosse Belohnung für alles und einfach grossartig. Viele Leute sind eifersüchtig, besonders jene, die einen ähnlichen Weg eingeschlagen haben, aber nie so viel ernten konnten wie ich. Viele werden nicht dafür gewürdigt, was sie geleistet haben, und ihre Geschichten endeten nie in einem Film. Es sind die Menschen, die wir sind, und die Art, wie wir mit anderen umgehen, die alles ausmachen.
Weisst du, was aus dem 15-jährigen Teenager wird, dem du die Backstage-Tür öffnest (lacht)? "Hey Mann, ich liebe Anvil." – "Oh cool, woher kommst du?" Du beginnst ein Gespräch und stellst fest, dass dieser junge Kerl fünfzehn Jahre alt ist, in England lebt und seine Familie aus Toronto stammt. Da denkst du noch nicht, dass das der Typ sein wird, der dein Leben dreissig Jahre später retten wird (lacht). Aber wir waren die netten Musiker, die ihn einluden und zu Freunden wurden. Was verband einen 26-Jährigen und einen 15-Jährigen? Die Musik! Genauer gesagt unsere Musik – und das ist wirklich etwas Besonderes. Ein Junge, der zum ersten Mal in England ist und alles über meine Band weiss und jede Note jedes Songs kennt. Das erfüllte all meine Träume und zeigt, was möglich ist. Sein Abhängen mit seiner Lieblings-Band hat uns später den Teller gefüllt (lacht).
Das war ein mystischer Moment, der sein Leben verändert hat. In diesen Minuten wurde einer seiner Träume erfüllt. Es ist unglaublich, wie sich ein Puzzle-Teil ins andere fügen kann. Das ist phänomenal. 1982 gingen wir nach England und spielten auf dem "Donington Festival". Dort trafen wir den Cousin der Königin, Lord Philip Harvey. Er war ein Freund von Jimmy Page, Lemmy (lacht), den Mädels von Girlschool, Bad Company – sag einen Namen, und Phil war ihr Freund (grinst). Phil war der Letzte – abgesehen von seiner Freundin – der mit Jimi Hendrix auf einer Party war. Damit hat er aber nie geprahlt, das habe ich erst viel später erfahren (lacht). Jede Geschichte hat ihren Anfang, und es sind oft die kleinen Dinge, die faszinieren können. Zum Beispiel damals, als wir Sascha Gervasi, diesen Jungen, trafen.
Er führte uns zu all den Läden, in denen man Lederjacken kaufen konnte. Das war zur Zeit der Heavy Metal Explosion in England. Natürlich wollten wir diese Orte sehen, da wo das Leben vibrierte (lacht). Zwei Jungs sahen uns, rannten auf uns zu und sagten: "Hey, wir kommen aus Schweden!" – "Toll, freut uns! (lachend)". Wir verbrachten Zeit mit ihnen, und als wir im Marquee Club spielten, standen sie im Publikum. Vierzig Jahre später (lacht) spielen wir auf einem Festival in Italien (lachend), und diese beiden Typen klopfen an die Türe unserer Garderobe. Es waren der Gitarrist und der Bassist von Candlemass (Lars Johannson und Leif Edling), und sie erinnerten uns daran, dass sie die Jungs waren, die wir damals in der Carnaby Street getroffen hatten.
"...Das sind so viele Details, die zu einer Geschichte führen, die zu Beginn vielleicht unwichtig scheinen, aber dein Leben später verändern können..."
Alles hat seinen Platz und seinen Grund. Das ist Schicksal. Das sind so viele Details, die zu einer Geschichte führen, die zu Beginn vielleicht unwichtig scheinen, aber dein Leben später verändern können. Schriften an der Wand – du weisst, was ich meine (lacht). Dinge, die sich enträtseln. Es gibt unendlich viele Stories dazu, und das würde das Interview um Stunden verlängern. Einige Monate, bevor Sascha uns traf, kam er von der Schule nach Hause. Seine Mutter war eine Konzert-Pianistin und spielte in London, wo Dustin Hoffman (amerikanischer Schauspieler) war. Sascha kommt nach Hause (lacht), Dustin sitzt in seiner Küche und trinkt Tee mit seiner Mutter (lautes Lachen). Ein paar Monate später flog Sascha nach New York, um seinen Vater zu besuchen. Er verlor sein Ticket in Heathrow am Flughafen.
Er war völlig verstört, lief herum und überlegte sich, was er machen könnte. Dustin Hoffman sah ihn. "Hey Junge, dich habe ich doch in der Küche deiner Mutter getroffen. Was ist das Problem?" Er erzählte ihm, dass er sein Ticket verloren habe. Dustin kaufte ihm ein neues. Nun gut, 35 oder 40 Jahre später (lacht), besuchte Dustin die Premiere des Anvil-Films in Hollywood. Am Ende des Films ist ein Foto von Sascha zu sehen, und Dustin sagte: "Das ist der Junge, dem ich geholfen habe!" und drehte völlig durch. Anvil kamen nach der Film-Aufführung auf die Bühne, Dustin machte die Teufelshörner und war völlig aus dem Häuschen (lacht). Ich sehe das und frage mich: "What the fuck! That's Dustin Hoffman in the audience (lacht)". Wir hatten uns vorher nie gesehen. Als wir vom Theater in die grosse Lobby kamen, stand da Dustin, in Tränen aufgelöst, und umarmte Sascha. Er war so weggeblasen davon, dass ein Junge, den er vor vielen Jahren getroffen hatte, diesen Film drehte.
Dustin half uns, diesen Award zu gewinnen, und wir trafen uns zum Mittagessen mit ihm. Es war, als würde mein Onkel neben mir sitzen (lacht). Das war so bizarr (lachend). Phänomenal. Er erzählte uns etwas über Schicksale. Er ist um einiges älter als wir und meinte, dass wir unsere Schicksale leben. Ich erwiderte ihm, dass es keine Rolle spiele, was wir tun – es wird passieren. Er erzählte uns die Geschichte von seinem Strandhaus in Malibu. Er hörte eine Frau nach Hilfe schreien. Dustin rannte zum Strand und sah diese Dame, die einen Schock hatte. Er rief nach seiner Frau Lisa, die der Lady eine Spritze gab. Die Frau sprang danach auf und sagte: "Scheisse, ich habe vergessen, meine Beine zu rasieren (lacht)". Sie nahmen die Frau mit ins Haus, tranken zusammen Tee und erfuhren, dass sie aus New York kam. "Ah, schön, da komme ich auch her, in welcher Strasse lebst du?" Die beiden stellten fest, dass die Frau in seinem alten Haus lebte.
Wäre Dustin nicht gewesen, wäre sie gestorben. "Alles hat seinen Sinn und wird vielleicht erst Jahre später zu einer Verbindung führen." Ihr Schicksal war, dass sie in Dustins Elternhaus lebt und ihn am Strand traf, damit er ihr das Leben retten konnte. Das sind die kleinen Geschichten, welche das Leben funktionieren lassen. Alles hat seinen Sinn und wird vielleicht erst Jahre später zu einer Verbindung führen. In gewissem Sinne sind das grossartige Geschichten. Dave Allison kotzte hinter die Amps, und wir bekamen keinen Platten-Vertrag. Dafür trafen wir Sascha, der unsere Garderobe suchte und Jahre später zu Steven Spielbergs Autor wurde. Das ist der Weg, wie Schicksale geschehen und sich zu einem Ganzen verbinden. Du kannst planen was und wie du willst, aber das Schicksal plant vor und für dich. Wenn du denkst, du hast alles unter Kontrolle, wird dir das Schicksal aufzeigen, wer hier was kontrolliert (lacht).
MF: Lips, vielen Dank für die Zeit und den tiefgründigen Einblick in dein Leben. Das war wirklich eine aussergewöhnliche Reise.
Lips: Martin, ich habe zu danken, für den stetigen Support und die Zeit, die du dir immer nimmst. Es war mir ein Vergnügen, mit dir zu sprechen.