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"...Ich wollte mit CoreLeoni den Fans wieder die Lieder bieten, mit denen Gotthard die ersten Erfolge feierten und die heute nicht mehr gespielt werden..."
Gotthard legten bekanntlich als astreine Hard Rock Band los, wo die Riffs und die Härte nie zu kurz kamen. Dies ging so weiter bis zu jenem megagrossen Erfolg vor genau 25 Jahren (!), den das Album «D Frosted» damals mit sich brachte. Plötzlich waren Gotthard in aller Munde und wurden auch im Radio rauf und runter gespielt. Die elektrische Gitarre musste der akustischen weichen, und die weiteren Alben «Open», «Homerun» und «Human Zoo» wurden durch ihre Balladen und den gemässigteren Sound bekannt. Gitarrist Leo Leoni trug diesen Erfolg allerdings mit einem schweren Herzen mit sich herum, denn der Tessiner wollte eigentlich nur eines, nämlich abrocken!
So formierte sich aus diesem Wunsch heraus eine neue Band, die sich CoreLeoni nennt und auf den ersten beiden CL-Alben wieder die frühen Gotthard ans Tageslicht zerrte, welche sich mittlerweile längst von den ersten, rockigeren Tagen entfernt haben. Plötzlich rauchte die Gitarre wieder und Leo stand mit einem herzhaften Grinsen auf der Bühne. Keine Frage, dass Gotthard immer noch die Welt von Leo sind, aber was er vermisste, konnte er endlich wieder ausleben. Mit dem dritten CoreLeoni Album «III» stellen Leo, Jgor Gianola (Gitarre), Mila Merker (Bass), Alex Motta (Schlagzeug) und Neusänger Eugent Bushpepa nicht nur neu eingespielte Gotthard Tracks, sondern speziell ganz viel neues CoreLeoni Material vor. Überraschend war der Ausstieg von Sänger Ronnie Romero, der schon bei Rainbow, MSG oder Vandenberg sang. Wie es dazu kam, welchen Wunsch Leo in seiner Seele trägt und was dem Gitarristen einzelne Songs bedeuten, könnt Ihr in den folgenden Zeilen nachlesen.
MF: Wie kam es zum Ausstieg von Ronnie Romero?
Leo: Ronnie war in vielen Projekten dabei, was terminlich für uns nicht immer einfach war. Irgendwann kamen wir an den Punkt, dass all dies geregelt werden musste. Es waren auch grössere Bands dabei, und die Prioritäten bei Ronnie verschoben sich. Das bemerkten wir auf der letzten Tour. Ronnie hat uns geraten mit einem anderen Sänger weiter zu machen. Ich hatte bei Gotthard schon einen Sänger verloren. Das war eine tragische Geschichte, aber "Reisende soll man bekanntlich nicht aufhalten".
MF: Wie schwer oder einfach war es, einen Nachfolger für Ronnie zu finden?
Leo: Wenn deine geliebte Gitarre kaputt geht, musst du eine andere finden (grinst). Solange du weisst, welche Gitarre zu dir passt, wirst du auch eine finden (lacht).
MF: Trotzdem, Sänger wie Steve Lee oder Ronnie Romero fallen nicht wie Äpfel von den Bäumen…
Leo: …wir fanden Eugent Bushpepa, der ein Wahnsinns-Sänger ist. Ich sah ihn, als er beim "Eurovision Song Contest" auftrat. Man muss mit offenen Ohren durchs Leben gehen (grinst). Der Unterschied zwischen Ronnie und Steve oder Eugent ist…, Ronnie kann alles singen und ist ein Super-Interpret. Dabei muss die Seele immer präsent sein. Wir fühlten aber, dass seine nicht mehr bei CoreLeoni war, sondern an vielen anderen Orten. Er kann für viele Truppen eine Bereicherung sein, aber du musst mit deiner Seele und deinem Herzen für die Fans auf die Bühne gehen. Ronnie kann an vielen Orten einen Super-Job abliefern. Du musst aber zu deiner Familie stehen. Eine Band ist wie eine Familie, und mit der spielt man nicht. Will deine Frau einen anderen Weg gehen, musst du ihr die Freiheit gewähren, dass sie gehen kann. Verstehst du Martin, was ich damit sagen will? Wie findest du als Mann eine andere Frau? Du weisst, was du an deiner Seite brauchst. Du kannst der beste Shouter sein, aber wichtig ist, was du deiner Familie geben kannst. Zu dieser gehören auch die Fans. Ja, es war nicht einfach einen neuen Sänger zu finden, aber wenn du genau weisst, was zu dir passt, dann wirst du auch jemanden finden. Damals, also nach dem Tod von Steve, suchten wir nicht nach einen "anderen" Steve. Nic ist ein Super-Sänger, der aber anders singt und die Familie zu diesem Zeitpunkt wieder komplettiert hat. Nic hat uns das Gefühl gegeben, dass wir wieder eine Einheit sind. Wir kämpfen alle zusammen und gehen gemeinsam den gleichen Weg, auch bei CoreLeoni. Wir wollten unseren Sänger nicht mehr mit anderen Bands "teilen". Wir hatten eine sehr tolle Zeit zusammen, aber Musik sollte dich zusammenbringen (lachend) und nicht trennen (lacht).
MF: Nach welchem Masterplan hast du die neuen Songs geschrieben?
Leo (lachend): Oh nein, der einzige Masterplan kam durch COVID zu Stande (lacht). Leider hatten wir mehr Zeit als erhofft, die wir sinnvoll nutzen wollten. Daraus entstanden die neuen Lieder, und nebenbei suchten wir einen Shouter, der auf unserer Linie liegt. Aus dem Lockdown, der ursprünglich zwei Wochen dauern sollte, wurden vier, dann zwei Monate und ein Jahr. Schlussendlich dauerte es jetzt zwei ganze Jahre. Zuerst wollten wir zwei Songs schreiben, und plötzlich war die Zeit da, gleich zehn zu komponieren. Zu Beginn war es nicht einfach, und die Ideen flossen eher zähflüssig.
MF: War von Beginn weg klar, dass ihr mehrheitlich, respektive nur eigene neue Tracks schreiben wollt und nicht mehr Covers von Gotthard…
Leo: …wir haben nie Covers gemacht von Gotthard (grinst). Ich habe mir erlaubt, die Lieder, welche ich für Gotthard mitgeschrieben habe (grinsend)…, schlussendlich bin ein Teil dieser Tracks (lacht). Eine reine Cover-Band war nie ein Thema für uns. Ich wollte mit CoreLeoni den Fans wieder die Lieder bieten, mit denen Gotthard die ersten Erfolge feierten und die heute (von Gotthard) nicht mehr gespielt werden. Gefällt den Leuten was sie auf der Bühne hören, dann sollen sie auch die Möglichkeit erhalten, dies auf Platte zu geniessen. Darum nahmen wir die beiden ersten Scheiben auf, zusammen mit Ronnie. Es waren nicht mehr Gotthard, die ein «Angel» spielen, sondern CoreLeoni. Es war etwas für die Fans vor der Bühne und die Musiker auf der Bühne, diese Songs wieder zu hören und zu spielen. Darum war eine Gotthard Cover-Band auch nie ein Thema für uns. Ist Roger Waters eine Cover-Band von Pink Floyd, wenn er die komplette «The Wall» Scheibe spielen würde? Sicher nicht! Darum, Leo Leoni ist ein Teil von Gotthard und hat all diese Lieder mitkomponiert. Ich wollte die Tracks spielen, die Gotthard schon lange nicht mehr im Programm hatten. Jetzt fanden wir genügend Zeit, um uns um die neuen Tracks zu kümmern. So wurden aus zwei Stücken (lachend) plötzlich zehn. "This is the best side of a wrong story" (lacht).
"...Bei CoreLeoni decken wir die ersten Jahre, die hart rockenden Momente von Gotthard, ab...Gotthard haben sich eher dem Mainstream zugewandt..."
MF: Wie weisst du, dass ein Song zu Gotthard oder zu CoreLeoni passt?
Leo: Das ist schwer zu sagen…, bei Gotthard schreiben wir die Lieder zusammen, und jeder bringt seinen Ideen ein. Dabei fällt mir auf, dass ein Part für Gotthard vielleicht zu hart sein könnte und nicht ins aktuelle Soundgefüge hinein passt. Es sind unterschiedliche Stile. Bei CoreLeoni decken wir die ersten Jahre, die hart rockenden Momente von Gotthard, ab. Die Energie ist eine andere. Gotthard haben sich eher dem Mainstream zugewandt. Es ist heute eine andere Art von Härte, die beim Songwriting einfliesst. Der Stil von CoreLeoni passt nicht mehr zum heutigen Sound von Gotthard. Du weisst aber bis zum Schluss nie, wohin sich der Song entwickelt. Das kann ein simpler Cymbal-Schlag sein, der einen Track völlig verändert (lacht). Darum ist es immer schwer zu sagen, was letztlich für Gotthard und was für CoreLeoni passt, weil sich die Entstehungsreise von der Idee bis zum fertigen Song stark verändern kann. Viele Leute denken, dass ich zweigleisig unterwegs bin (lacht). Beide Truppen versuchen immer ihr Bestes zu geben. Wenn dies funktioniert, dann bin ich sehr zufrieden. Nur eine neue Scheibe zu komponieren, damit es wieder etwas Neues zu hören gibt und es aber Scheisssongs sind…, das würde ich nie machen.
MF: Man spürt, dass die Lieder welche du komponierst von Herzen kommen und mit Blut, Schweiss und Tränen getränkt sind. Das alles hat seinen Ursprung in deiner Seele…, das bist du und lebst es auch…
Leo: …dankeschön Martin. Viele Leute mögen, was wir tun. Jeder Fan ist sehr wichtig für uns. Diejenigen die verstehen, was wir ausdrücken wollen, sind noch wichtiger. Das ist echt. Wir wollen nicht die Welt erreichen und uns verbiegen. Das bringt nichts und wäre der falsche Ansatz. Als Künstler brauchst du die Freiheit ein Künstler zu sein. Wenn du ein Bild malen willst und du Bock auf rote Farbe hast, dann willst du nicht mit blauer Farbe malen (lacht). Wichtig sind die Seele und das Herz.
MF: Hast du die Songs allein geschrieben?
Leo: Nein! Das war eine Zusammenarbeit mit den anderen Jungs. Jeder brachte seine Ideen ein. Leider kam Eugent zu spät in die Band rein, aber ich freue mich schon jetzt auf die nächste CoreLeoni Scheibe, da ich weiss, dass er tonnenweise Ideen hat, die er einbringen kann. Er lebt diese Musik. Ich lernte ihn 2018 kennen, als er beim "Eurovision Song Contest" auftrat. "Wow, was für ein sensationeller Sänger", dachte ich! Auch wenn ich kein Wort verstand, da er albanisch sang. Als Sänger und Performer war er aber der Hammer. Ich freue mich auf die nächste Scheibe, vielleicht mehr als auf diese (grinst), weil mir mehr zusammen an den Tracks arbeiten können. Dieses Mal reichte die Zeit nicht aus, trotzdem haben wir sehr gut zusammen gearbeitet. Seine Ideen werden bei CoreLeoni immer willkommen sein.
MF: Kommen wir noch auf einzelne Lieder des neuen Albums zu sprechen. «Deep In My Soul»…, was ist tief in deiner Seele verwurzelt?
Leo: Meine Seele hat so viele…, ich muss deine Frage zweiteilen (grinst). Was will meine Seele? Sie will gerne erfüllt werden. Was braucht es dazu? Als kleiner Junge hatte ich einen Traum. Ich wollte Musik spielen (grinst). Es ist sehr schwer, als Musiker aus dem Tessin heraus zu kommen. Dieses Ziel wurde erfüllt. Ich bin sehr dankbar für unsere Fans, die diesen Erfolg überhaupt erst ermöglichten. Auf der anderen Seite bin ich traurig, wenn ich an die heutige Art denke, wie Musik konsumiert wird. Der nächsten Generation von Künstlern und Musikern wird nicht die Wertschätzung entgegen gebracht, die sie verdienen. Wer wird noch an der Musik verdienen? Wohl eher Spotify und nicht der Sänger oder der Gitarrist. Es wird sehr viel Musik konsumiert. Die Musik ist zu Hause oder beim Joggen dabei. Für deine Entwicklung als Musiker brauchst du das Geld aus den Plattenverkäufen. Das finde ich total scheisse. "Before I leave this planet, I will love to make a point!" Damit meine Seele erfüllt wird, möchte ich der nächsten Generation eine grosse Chance geben, damit der Wert für die Musik wieder zurückkehrt. Dieser ist aktuell nicht mehr vorhanden. Das ist ein grosser Teil in meiner Seele. Das liegt nicht nur an der Musikindustrie, sondern an der Zukunft und den Perspektiven für neue und junge Musiker. Unterstützen wir diese nicht mehr, wird die Musik aussterben.
MF: Wie kam es zu «Greetings From Russia»?
Leo: Diesen Song haben wir geschrieben, bevor der Krieg startete. «Greetings From Russia» hat nichts mit den aktuellen Geschehnissen zu tun. Russland war für mich immer wie Amerika, ein "promised land". Für mich als Künstler war Russland noch interessanter als Amerika. Was dort an Kultur und Musik zu erleben gibt, ist unglaublich. Das Land hat eine andere Geschichte, die wir sehr wahrscheinlich nicht alle kennen. Persönlich ist Russland noch immer eines der grössten Länder, die es gibt. Ich hege grossen Respekt für das Land, auch wenn ich die aktuelle Situation "out of our control" ist. Es tut mir leid für all die Leute, die diesen Preis bezahlen müssen. Wir müssen begreifen, wieso es dazu gekommen ist, sollten dies aus unterschiedlichen Perspektiven ansehen und unterschiedliche Antworten erhalten. Ich bin dankbar, dass ich dieses Land kennenlernen durfte. Da ich mit einer Russin verheiratet bin, kenne ich den anderen Teil dieses Landes und dessen Geschichte. Es geht mir um die Kultur und die Tradition. Die Musik sollte die Leute wieder zusammenbringen, damit wir eine gute Zeit zusammen verbringen können…
MF: …«love, peace and Rock'n'Roll»…
Leo: …genau, du sagst es (grinst). Egal welche Farbe du hast oder welchen Pass. Es tut mir sehr leid, was gerade passiert.
MF: Wie kam es zu «Jumpin' Jack Flash»?
Leo: Ganz einfach (lacht). Als Bub spielten wir Top-40 Songs für Tanzabende (grinst). Der Song blieb mir immer im Kopf hängen. Die Version von Aretha Franklin gefiel mir besser als das Original (lacht). Wir spielten im Proberaum, und ich summte die Melodie dazu (lacht). Diese härtere Version von Aretha sollte für uns die Basis sein. «S.O.S.» von Abba haben wir für die letzte Gotthard Platte eingespielt. Das war damals eine sehr ähnliche Situation. Die Gesangslinie summte ich im Proberaum, als wir das Demo aufnahmen. Irgendwie (lacht) fanden wir dies geil, und darum singt nun Leo «Jumpin' Jack Flash» (lacht). Wir haben die Nummer härter gespielt und vielleicht mit einem kleinen AD/DC Touch versehen (grinst). Ein bisschen aggressiver als das Original von den Rolling Stones. Vor ein paar Jahren supporteten Gotthard die Rolling Stones in Prag (grinst). Mir gefiel die Nummer immer sehr gut.
MF: Eigentlich ist «Jumpin' Jack Flash» mehr als eine Cover-Version, sondern schon fast eine CoreLeoni Nummer…
Leo: …danke (lacht), das ist ein grosses Kompliment!
MF: Herzlichen Dank für deine Zeit und das Interview.
Leo: Martin, ich danke dir! Wir sehen uns sicher bei einem weiteren CoreLeoni Gig oder bei der kommenden Gotthard Tour!? Du kommst vorbei, und wir machen Party (lacht).