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"...Diese Scheibe zeigt D-A-D, wie wir klingen sollten..."
Mit «Speed Of Darkness», ihrem dreizehnten Studio-Album, haben die Dänen von D-A-D erneut einen mächtigen Kraftbrocken vor die Füsse ihrer Fans geworfen. Das Album strotzt nur so vor tollen Melodien, mitsingbaren Songs und grandiosem Handwerk. Seit 42 Jahren sind die Nordländer unterwegs und hatten den Mut, nach den sehr erfolgreichen Alben «No Fuel Left For The Pilgrims» (1989) und «Riskin' It All» (1991) eine musikalische Kehrtwende einzuschlagen, und haben es dennoch geschafft, sich in all den Jahren über Wasser zu halten. Dies verdanken sie auch ihren packenden Live-Shows, mit denen der Vierer immer wieder für Begeisterung sorgt.
Mit Laust Sonne ist seit 1999 das jüngste Mitglied dabei, das nun ein Vierteljahrhundert Zusammengehörigkeit mit Bassist Stig Pedersen und den Binzer-Brüdern Jacob (Gitarre) und Jesper (Gesang, Gitarre) feiern kann. Ein Interview mit Jesper gleicht immer einem Fest, denn der auf der Bühne mit holprigem Deutsch agierende Shouter führt auch im Englischen einen charmanten Akzent spazieren und hat die Lacher so stets auf seiner Seite.
MF: «Speed Of Darkness» ist ein wundervolles und magisches Album geworden. Woher kamen die Inspirationen?
Jesper: Danke dir, Martin. Oh, da war keine Inspiration im Spiel, sondern es war harte Arbeit. Dieses Mal hatten wir über zehn Lieder, die wirklich scheisse waren. Wir haben sie alle rausgeworfen. Darum sassen wir 2022 am Songwriting und nahmen Demos auf. Glücklicherweise sind uns Ideen für bessere Songs eingefallen. Somit ist alles, was du auf dem neuen Album hörst, 2023 fertiggestellt worden. Aber davor, du meine Güte, das war wirklich eine aufwühlende Geschichte (grinst).
MF: Harte Zeiten…
Jesper: …oh ja mein Lieber, sehr harte und verrückte Zeiten (grinst).
MF: Was möchtest du uns mit dem Album-Titel mitteilen?
Jesper: Natürlich ist dies ein poetischer und auch ein gefährlicher Titel (grinst). Die Leute sollen ihre eigene Interpretation dazu finden. Für uns hat es folgende Bedeutung: Wenn du im Flieger sitzt und die Zeitzone sich ändert, siehst du, wie sich die Dunkelheit in helles Licht verwandelt. Das ist für uns «Speed Of Darkness». Oder Putin, der viel Dunkelheit über die Welt bringt, die sich langsam bewegt. All diese Kriege, das ist nur etwas für Idioten, das ist eine andere Seite der Dunkelheit.
MF: Was war diesmal anders beim Songwriting, bei den Aufnahmen und bei der Produktion im Vergleich zu den anderen Alben?
Jesper: Seit Laust bei D-A-D dabei ist, haben wir nicht mehr so viel Zeit im Proberaum verbracht. Leute in seinem Alter haben ihre eigenen Homestudios und sind es nicht mehr gewohnt, ein Album in einem grossen Aufnahme-Tempel einzuspielen. Sie wollen alles zu Hause erarbeiten und dann ins Studio gehen. Es war das erste Album, seit Laust dabei ist, bei dem wir uns Monat für Monat zusammengesetzt und an den Liedern gearbeitet haben. Ein weiterer Unterschied ist, dass wir wieder mehr in die "heavy" Richtung tendierten. Je mehr Zeit wir miteinander verbrachten, desto mehr wollten wir diesen Weg einschlagen. Wir haben die besten Songs herausgepickt und sie im Studio aufgenommen.
Dort wollten wir den bestmöglichen Sound erreichen. Das hat Zeit und noch mehr Geld gekostet, allein um das Schlagzeug so zu gestalten, wie es jetzt klingt. Klar, wir haben alles zusammen eingespielt, aber der Drum-Sound ist so grossartig geworden, dass wir wussten: Wir sind auf dem richtigen Weg. Diese Scheibe zeigt D-A-D, wie wir klingen sollten. Das sind wir! Als würden wir in einen Spiegel schauen und das Resultat auf einem Tonträger verewigen. Eigentlich spielt es keine Rolle, was deine Freunde oder die Plattenfirma dazu sagen, solange du selbst mit dem Produkt zufrieden bist und dabei mit einem Lachen in den Spiegel schauen kannst. Das hat uns noch mehr Vertrauen gegeben, weiter unseren Weg zu gehen, mit harter Arbeit.
MF: Wie nah seid ihr am perfekten D-A-D Sound?
Jesper: Der Sound von «Speed Of Darkness» kommt dem perfekten Klang sehr nahe. Viele Lieder klingen perfekt. Ich will nicht sagen, dass das komplette Werk perfekt ist, aber mindestens sieben Nummern haben den perfekten D-A-D Sound.
"...Viele Dinge entwickeln sich auf eine Art und Weise, die nicht vorhersehbar sind..."
MF: Seid ihr somit auch bei den perfekten Songs angekommen?
Jesper: Das wird sich mit der Zeit zeigen. Viele Dinge entwickeln sich auf eine Art und Weise, die nicht vorhersehbar sind. In den 25 Jahren hat Laust verstanden, was den perfekten D-A-D Sound ausmacht. Er hat gelernt, was einen D-A-D-Song zu etwas Besonderem macht. Das war eine sehr entspannte Erfahrung. Alles zusammen, also mit unseren Punk und Hard Rock Erfahrungen, konnten wir ein neues Level erreichen.
MF: Veränderungen waren immer ein Begleiter von euch. Wie schwer war es damals, den sehr erfolgreichen Weg von «No Fuel Left For The Pilgrims» und «Riskin' It All» zu verlassen?
Jesper: Es fühlte sich nicht so an, als wären es nicht unsere Songs. Es gab Momente, in denen wir das Bedürfnis hatten, nicht noch einmal ein «Sleeping My Day Away» zu schreiben. Auch wenn wir wussten, welches Vermächtnis wir uns damals schufen. Darum wollten wir einen neuen Weg gehen, heisst einen, den wir vorher nicht kannten, nämlich denjenigen in die Zukunft (lacht).
MF: Wie schwer oder einfach waren für euch die Jahre zwischen 1995 und 2010, als die Grunge-Szene so ziemlich alles veränderte?
Jesper: Wir fühlten uns nie einem Trend zugehörig, weder Hair Metal noch Melodic Metal. Wir folgten immer unseren eigenen Visionen. Es gab Fangruppen in Skandinavien, die unsere musikalischen Veränderungen nicht nachvollziehen wollten. Ich denke, dass die ersten zehn Jahre einer Rock-Band ein Selbstfindungs-Prozess sind, sprich auf jede Art und in jeder Form der Kommunikation. Alles funktioniert über Dialoge. Man kann nicht immer an denselben Orten bleiben, sondern muss sich auch mal etwas anderes anschauen. Wir sind glücklicherweise damit gesegnet, dass wir uns nie etwas vorschreiben lassen. Wir machen was wir wollen und verlassen dabei auch mal die Basis, um uns in anderen Spielarten umzusehen.
Das kann funktionieren oder schiefgehen. Das ist unsere Sprache, so kommunizieren wir. Mit Musik kannst du nie wirklich "gewinnen", aber du kannst immer weitermachen. Am Anfang entscheidest du dich als neue Band für einen Stil. Du willst eine oldfashioned Rock-Band sein? Okay! Dann hast du irgendwann das Gefühl, dich auf unterschiedliche Art ausleben zu müssen, um deine Kreativität nicht einzuengen. Das kann von deinen Wurzeln zu modernen Klängen bis hin zur Klassik reichen. Das ändert aber nichts daran, dass du im Proberaum noch immer deiner eigenen Vision folgst, also etwas, das die Musiker in der Band gemeinsam erreichen wollen.
Deine Persönlichkeit ändert sich mit dem Leben. Die Musik kann oder wird dein Dialog sein, vielleicht sogar deine Therapie. Da können neue Einflüsse heilend sein. So etwas kann für den Moment sehr interessant sein, und es ist alles andere als schwierig, etwas Neues umzusetzen. Vielleicht machen die Zuhörer nicht dieselbe Veränderung durch, in der du gerade steckst, und können nicht nachvollziehen, was passiert. Es gibt viele Dinge, die sich zu einem Ganzen zusammensetzen. Als Musiker darf man nicht erwarten, dass man immer verstanden wird. Darum kann die Dynamik von D-A-D durchaus missverstanden werden (lacht).
"...Es ist dieses 'alles ist gut' Gefühl, und wir sind selbstbewusster denn je..."
MF: Somit könnt ihr heute druckloser neues Material schreiben?
Jesper: Martin, da hast du absolut recht! Seit einigen Jahren fühle ich mich viel entspannter, wenn ich Songs komponiere. Das fühlt sich sehr gut an. Ich bin nicht mehr nervös, wenn ich auf die Bühne gehe. Es ist dieses "alles ist gut" Gefühl, und wir sind selbstbewusster denn je. Auch wenn ich mich nicht stärker fühle, wenn ich älter werde (lacht). Aber in meiner künstlerischen Vision und in dem, was mich erfüllt. Diese Lockerheit ist ein sehr schönes und bereicherndes Gefühl.
MF: Seit vielen Jahren spielt ihr im gleichen Line-up. Was ist das Geheimnis dieser Bandkonstellation?
Jesper: Wahrscheinlich liegt es daran, dass unsere Eltern uns beigebracht haben, respektvoll miteinander umzugehen. Vielleicht ist es auch dieses tiefe Gefühl, dass unsere Energie uns immer antreibt. Die anderen Jungs sind völlig verrückt, aber am Ende des Tages kreieren wir zusammen grossartige Musik (lacht).
MF: Wie schwer ist es, mit dem eigenen Ego und dem der anderen Bandmitglieder umzugehen?
Jesper: Das ist ein sehr schwieriges Unterfangen. In gewissen Momenten wird alles nur von den Egos angetrieben. Du musst fühlen was du tust, und du machst es mit deinen eigenen Emotionen und Gefühlen. Das kann und wird immer wieder zu Kompromissen führen oder zu einem Deal, bei dem du dich gegen deine innere Sicherheit entscheidest. Das kann sehr hart sein und ist vielleicht der schwierigste Part, wenn du in einer Band spielst. Ich will kein Teil deiner Emotionen sein, sondern ich will meine eigenen ausleben.
Aber dann heisst es: "Dieser Song ist doch grossartig!" – "Ja, aber das ist deine Wahrnehmung" (lacht).
MF: Aber ihr habt noch immer einen gemeinsamen Weg gefunden.
Jesper: Klar, denn wir spielen und spielen und lassen dem anderen seine Emotionen zu, die aber besser sein müssen als die eigenen. Sind sie es nicht, werden sie wieder fallengelassen (lacht).
"...Es sind diese tiefen Gefühle, die man nur als Brüder haben kann..."
MF: Wie wichtig ist es, mit deinem Bruder in der gleichen Band zu spielen? Ist das einfacher oder schwerer?
Jesper: In vielen Dingen ist es bedeutend schwerer, aber es sind diese tiefen Gefühle, die man nur als Brüder haben kann!
MF: Wie fühlen sich 42 Jahre D-A-D an?
Jesper: Das ist verrückt, bizarr, seltsam, und ich kann dir nicht wirklich sagen, wie sich das anfühlt (lacht).
MF: Welches waren deine Highlights mit der Band?
Jesper: Oh, da gibt es zu viele, um sie alle aufzählen zu können. Der Höhepunkt ist (überlegt), dass ich mir meiner Kreativität sicher sein kann. Denn es fühlt sich immer wieder an, als würde man nackt vor den anderen Jungs stehen, wenn man ihnen eine neue Idee vorstellt. Seine eigenen Emotionen auf diese intensive Art zu zeigen, ist nicht einfach. Wenn du eine Melodie oder eine Idee liebst, dann kämpfst du dafür. Das Schöne ist, dass ich mich bei ihnen nicht schämen muss, sondern mich ausleben kann.
MF: Welches waren deine traurigsten Momente mit D-A-D?
Jesper: All die Freundschaften, die in den vergangenen Jahren aus den unterschiedlichsten Gründen in die Brüche gingen.
"...Musik ist die einzige Art, bei der du kreative Integrität und Kommerzialität verbindest..."
MF: Wie hart ist es festzustellen, dass neben der Musik auch ein knallhartes Business besteht?
Jesper: Das Business ist ein grosser Bestandteil. Dabei ruhig zu bleiben, ist eine clevere Art (grinst). Das habe ich 42 Jahre versucht. Musik ist die einzige Art, bei der du kreative Integrität und Kommerzialität verbindest. Du musst mit deinem Job Geld verdienen, und das ist ein ziemlich gruseliger Ort dafür. Du musst mindestens mit einem Song deine Miete und Rechnungen bezahlen können. Emotionen dürfen nicht auf der Strecke bleiben, heisst du musst sie verbinden. So wirst du deine Seele auf unterschiedliche Arten verkaufen. Aber wir sind sehr glücklich, dass wir diesen lokalen Erfolg in Dänemark haben. So können wir es wagen, Risiken einzugehen. Wir wagten es, die bekannten D-A-D mit einem neueren Sound zu versehen. Der Hauptgrund, warum wir noch immer hier sind, ist, dass wir nie nur ein identisches Produkt abgegeben haben. Wir konnten die freie Kreativität so weit wie möglich auskosten und ausleben. Trotzdem hatten wir immer Erfolg, was wirklich verrückt ist.
MF: Warst du in all den Jahren verärgert über das Business, Manager oder Plattenfirmen?
Jesper: Nein, niemals! Ich hatte nie solche Gefühle! Das wäre die falsche Vergangenheit oder Erinnerung, die man mit sich trägt. In vielerlei Hinsicht hatten wir immer die Möglichkeit zu tun, was wir wollten.
MF: Wie schwer ist es für dich, nach der Tour nach Hause zu kommen und nicht mehr der Musiker, sondern die private Person zu sein?
Jesper: Das ist sehr schwierig, weil dies nie passiert (lautes Lachen). Nein, natürlich habe ich auch ein normales Leben, aber auch da bin ich mit der Band beschäftigt. Ich habe ein Talent, und ich geniesse es sehr, tun zu können, was ich will. Mein Hobby ist, Musik zu machen (lacht), und somit mache ich in meiner Freizeit nichts anderes als in meinem Beruf (lacht).
MF: Dann hoffe ich, dass du dein Hobby noch sehr, sehr lange zu deinem Beruf machen kannst! Danke für die Zeit, das Interview und weiterhin alles Gute.
Jesper: Ich danke dir, dass du dir wieder die Zeit genommen hast.