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"...Während der Pandemie wurden all diese Kollaborationen und Super-Bands ins Leben gerufen. Ich hatte somit noch mehr am Hals während, als vor der Pandemie..."
Jeff Scott Soto ist eine arbeitsfleissige Biene. Einer, der immer wieder auf diversen Projekten und als Gastsänger bei anderen Künstlern zu hören ist. Mit seinem unglaublichen Gesang veredelt er jedes Stück und hinterlässt dabei seinen mächtigen Stempel. Dabei stach und sticht immer wieder eine Combo heraus…, Talisman! Diese Truppe wurde von Jeff wiederholt im Interview erwähnt und scheint für den Sänger der Inbegriff seiner musikalischen Vorstellungen zu sein. Der 57-Jährige veröffentlichte soeben seine neuste Solo-Scheibe mit dem Titel «Complicated». Ein Album, welches den Spirit von Talisman atmet und verinnerlicht hat, aber bei all seinen Aktivitäten, wo steckt Mister Soto gerade? Im Studio oder schon wieder auf Tour?
Jeff: Weisst du, das ist immer ein fliessender Prozess für viele Truppen und noch mehr Alben (lacht). Es ist lustig, denn bevor die Pandemie ausbrach, gab es viele Sessions, Projekte und Bands. Das war schon immer so, und viele Leute rieten mir, mich auf eine Sache zu fokussieren, sprich zu konzentrieren, um mit dieser einen Band erfolgreich zu werden. Darüber verschwendete ich nie einen Gedanken, weil ich es liebe kreativ zu sein. Während der Pandemie wurden all diese Kollaborationen und Super-Bands ins Leben gerufen (lacht). Ich hatte somit noch mehr am Hals während, als vor der Pandemie (lacht).
MF: Gibt es trotz allen Projekten eine priorisierte Band für dich?
Jeff: Ja, eigentlich schon. Ich arbeite nicht mehr mit anderen Künstlern zusammen, wenn es nicht meinen musikalischen Vorstellungen entspricht oder ich mich nicht mit der Musik identifizieren kann. Aktuell sind es darum drei Bands, auf die ich mich konzentriere. Soto, meine Solotruppe und Sons Of Apollo sowie nicht zu vergessen, das Trans-Siberian Orchestra. Auch wenn dies nicht meine höchste Priorität geniesst und ich mithelfe, wenn ich die Zeit dazu habe. Talisman ist die Band, die immer in meinem Herzen verbleiben wird, auch wenn sie gerade auf Eis gelegt ist. Also wenn ich es mir genau überlege, bleiben nur zwei Truppen übrig (lautes Lachen).
MF: Kommen wir zum neuen Album «Complicated»…
Jeff: …der grosse Unterschied zu «Wide Awake (In My Dreamland)» (2020), dem ersten Album, welches ich zusammen mit Alessandro (Del Vecchio) komponierte, ist, dass er versuchte einen roten Faden hin zu meinen früheren Alben zu spinnen. Genau die Zeit, die er am meisten mag von mir. Ich denke, wir haben uns mehr in meiner Vergangenheit aufgehalten als noch beim Vorgänger. Dies mit einem sehr grossen Fokus auf Talisman. Leider existiert diese Truppe aktuell nicht, um neues Material komponieren zu können. Dieser Sound und diese ureigene Identität haben sich sehr stark in meiner Karriere verwurzelt. Dies hat sich in meiner DNA eingenistet und kriecht hervor, wenn ich arbeite und neue Musik kreiere. Diese Art des Schreibens habe ich bei den letzten Scheiben vermisst. Als wir versuchten neue Musik für und mit Talisman zu schreiben, die Art, wie sie von Marcel Jacob (verstorbener Bassist und Gründer von Talisman)…, bei «Complicated» höre ich viele Elemente heraus, die wir bei Talisman verwendeten. Die hätten bei W.E.T. nicht umgesetzt werden können, weil diese Truppe eine zu neue und moderne Band ist. Die Art wie bei W.E.T. Lieder komponiert werden, weist einen zu modernen Anstrich auf, bei dem es unmöglich ist, den Spirit von Talisman einfliessen zu lassen.
MF: Gibt es dann einen Track auf dem neuen Album, den du mehr als die anderen magst?
Jeff: Das ist unmöglich (grinst). Ich weiss, dass es ein altes Klischee ist, wenn Künstler sagen: "Meine Lieder sind wie meine Kinder, und darum ist es unmöglich zu sagen, welches ich lieber mag" (grinst). Es gibt so viele Kinder, die ich in die Welt setzte (lacht). Speziell bei einem Werk wie «Complicated» ist alles sehr neu und fühlt sich frisch an. Vieles hat sich beim Anhören wie etwas angefühlt, das ich schon lange nicht mehr kreierte und fühlte. Wie ein alter Favorit, der sich in all den Jahren versteckte und nun wieder ans Tageslicht hervor trat. Vieles ist abhängig von der Zeit oder der persönlichen Stimmung, in der man sich gerade befindet. Aus diesem Grund können mich gewisse Dinge mehr berühren als andere.
MF: Alessandro ist der Haus- und Hof-Produzent sowie Komponist bei Frontiers Music…
Jeff (grinsend): …ich weiss, was du fragen willst. Wie gross ist die Gefahr, wie eine seiner vielen anderen Bands zu klingen? Ich hatte nie Angst, dass dies passieren könnte. Wenn er mit Ideen ankam, habe ich diese mit meinen verbunden, und daraus hat sich automatisch eine andere Richtung ergeben. Ich liebe was er für mich gemacht hat und weiss, was er für andere Combos tat und noch tun wird. Er setzte seinen Fuss in meine Identität und somit in meine musikalische Vergangenheit. Dabei stellte er schnell fest, was zu mir passen könnten und was nicht. Wenn er etwas für JSS schreibt, dann denkt er an mich, sprich meine musikalische Welt und an niemand anderes.
MF: Du hast vor «Complicated» mit «The Duets Collection Volume 1» ein weiteres Album veröffentlicht. Da hast du deine eigenen Hits mit anderen Sängern nochmals aufgenommen. Wie kam es dazu?
Jeff: Das war eine Idee, die ich zusammen mit meinem Label Frontiers erarbeitet habe. Zu Beginn 2021, als viele Dinge den Bach runter gingen und vieles wegen des Lockdowns nicht mehr funktionierte. Wir konnten nicht auf Tour gehen, und somit hatte ich genügend Zeit, mich kreativ auszuleben. Ich wollte etwas veröffentlichen, das nicht von den anderen Bands abhängig war und auf eine gewisse Art eigenständig ist. Frontiers fragten an, ob ich nicht ein Cover-Album machen wolle. Ich habe schon genug Covers in meinem Leben eingesungen (lacht) und denke, von all denen könnte man eine Dreifach-CD füllen (lautes Lachen). Aber ich hielt für einen Moment inne und erinnerte mich, dass ich auf einer Tribut-Scheibe für Michael Schenker sang und er dabei die kompletten Gitarren einspielte. Das fand ich eine spannende Idee. Ich würde also ein JSS Cover-Album machen, auf dem ich alle Lieder singe. Ich war mir aber nicht sicher, ob die Leute dies wirklich hören wollten. Viele Fans sind so verbunden mit den Originalen oder einem Klassiker, da wollen sie doch nicht eine Neuaufnahme davon hören. So verwarf ich die Idee wieder. Musiker dazu zu bringen so nahe wie möglich bei den Originalen zu sein…, das war schwierig. Bis plötzlich die Idee entstand, dass ich die Tracks zusammen mit anderen Sängern aufnehmen könnte, so eine Art Casting-Part (lacht). Welche Stimme und welche Personality vermag diesen einen Song gut zu interpretieren? Es wurde zu einem grossen Spass, denn ich fühlte mich wie ein Casting-Manager in einem Film (lacht). Oder wenn ich als Plattenboss, zusammen mit Bob Kulick, ein neues Cover-Album plane (lautes Lachen). Er verstand es, die perfekte Stimme zum passenden Track auszuwählen.
MF: Wie hast du die Sänger für die Songs ausgesucht?
Jeff: Es war erneut eine musikalische Kollaboration mit Frontiers Music. Ich wollte, dass sie so stark wie möglich im Projekt involviert sind. Als wir uns entschieden das Album in Angriff zu nehmen, sagte ich ihnen: "Okay Jungs, sendet mir eine Wunschliste, welche Lieder ihr hören möchtet. Welche Bands, welcher Song und welcher Sänger". Das Spannende war, dass sich 80 % der Vorstellungen mit meinen Ideen überschnitten.
MF: Anhand des Titels könnte man von einem zweiten Teil ausgehen…
Jeff: …ich will ehrlich zu dir sein. Es war das Zünglein an der Waage und der Grund, wieso ich es «Volume One» nannte. Es sollte wie eine Aufforderung für das Publikum sein. "Wenn ihr den ersten Teil mögt, dann bin ich sehr glücklich und werde einen weiteren veröffentlichen". Ob es dann allerdings zu zwanzig Scheiben kommt (lacht)…, klar habe ich unzählige Lieder, die ich nochmals neu aufnehmen könnte. Mein Katalog würde dies problemlos zulassen (lacht). Wenn es aber niemanden interessiert, macht es keinen Sinn einen zweiten Teil heraus zu geben. Lasst es mich durch Eure Käufe wissen, ob Ihr diese Idee mögt. Wenn ja, folgt der zweite, dritte, vierte und vielleicht auch der fünfte Teil (grinst). Ich erinnere mich, wie Rod Stewart mit seinem Album «The American Songbook» ans Tageslicht trat. Dort hat er alle Standards nochmals aufgenommen, auf seine persönliche Art, und hierzu gab es auch diverse Teile. Also, wenn es die Leute wollen, werde ich sehr gerne weitere Teile von «The Duets Collection» folgen lassen (grinst).
"...Ich habe mit einigen der besten Gitarristen der Welt zusammen gespielt, und es waren einige der grössten Namen darunter..."
MF: Kommen wir nochmals zu «Complicated» zurück. Darauf ist Fabrizio Sgattoni zu hören, ein grossartiger Gitarrist…
Jeff: …das war die Idee von Alessandro. Beide sind sehr gute Freunde. Er wusste, dass Fabrizio ein sehr guter Gitarrist ist, aber nicht wie gut. Es muss 2019 gewesen sein, bevor wir mit dem Songwriting für «Wide Awake (In My Dreamland)» starteten. Alessandro sah Fabrizio bei einer Cover-Band spielen. Er war begeistert und wollte ihn in einem seiner Projekte unterbringen. Er suchte sich mich aus (grinst). Weil Alessandro der Meinung war, dass dieser Gitarrist unglaublich gut zu mir passt. Ich habe mit einigen der besten Gitarristen der Welt zusammen gespielt, und es waren einige der grössten Namen darunter. Als ich Fabrizio hörte, war es sehr aufregend, auch weil ihn zuvor noch niemand kannte. Es ist spannend, jemandem bei seinem Karriere-Start zu helfen, sprich dass er sich dadurch einen Namen in der Szene machen kann. Ich hoffe für Fabrizio, dass ich ihn unterstützen und auch zukünftig noch mehr machen kann.
MF: Du hast es gerade selbst angesprochen, dass du mit bedeutendsten Gitarristen zusammen gearbeitet hast. Wie kamst du damals zu Yngwie Malmsteen?
Jeff: Oh, da hatte ich verdammt viel Glück (lacht). Vieles im Entertainment und im Business hat damit zu tun, dass du zur rechten Zeit am rechten Ort die richtigen Leute triffst. Ich war ein grosser Fan von Yngwie, seit er bei Steeler und Alcatrazz spielte. Als ich die News las, dass Yngwie Alcatrazz verlassen hatte und sich nach einem neuen Sänger umschaute, schickt ich ihm ein Demo von mir. Das Einzige, das ich jemals produzierte. Damals war ich sechzehn Jahre jung (lacht). Zwei Jahre später sendete ich Yngwie diese Kassette. Wenig später rief er mich an, und der Rest ist Geschichte.
MF: Welche Erinnerung hast du an diese Zeit, zusammen mit dem schwedischen Gitarrengott?
Jeff: Das sind sehr aufregende Erinnerungen! Wie gesagt, ich war ein Fan von ihm. Er war ja gerade dabei, sein erstes Solo-Album zu produzieren. Plötzlich stand ich in diesem Studio in Los Angeles. Ich werde nie vergessen, was ich dachte, als ich ihn zum ersten Mal sah. Ich war überrascht und geschockt zugleich, als er mich anrief. Das Coole an der Geschichte ist, dass ich ihn traf und ich mir dies nie hätte erträumen können (lacht). Ein Teil seiner Band zu sein und der Geschichte von ihm, welche seine internationale Solo-Karriere startete. Ich bin noch immer sehr, sehr stolz darauf.
"...Diese Zeit gehört zu den besten meiner Karriere und in meinem Leben. Die Möglichkeit mit Axel zu arbeiten…, er ist einer meiner besten Freunde..."
MF: Später warst du bei Axel Rudi Pell, einer weiteren Legende an der Gitarre.
Jeff: Das war eine weitere "richtiger Ort, richtige Zeit" Situation. Ich erinnere mich, dass mich ein guter Freund anrief und sagte, dass er zusammen mit Rob Rock arbeite. Er erwähnte, dass Rob zusammen mit diesem deutschen Gitarristen ein Album aufnahm. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich nie etwas von Axel gehört. Rob (Rock – MF) konnte die Tour nicht bestreiten, und so kam mein Name ins Spiel. Axel rief mich an und fragte, ob ich interessiert sei. So begann alles (grinst). Axel schickte mir seine beiden ersten Scheiben «Nasty Reputation» und «Wild Obsession». Ich hörte mir die Songs an und war begeistert. Ab dieser «Metal Hammer Roadshow» Tour an war ich Mitglied bei Axel und auf einigen Alben zu hören. Diese Zeit gehört zu den besten meiner Karriere und in meinem Leben. Die Möglichkeit mit Axel zu arbeiten…, er ist einer meiner besten Freunde. Ich bin sehr glücklich, dass ich (lacht) und er ein Teil meiner Karriere sind, an die ich mich sehr gerne zurück erinnere. Damals konnte ich wirklich mit sehr talentierten und grossartigen Musikern eine gemeinsame Zeit verbringen.
MF: Wieso hast du dann Axel 1997 verlassen?
Jeff: Als ich 1991 bei Boogie Knights einstieg, war alles noch überschaubar. Axel war nicht lange auf Tour und Talisman gerade "ein bisschen" inaktiv. Nur knapp eineinhalb Monate auf Tour zu sein, war mir zu wenig. So kam es zu Boogie Knights. Diese Tribute-Geschichte mit den alten Disco-Tracks war Spass, und in der Truppe spielten gute Freunde von mir mit. Es hat unglaublichen Fun gemacht, diese Lieder zu spielen. Plötzlich wurde dies zu einem sehr grossen Erfolg, und ich hatte kaum noch Zeit für etwas anderes. Ich erinnere mich, dass ich bei der Produktion zum letzten Album (zusammen mit Axel) sehr erschöpft und müde war. Axel wollte auf Konzertreise gehen, und ich musste ihm beichten, dass ich keine Zeit mehr für ihn hatte. Das tat mir sehr leid. Es war jedoch das Natürlichste, dass er einen anderen Sänger suchen musste, auf den er sich verlassen konnte. So kam Johnny Gioeli zu ARP. Ich wurde nicht raus geschmissen, sondern es war ein Zeitproblem. Ich war zu beschäftigt mit Boogie Knights und verdiente gleichzeitig verdammt viel Geld. Es wäre bedeutend schwieriger gewesen Boogie Knights zu verlassen, um nur noch sechs Wochen auf Tour zu gehen (lacht).
MF: Bei welcher Band oder welchem Musiker hast du am meisten gelernt?
Jeff: Ich würde sagen, das war bei Talisman. Bei jeder Band und in jeder Situation war es eine Lektion fürs Leben. Aber Talisman…, bei vielen Situationen trat ich in etwas hinein, das für mich unverhofft kam. War dies bei Journey oder dem Trans-Siberian Orchestra, aber Talisman starteten als Projekt und wurden danach zu einer richtigen Band. Dabei involviert und auch ein Teil der Musik zu sein, waren ganz spezielle Momente. Diese ganzen Veränderungen im Sound…, wir hatten viele Dinge, die wir mit Talisman umsetzten, und dies mitzumachen, war ein unglaublicher Lernprozess für mich. Diese Möglichkeit hatte ich vorher mit keiner anderen Truppe.
"...Alles was schief läuft ist ein Prozess, bei dem du lernst und es das nächste Mal anders machst..."
MF: Gab es auch schmerzhafte Erfahrungen?
Jeff (lachend): Meinst du emotional oder verbunden mit einem Aufenthalt im Spital (lacht)? Klar gab es diese Emotionen, die mit Schmerzen zusammen hingen. Bist du ein Part einer Band oder des Musikgeschäfts, dann verbindet dich dies auch mit tiefgehenden Freundschaften. Sei es mit Frauen oder Männern. Es gibt so viele Situationen, die nicht kontrollierbar sind, du aus einer Band gefeuert wirst oder du schmeisst jemanden raus. Klar, da gab es sehr, sehr viele herzzerbrechende Situationen. Aber damit wächst man auf, man lernt jedes Mal aufs Neue, und das sind diese Lektionen, die dich weiter bringen oder ganz einfach zur nächsten Prüfung. Selbst, wenn du niemals den gleichen Fehler zweimal begehst. Alles was schief läuft ist ein Prozess, bei dem du lernst und es das nächste Mal anders machst.
MF: Hast du dich jemals als Rockstar gefühlt? Speziell in der Zeit, als du mit Yngwie unterwegs warst, in den goldenen Achtzigern?
Jeff: Natürlich gab es Momente, in denen du dich als Rockstar fühltest, wenn man die Bühne betrat. In Front von tausenden von Leuten zu stehen. Sie feiern und singen mit dir. Das ist das Ultimative, wenn du dich als Rockstar fühlst, wenn die Leute dich anhimmeln. Auch wenn viele Leute unterschiedliche Bedeutungen darin sehen, was ein Rockstar ist. Da geht es nicht nur ums Geld oder darum, dass dich alle kennen, wenn du auf der Strasse unterwegs bist. Ich fühlte mich als Rockstar, wenn ich auf der Bühne stand und die Leute total am Durchdrehen waren.
"...Ich werde nie vergessen, wie ich die Treppe zur Bühne hoch kam, auf die Stage ging und in 25'000 Leute blickte, die nur darauf warteten, den ersten Chorus eines Talisman Liedes mitzusingen..."
MF: Du hast immer wieder Talisman erwähnt. Plant ihr eine Reunion?
Jeff: Weisst du, einer der grössten Momente für mich war, als wir am "Sweden Rock Festival" (Reunion-Show 2014 – MF) auftraten. Dies war einer der emotionalsten Situationen in meinem Leben. Wir wurden gefragt, ob wir als zweite Band auf die Bühne steigen würden. Ich war nicht gerade begeistert davon, so früh aufzutreten. Doch es wurde noch davon getoppt, dass die Truppe die vor uns auftreten sollte, absagte. "Oh mein Gott, wir sollen um zwölf Uhr mittags auf die Bühne gehen, wenn noch niemand da sein wird! Wir würden auf dieser grossen Bühne stehen und vielleicht 2'000 Leute werden da sein? This is gonna suck! Die erste Band des kompletten Festivals. So verdammt früh, das wird so richtig scheisse, und meine Stimme wird auch so klingen!". Diese negativen Gefühle begleiteten mich die ganze Zeit. Ich werde nie vergessen, wie ich die Treppe zur Bühne hoch kam, auf die Stage ging und in 25'000 Leute blickte, die nur darauf warteten, den ersten Chorus eines Talisman Liedes mitzusingen (grinst zufrieden). Das war für mich der ultimative Rockstar Moment (grinst). Ich stand in Front von so vielen Leuten, die meine Lieder singen und mich sehen wollten.
Die Tracks, die ich zusammen mit Marcel und den anderen Jungs komponierte. Das war mein Moment, den ich niemals vergessen werde. Nochmals, eine Talisman Reunion…, es ist das Gleiche wie bei W.E.T. oder Sons Of Apollo. Das sind Projekte, die aus Bandmitgliedern bestehen, die einen Namen in der Szene haben. Neben all den anderen Truppen werden sie kaum die Zeit finden, aus einem Projekt eine richtige Combo zu formen. Weisst du Martin, wir haben Marcel vor rund zwölf Jahren verloren. Ich bin noch immer nicht überzeugt, dass es eine gute Idee wäre, mit Talisman weiterzufahren, ohne Marcel. In der ganzen Zeit gibt es nur ein Bandmitglied, welches die komplette Zeit bei Talisman war, und das ist Jamie Borger (aktuell Trommler bei Treat). Er war aber nicht ins Songwriting involviert. Was Talisman fehlt, ist ein Kreativposten der versteht, um was es bei dieser Band geht. Hätten wir einen weiteren Musiker bei Talisman, der von Beginn weg dabei war und auch beim Komponieren mitgeholfen hätte, glaub mir, ich würde die Truppe sofort reaktivieren. Aber! Marcel war die treibende Kraft hinter der Band.
Die Art wie er schrieb und wie er die Combo mit seinen Visionen immer wieder vorantrieb. Als wir ihn verloren…, ich bin mir nicht sicher, dass wir eine Person finden, die stark genug ist, uns zukünftig zu unterstützen. Klar, sag niemals nie (grinst), aber ohne diesen Musiker müssen wir nicht über einen Neustart diskutieren. Es war wirklich die schwierigste Zeit, als uns Marcel verliess. Nicht dass ich ihn verloren haben, sondern auf welche Art und Weise. Jemanden durch Suizid zu verlieren, ist eine Tragödie. Es waren plötzlich neue, unbekannte Gefühle und Emotionen in mir. Es war ein harter Prozess, als ich versuchte diese hinter mir zu lassen und zu verarbeiten. So viele Dinge kamen immer wieder hoch und "was wäre wenn?". Was wäre mit Talisman passiert, wenn Marcel noch immer unter uns weilen würde? Es sind und waren zu viele unbeantwortete Fragen, das war wirklich die schwierigste Zeit in meinem Leben, um durch diese Situation hindurch zu kommen..
MF: Kommen wir zum Schluss, was war für dich früher wichtig, und was ist es heute?
Jeff: Martin, das ist eine sehr gute Frage…, in meinen 37 Jahren, in welchen ich Musik mache, also fast vier Dekaden, in denen ich als professioneller Musiker singe…, klar, durch all diese Jahre hatte ich unterschiedliche Levels, bei denen gewisse Dinge wichtiger waren als andere. Zu Beginn wollte ich der Welt zeigen wer ich bin und wollte, dass mich diese Kugel wahr nimmt und hört. Dass mich die Leute akzeptieren, und auch wenn ich älter geworden bin, steckt dieses Gefühl immer noch in mir drin. Ich realisierte, dass dieser 57-jährige Rocksänger sich noch immer einem neuen Publikum erschliessen kann. Heute versuche ich, nicht mehr so viele neue wie unbekannte Wege zu gehen, sondern jeden Aspekt mit dem ich mich am besten fühle, auszuleben. Das geniesse ich am meisten und weiss, dass ich die Welt nicht mehr verändern kann, respektive ich mich dabei nicht verbiegen muss, sondern alles um mich herum auf eine besondere Art geniessen kann. Solange das Publikum dies auch mag und nicht sagt: "Schau mal, ich bin der Letzte, der dich noch sehen will, aber seit heute bin ich mit dir fertig!" (lacht).
MF: Jeff, es hat sehr viel Spass gemacht mit dir zu sprechen…
Jeff: …ich habe es sehr geschätzt mit dir zu sprechen und danke dir für das Gespräch. Hoffen wir, dass all die Diskussionen die wir aktuell führen, mich bald wieder in die Schweiz führen, denn dann sehen wir uns. Bis dahin, pass auf dich auf Martin!