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28. Februar 2025, Solothurn – Kofmehl
By Tinu
Es war eigentlich geplant, dass ich an diesem Tag nach Zürich pilgern wollte und mir meine Helden aus vergangenen Tagen anzuschauen. Nämlich Saxon und Girlschool (okay Heldinnen). Als sich aber die Kunde verbreitete, dass an diesem Tag auch Brainstorm in der Schweiz gastieren würden, war klar, dass ich mich schweren Herzens, aber dennoch logischerweise für meine Stuttgarter, respektive Heidenheimer Kollegschaft entschied. Im Kofmehl angekommen, war ich sehr überrascht, dass die drei Bands nicht auf der Hauptbühne, sondern im kleinen "Club" daneben, sprich der "Raumbar" auftreten sollten. Etwas, das nicht nur mich "verwirrte", sondern auch die Akteure des heutigen Abends, die damit in ihrer Bewegungsfreiheit massiv eingeschränkt wurden.
Dies hielt die drei Truppen aber nicht davon ab, so viel Performance wie möglich zu bieten, was speziell bei Brainstorm immer wieder zu kleinen "Konflikten" führte, wenn gerade Neu-Basser Jim Ramses den Laufweg des solierenden Gitarristen kreuzte. Auch wenn Saxon angeblich einen Jahrhundert-Gig spielten (oh ja, das taten sie mein Lieber! Rsl), haderte ich nie mit meiner Entscheidung (gut so! Rsl), denn alleine schon Brainstorm lieferten einen Gig ab, der bereits jetzt zu meinen Highlights des noch jungen Konzert-Jahres gehört! Dies, obschon sich Gitarrist Todde mit einem rebellischen Magen herumquälte und Sänger Andy obendrein noch gegen stimmliche Probleme ankämpfen musste.
Stranger Vision
Die Italiener versuchten Solothurn auf ihre Seite zu ziehen und dies nicht nur mit der Blind Guardian Cover-Version von «Bright Eyes». Die leichten, symphonische Klänge, beziehungsweise der vage Prog-Vergleich hin zu den "blinden Gardinen" hob den Vierer aus der Flut an Power Metal Bands heraus und die sehr sympathische Art des Quartetts liess keinen Zweifel darüber aufkommen, dass sie gewillt waren, um jeden Besucher zu kämpfen. Speziell die virtuose Spielart von Bassist Daniele Morini war ein Hingucker, aber auch das von Yngwie Malmsteen inspirierte Spiel von Gitarrist Ricardo Toni liess immer wieder aufhorchen. Mit dem zusammen mit Hansi Kürsch eingespielten Song «Wasted» und dem von Streichern eingeleiteten «Carpe Diem» hatten die Jungs Songs im Gepäck, welche die Erinnerungen an Stranger Vision nicht so schnell verbleichen lassen würden.
Arion
Genau gleich wie Brainstorm, veröffentlichten auch Arion ihre neue Scheibe am heutigen Tag. Dass die Finnen mit Sänger Lassi Vääränen ein Sahne-Schnittchen in den eigenen Reihen haben, liess speziell den hohen Anteil der weiblichen Fans zum Schmelzen bringen. Besonders zu dem Zeitpunkt, als der Shouter sich seiner Jacke entledigte und sein Netz-Hemd präsentierte, unter welchem sich ein gut durchtrainierter Körper abzeichnete. Der Fünfer machte Laune, und speziell Gitarrist Iivo Kaipainen und Keyboarder Arttu Vauhkonen liessen ihr Haar immer wieder im Takt der Musik kreisen. Das Kofmehl begann sich langsam zu füllen, was wahrscheinlich auch daran lag, dass der Abend bereits um 18:30 Uhr startete und sich wohl viele Besucher vorher davon nicht in Kenntnis gesetzt hatten. Die leicht symphonischen Parts ergänzten den Power Metal der Nordländer sehr gut, täuschten aber nicht darüber hinweg, dass mit zunehmender Spieldauer alles ein bisschen gleichförmig klang. Den Mädels wars offensichtlich egal, denn sie feierten die Jungs mit lauten Gekreische ab.
Setliste: «The End Of The Fall (Intro)» - «The Light That Burns» - «I'm Here To Save You» - «Punish You» - «I Don't Fear You» - «Wildfire» - «Bloodline» - «From An Empire To A Fall» - «The Light That Burns The Sky» - «You're My Melody» - «Wings Of Twilight» -- «Like The Phoenix I Will Rise» - «Unforgivable» - «At The Break Of Dawn»
Brainstorm
Dann stand der Headliner auf der Bühne und hinterliess, als vorgezogenes Fazit, einen hervorragenden Eindruck. Dies lag in erster Linie an Sympathikus Andy B. Franck, der einmal mehr keine Möglichkeit ausliess, seinem Schalk freien Lauf zu lassen und so ganz nebenbei (trotz Stimmproblemen) hervorragend shoutete. Die Jungs überliessen nichts dem Zufall und präsentierten sich, auch von den Bühnen-Klamotten her, als Einheit, mussten aber immer wieder feststellen, dass speziell Neu-Zugang Jim Ramses (ein Tier von einem Bassisten, der seine Saiten mit den Fingern malträtierte und einen Körper wie ein ägyptischer Gott hat) und Milan Loncaric sich immer wieder ins Gehege kamen. Die Platzverhältnisse waren tatsächlich sehr, sehr knapp bemessen, und da Brainstorm nun mal eine Truppe sind, welche nicht nur dasteht, grenzte es an ein Wunder, dass die herumwirbelnden Gitarren-Hälse keine Verletzungen verursachten.
"Schönen guten Abend Solothurn. Ich habe festgestellt, dass wir hier noch nie gespielt haben und es nun an der Zeit ist, dies zu tun!", begrüsste Andy das Publikum. "Und dass es dann auch gleich zur ersten Release-Party ausserhalb von Deutschland gereicht hat! Ja, wir feiern mit Euch die Veröffentlichung unseres vierzehnten Studio-Albums. Genau deswegen spielen wir jetzt auch eine alte Nummer", gab der Sänger mit einem breiten Grinsen, dicht gefolgt von einem Lacher, zu Protokoll. "Eure Hände jetzt" war das Kommando zum Mitklatschen. Eine Aufforderung, welche dem nun gerappelt vollen Laden nur zu gerne Folge geleistet wurde. "Es ist jedes Mal der Kracher, wenn wir in der Schweiz spielen. Meistens in der Nähe von Basel, aber dieses Mal hier in Solothurn und das ist absolut geil!" Ein Statement, das die Besucher mit lauten Gesang bei der Hymne «All Those Words» unterstrichen. Je länger der Gig dauerte, desto steiler gingen die Fans mit.
"Man hört es meiner Stimme an, dass sie noch immer angeschlagen ist. Aber ich hab' ja euch", bedankte sich Mister Franck beim Publikum, was Selbiges noch mehr anspornte, laut mitzusingen oder auch zu johlen. "Jetzt spielen wir was Neues (die Fans applaudierten). Ihr wisst doch noch gar nicht was kommt (Andy grinsend), aber ihr habt Lust darauf?" Vom neuen Werk «Plagues Of Rats», die Tour wurde sinnesgemäss "Rats On The Road" getauft, spielten die Jungs vier Tracks. Das sensationelle und indisch angehauchte «The Shepherd Girl», das nach dem grandiosen «Shiva's Tears» gespielt wurde (Todde mit einem sensationellen Solo!), das nicht minder schlechtere «Garuda» (was für eine Killer-Nummer!), «Beyond Enemys Lines» sowie der kommende Hit «Crawling» zimmerten nicht nur mir ein fettes Grinsen auf die Lippen. "Das waren vier Songs des neuen Albums. Gefallen die, dann spielen wir sie das nächste Mal wieder. Da kennen wir gar nix!" liess Andy die Besucher mit seinem Schalk wissen.
Dass die Jungs wieder zu ihren indischen Vibes zurückgekehrt sind, liessen nicht nur die Songs erahnen, sondern auch die Bühnen-Dekoration, welche sich im Kleid des neuen Album-Covers präsentierte. Daneben waren es die alten Hits wie «Devil's Eyes», «Worlds Are Comin' Through» oder «Highs Without Lows» und drei Tracks aus dem Vorgänger-Werk «Wall Of Skulls», welche den Stimmungs-Pegel noch mehr anhoben. Musikalisch boten die Deutschen einmal mehr Abwechslung somit ein metallenes Gourmet-Menü, welches jeden Metaller zu Freudentränen rührte. Eine Band, welche auf diesem hohen Level musiziert, hat einen grösseren Erfolg mehr als nur verdient.
Es war eine sehr grosse Freude, der Truppe zuzuhören und zuzusehen. Neben dem grandiosen Handwerk (Dieter ist und bleibt in meinem Augen einer der besten Drummer!), den filigranen Solos (Todde und Milan sei Dank) und den grandiosen wie spassigen Ansagen hatten Brainstorm die Anwesenden von der ersten Sekunde auf ihrer Seite. Die Jungs hätten definitiv mehr Zuschauer verdient, denn welche Combo bringt es heute noch fertig, mit dermassen viel Spass in den Backen zu überzeugen, Hit an Hit zu spielen (dabei ganz viele nicht im Set zu haben!) und das Publikum locker auf ihre Seite zu ziehen? Es war definitiv die richtige Entscheidung, den Deutschen den Vorzug gegenüber Saxon zu geben, und ich wünsche Brainstorm, dass sie das nächste Mal klar mehr Besucher ziehen, von denen sich garantiert keiner unglücklich auf den Nachhauseweg machen wird. "Wir sind Brainstorm, und wir werden uns bestimmt wieder sehen." Was für ein schönes Versprechen!
Setliste: «Intro» - «Worlds Are Comin' Through» - «Devil's Eye» - «Shiva's Tears» - «The Shepherd Girls» - «Highs Without Lows» - «Turn Off The Light» - «All Those Words» - «Glory Disappears» - «Garuda» - «Intro / Where Ravens Fly» - «Beyond Enemy Lines» - «Crawling» - «Ravenous Minds»