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21. Februar 2025, Langenthal – Old Capitol
By Tinu
Die Messlatte lag verdammt hoch, denn seine ehemaligen Band-Kumpels von Queensrÿche hatten vor gerade mal drei Tagen mit einem fulminanten Gig in Zürich massiv vorgelegt. Dass Geoff der Ur-Sänger von Queensrÿche ist, lässt erahnen, dass seine Stimme noch immer bestens zu diesen Tracks passt, täuschte aber nicht darüber hinweg, dass seine Begleit-Band nicht immer über jeden Zweifel erhaben war. Dazu aber später mehr.
Im ehemaligen Kino von Langenthal geben sich schon seit einigen Jahren namhafte Künstler die Klinke in die Hand. So überraschte es nicht, dass der in Stuttgart geborene, mittlerweile 66 Jahre "junge Sänger" auch einmal im Old Capitol gastieren würde. Mit seiner "Big Rock Show", bei der er nur Songs von Queensrÿche spielte, war der nach wie vor umtriebige Sänger am Start und beehrte das helvetische Publikum. Als Anheizer fungierte derweil eine vierköpfige Progressive Metal Combo aus Bologna.
Inner Vitriol
Die Italiener beschreiben sich selbst als Dark Prog Metal Band, und in der Tat wiesen viele Elemente ihres Sounds einen Querverweis hin zu Dream Theater auf. Was früher an der Tagesordnung war, sprich dass der Support den Headliner an die Wand spielte (wie damals fast, als Lynch Mob für Queensrÿche eröffneten), passierte an diesem Freitagabend definitiv nicht. Dazu war das Material der Jungs zu sperrig und liess kaum die Möglichkeit zu, in die Tracks einzutauchen. Sänger Gabriele Gozzi war sichtlich bemüht, die Anwesenden auf seine Seite zu ziehen, aber die Fans warteten nur auf Mister Tate.
Auch wenn Inner Vitriol einen ordentlichen Anstands-Applaus für sich verbuchen konnten, so hatten sie letztendlich einen mehr als nur schweren Stand. Dies änderte sich auch nicht, als Gitarrist Michele Di Lauro versuchte, das Publikum zu animieren. Hätten die Herren bei einer Truppe wie dem Traum Theater den Support absolviert, wäre die Klientel im Grundsatz schon besser auf die Stiefel-Insulaner eingestellt gewesen. So fehlte es leider an allen Ecken und Enden an Melodien, an denen sich die Besucher hätten festhalten können. Trotz allem wurde der sympathische Vierer mit Gejohle und Beifall verabschiedet.
Geoff Tate
Nun stand die Bühne für den in Washington aufgewachsenen Geoff bereit. Doch bevor der nach wie vor stimmgewaltige Shouter die Bühne betrat, wurde es bedenklich eng auf der Stage. Ein Brasilianer, ein Schotte, ein Franzose, ein Italiener, ein Irländer und ein Ami bestiegen die Bretter und starteten mit dem Opener «Empire». Aus drei Gitarristen, einem Bassisten, einem Keyboarder und einem Schlagzeuger bestand die Band von Mister Tate. Alles in der Tat gute Musikern, die aber wie ein völlig zusammengewürfelter Haufen agierten. Ja, Schlagzeuger Daniel spielte hervorragend, legte eine coole Stick-Show hin und hätte mit seiner Art auch locker bei Poison oder Helene Fischer spielen können, während Keyboarder Bruno mit seinen glitzernden Lackschuhen wie ein Börsenmakler aussah. So richtig authentisch schien mir das Ganze allerdings nicht zu sein, wenn ich den direkten Vergleich mit seiner Ex-Band vor ein paar Tagen ziehe. Stimmlich befindet sich Geoff noch immer locker auf der Höhe.
Man kann seine Musical-affine Performance mögen oder nicht und sie zu theatralisch finden. Die ist aber nicht neu, den dieser liess der Ami schon bei Queensrÿche freien Lauf. Seine sehr natürliche und sympathische Art ist nach wie vor das grosse Plus des Sängers. Mister Tate liess uns wissen, dass er "last year I was just eleven days at home, in my own bed. Because my home is here with you!" Tate applaudierte immer wieder dem Publikum, erinnerte die Besucher daran, dass mit «Silent Lucidity» eine Menge "children was born to this song" oder verteilte Handküsschen. Star-Allüren kennt der Weinbauer definitiv nicht. Solche Dinge passen auch nicht zu ihm. Eher das Saxophon, welches er bei «The Thin Line» spielte. Geoff genoss den Applaus des Publikums, schien sich förmlich darin zu baden und liess sich nach «I Don't Believe In Love» feiern. Das Spielen mit den Fans beherrscht der Sänger perfekt. Dabei frassen die Anwesenden Geoff speziell bei den Songs vom «Empire» und «Operation: Mindcrime» Album förmlich aus den Händen.
Vergleicht man die Tracks «Walk In The Shadows», «NM 156» (ging im Old Capitol ziemlich in die Hosen) und «Take Hold Of The Flame» mit dem Auftritt seiner Ex-Kumpels, so muss ich gestehen, dass diese klar eine bessere, mitreissendere und authentischere Vorstellung ablieferten. Bei Queensrÿche stehen Musiker auf der Bühne, die am gleichen Strick ziehen und das Ganze nicht nur auf eine Person fokussieren. Auch wenn Mister Tate sich immer wieder bei seinen Musikern bedankte, ihnen den Vortritt bei den solistischen Ausflügen gewährte und diese mit ballettartigen Gruppen-Moves auf sich aufmerksam machten, schreien die Songs nach einer Einheit. Nochmals, diese Musiker sind alles Top-Leute, jeder für sich, aber nach diesem grandiosen Auftritt von Queensrÿche reichten das Charisma und die gesangliche Leistung von Geoff allein nicht aus, um besser dazustehen als seine Ex-Band. Mit "I am a technical junkie" und "here we are the first time" nahm Geoff immer wieder die Kommunikation mit dem Publikum auf.
Bei der ersten Zugabe mit dem Pink Floyd Cover «Welcome To The Machine» konnten sich die Instrumentalisten beweisen, und mit dem Rausschmeisser «Queen Of The Reich» beendete das Sextett den Abend. Just mit diesem Track eröffneten Queensrÿche ihren Gig vor ein paar Tagen und legten sich die Latte gleich selbst verdammt hoch. Trotz der gesanglichen Meisterleistung von Geoff, die Gitarren-Arbeit von Queensrÿche suchte ihresgleichen. Da konnte die Begleitband von Geoff Tate (leider) nur das Nachsehen haben. Mit Tanz-Einlagen und dem Earth, Wind & Fire Song «Shining Star» (ab Tape) verabschiedete sich Geoff und seine Band vom laut klatschenden Publikum. Der Sänger zerstreute jeden Zweifel, dass er heute Abend nicht hätte begeistern können, und Langenthal liess sich förmlich mitreissen. Unter dem Strich zogen er und seine Mannschaft für mich aber klar den Kürzeren im Vergleich zu seiner Ex-Band.
Setliste: «Empire» - «Desert Dance» - «I Am I» - «Sacred Ground» - «The Thin Line» - «Operation: Mindcrime» - «Breaking The Silence» - «I Don't Believe In Love» - «NM 156» - «Scream In Digital» - «Walk In The Shadows» - «Another Rainy Night (Without You)» - «Jet City Woman» - «Silent Lucidity» -- «Welcome To The Machine (Pink Floyd Cover)» - «Take Hold Of The Flame» - «Queen Of The Reich» - «Outro - Shining Star (Earth, Wind & Fire Song)»