Swiss Hard Rock and Heavy Metal Magazine since 1999
You can reach us via email or phone.
+41 (0) 79 638-1021
27. Oktober 2024, Pratteln - Z7
By Tinu
Hält man sich vor Augen, dass Frontmann Ronnie Atkins an Lungenkrebs im vierten Stadium leidet, der als nicht mehr heilbar gilt, dann war die Leistung des Pretty Maids Sängers an diesem Abend weitaus mehr als nur eine sensationelle Darbietung. Was Ronnie an diesem Abend im Z7 vollbrachte, war eine grandiose Performance. Selten stand der 60-jährige still und sang trotzdem wie zu seinen besten Zeiten. Wie weit er dabei an seine Grenzen ging, bleibt sein Geheimnis, aber die zahlreich erschienenen Fans dankten es ihm mit tosendem Applaus. Blickt man zurück auf den 07. April 1995, als Pretty Maids damals zum ersten Mal auf der "Scream Tour" im Z7 gastierten, waren seinerzeit im Vergleich vielleicht knapp ein Zehntel der Leute anwesend.
Dan Reed
Den heutigen Support-Act Dan Reed erlebte ich einst als Opener-Band von Bon Jovi im Hallenstadion (22. Dezember 1989). Dem damaligen Shooting Star, der seine Truppe unter dem Banner "Dan Reed Network" am Start hatte, wurde eine glorreiche Zukunft vorausgesagt, hinkte dieser Weissagung aber hinterher, und so stand Dan an diesem Abend "nur noch" als Solo-Künstler auf der grossen Bühne des Z7. Ganz alleine und bloss mit einer akustischen Gitarre bewaffnet, bot er aber ein mehr als nur respektables Bild. Gesanglich nach wie vor mit einer sehr guten Stimme ausgestattet, nutzte er die Gelegenheit, das zuerst eher verhalten wirkende Publikum zu unterhalten. Der sich langsam füllende Konzert-Tempel (der Gig begann bereits um 19:00 Uhr), liess sich, je länger die Darbietung von Dan dauerte, auf eine Reise mitnehmen, bei dem der Künstler mit seinen Emotionen nicht zurückhielt. Zudem wurde zu Ehren von Ronnie James Dio eine akustische Version von «Holy Diver» geboten, die sich mehr als nur sehen und hören lassen konnte. Den Applaus am Schluss seines Auftritts hatte sich Mister Reed auf jeden Fall redlich verdient.
Pretty Maids
Was für die einen ein Familienfest an diesem Sonntagabend war, an dem sie viele Bekannte nach langer Zeit wieder sahen, war dieser Auftritt für mich eine Zeitreise mit einer Band, die ich 1983 für mich entdeckte. Spielten die Jungs um Ronnie und Gitarrist Ken Hammer Lieder des berühmtesten Werkes «Future World», sah ich mich Pretty Maids im Sommer 1987 (am 29. August) auf dem Messegelände in Nürnberg, morgens um 11:00 Uhr mit 59'999 anderen begeisterten Maniacs abfeiern. Was war das damals für ein Weckruf! Oder wenn knapp vier Jahrzehnte später die Dänen im Z7 die Kracher von meinem Lieblings-Album «Red, Hot And Heavy» spielten, sich in meinen Augen Pippi bildete und ich allen Rock'n' Roll Göttern dankte, dass ich nochmals «Queen Of Dreams» hören durfte. Die Band spielte zwei Tage zuvor am "Turock Festival" das komplette «Red, Hot And Heavy» Werk, was den Fans im Z7 leider verwehrt blieb!
Ein Jammern auf hohen Level, denn für die meisten Anwesenden spielten Ronnie, Ken, Bassist René Shades (sprang bei «Future World» in den Fotograben), Drummer Allan Tschicaja (schlug einmal mehr sein Arbeitsgerät in tausend Einzelteile) und Keyboarder/Gitarrist Chris Laney eine Jahrhundert-Setliste, die keine Wünsche offen und neben den grossen Klassikern auch neueres Material wie «Kingmaker», «Serpentine», «Will You Still Kiss Me (If I See You In Heaven)» und «Mother Of All Lies» zu den Höhepunkten des Abends werden liess. Dabei war Ronnie stets der Antreiber, der sich immer wieder beim Publikum bedankte, wenn er nicht gerade seine legendären Screams vom Stapel liess. "Have we a party on this Sunday night?" Ja, es war eine grosse, wenn vielleicht auch die Abschieds-Party einer Truppe, die sich den Erfolg über all die Jahre hart erkämpft hatte und an diesem Abend zu Recht von der Masse auf Händen getragen wurde.
Die Stimmung zwischen den Songs, das Applaudieren und das Mitsingen…, so etwas gab es selten im Z7, dass selbst Mister Atkins mit den folgenden Worte verdankte: "The most pleasant Sunday in a long time for us!” Es war heiss im Z7, da die Stimmung am Kochen war. "Do you feel the heat?", wollte der Shouter wissen und liess sich ein weiteres Mal von den Besuchern feiern. Er war an diesem Abend der unumstrittene Zeremonien-Meister der genau wusste, wie er sein Publikum anzufeuern hatte. Der ruhige Start zu «Yellow Rain» belegte dies auf eindrückliche Art und Weise, wie auch das unbekümmerte Mitsingen der Fans bei «Walk Away». "You see we can't give it up, it's not too late, you need a little love, don't hesitate. I swear I'll give it all I've got, to make you stay, so don't you walk away" entwich jeder Kehle und liess selbst die sich bis anhin eher ruhig verhaltenden Ladys ihre Körper im Rhythmus bewegen und lauthals mitsingen.
Das wiederholte sich immer wieder, wie auch bei der John Sykes Cover-Version von «Please Don't Leave Me», das Ronnie mit einem gerührten "you're fantastic!" verdankte. An diesem Abend und in diesen 95 Minuten gab es nichts, was zwischen der Band und den Fans stand. Beide Parteien verbanden sich zu einer innigen Einheit und feierten die Hard Rock und Metal Klassiker, als gäbe es kein Morgen mehr. Mit "I love you! Ich liebe dich" (in perfektem Deutsch!) bedankte sich Ronnie nach dem frenetisch gefeierten «I.N.V.U.». Nach meinem bereits erwähnten Höhepunkt mit «Queen Of Dreams» folgte noch der Zugabe- Block, wie er kaum besser hätte sein können. Da die Speed-Hymne «Back To Back» (wurde einst von HammerFall gecovert), bei der Ronnie dem Publikum Küsschen verteilte und der Abrissbolzen «Red, Hot And Heavy» bereits früh im Set gespielt wurden, oblag das grosse Finale dem Signature-Track schlechthin, den Abend fast zu beenden.
Das aus den Boxen donnernde Gewitter kündete dabei natürlich die Ankunft von «Future World» an. Diesen zeitlosen Klassiker kennt jedermann wie -frau und hat schon so manchen Nackenmuskel zum Brennen gebracht. Der Rausschmeisser war schliesslich das eher poppige «Love Games», welches aber einmal mehr mit der sensationellen und mitreissenden Keyboard-Melodie die letzten Reserven der Fans mobilisierte. Wenn es am schönsten ist, soll bekanntlich jeweils Schluss sein, und so verabschiedete sich das Quintett mit einem siegesgewissen Lächeln im Gesicht und breiten Schultern von ihren begeisterten Fans. An diesem Abend schrieben die Dänen Musikgeschichte! Eine denkwürdige Episode, von der man noch lange sprechen wird, gerne seinen Enkeln beim Einschlafen davon erzählt, sich ergriffen eine Träne aus den Augen wischt sowie mit sanfter Stimme dazu anfügt: "ich war da auch dabei!"
Setliste: «Mother Of All Lies - Intro» - «Mother Of All Lies» - «Kingmaker» - «Fortuna / Back To Back» - «Red, Hot And Heavy» - «Will You Still Kiss Me (If I See You In Heaven)» - «Serpentine» - «Yellow Rain» - «Nightmare In The Neighborhood» - «Walk Away» - «Pandemonium» - «I.N.V.U.» - «Little Droops In Heaven» - «Please Don't Leave Me (John Sykes Cover)» - «Rodeo» - «Queen Of Dreams» -- «Future World» - «Love Games»