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10. Oktober 2024, Pratteln - Z7
By Rockslave
Die diesjährige "Through Time Tour 2024" der britischen Prog-Götter Threshold stand, neben dem Vinyl-LP Re-Release einiger ihrer älteren Alben in schönem, farbigem Vinyl ganz im Zeichen davon, dass von jedem veröffentlichten Studio-Album mindestens ein Song die Setliste zieren soll! Das hiess also per se, dass die Qual der Wahl bestand, dies aus den insgesamt zwölf Studio-Alben zu bewerkstelligen und bedeutete letztlich, dass Frontmann Glynn Morgan als einer der drei Original-Sänger sich auch Material von Andrew "Mac" McDermott (R.I.P.) und Damian Wilson draufpacken musste. So war es zumindest geplant, aber es kam anders. Da Glynn vor der Tour an einer Kehlkopf-Erkrankung litt, dessen Heilung entsprechend Zeit braucht, entschied man Alessio Garavello (A New Tomorrow, Ex-Power Quest) als Ersatz zu verpflichten. Sowas kann ins Auge gehen, aber die heikle Mission ging erfreulicherweise auf, und wie! Als Support wurden die Landskollegen von Grace And Fire sowie Godsnake aus Hamburg verpflichtet.
Grace And Fire
Die Truppe, die mitunter aus der Asche von Shadow Of Acolyte (2008 bis 2019) entstand, wurde noch im selben Jahr gegründet und vereint Progressive Rock und Metal in einem melodischen, zugänglichen Format. Zumindest steht es so auf ihrer offiziellen Homepage. Angesprochen sind dabei vorab André Saint (Vocals) und Aaron Gidney (Guitars). Ergänzt wurde die Band durch Joshua Gidney (Keyboards), Graham Brown (Drums) und Tim Ashton (Bass). Letzterer wurde von Threshold Mainman Karl Groom vorgeschlagen und eingebracht. Das Debüt-Album «Elysium» erschien 2021 und nächstes Jahr wird der Nachfolger eingetütet. Da Grace And Fire bisher vor allem in der Heimat unterwegs waren, kannte man sie hierzulande nicht, und darum erstaunte es nicht, dass heute Abend der erste Auftritt in der Schweiz überhaupt stattfand. Wenn dann sowas noch im Z7 stattfinden kann, umso besser!
Der Opener ««Into The Cosmos» war bereits ein neuer Song, sprich der nicht auf dem Erstling zu finden ist und mit auffällig bratzenden Gitarren gleich für ordentlich Schub sorgte. Der nachfolgende Titeltrack des ersten Albums schöpfte dann gleich aus dem Vollen, heisst wandelte deutlich auf den Spuren des Headliners und hinterliess sogleich einen guten Eindruck. Dieser ging vor allem auf das Konto von Frontmann André, der über eine klare und hell klingende Stimme verfügt, die hier bestens passt. Nebst dem kernigen Riffing setzte auch Tastenmann Joshua für entsprechende Akzente, was vom Publikum mit anerkennendem Applaus bedacht wurde. «A Warrior's Tale» unterstrich das Können von Grace And Fire ebenso, und hinten raus fehlte es nur etwas an Durchschlagskraft der Performance, was den möglichen Anreiz zum Kauf der CD schmälerte.
Setliste: «Into The Cosmos» - «Elysium» - «Chains Of Sanity» - «A Warrior's Tale» - «Paradise Lost» - «Eyes Of The Seer»
Godsnake
Proggies können mitunter ziemlich nerdig drauf sein und goutieren breitere, stilistische Ausflüge in ihrem teils eng definierten Universum nicht immer mit Wohlwollen. Somit hätte es mit Godsnake als zweitem Act aus der Ecke Melodic Thrash Metal durchaus in die Hose gehen können, doch die Deutschen aus dem hohen Norden hatten das Momentum offensichtlich auf ihrer Seite. Mir war die Truppe, die 2014 mit «Hellbound Ride» ihre erste EP am Start hatte, zuvor nicht bekannt. Das full-lenght Debüt «Poison Thorn» kam im Herbst 2020 über Massacre Records heraus und ging dann in der Folge bezüglich der Wahrnehmung wohl etwas unter. Der Nachfolger «Eye For An Eye» wurde letztes Jahr in die Umlaufbahn geschossen und findet sich mit ordentlicher, aber nicht euphorischer Bewertung auch in unserem Archiv. Wenn harte Sounds einen modernen und zugleich melodischen Anstrich verpasst kriegen, ist das Zielpublikum grundsätzlich jünger.
Schaute man sich bei den paar anwesenden Hundertschaften um, traf das, mit einigen Ausnahmen, nicht wirklich zu. Das nahmen wohl auch Torger (v), Stevo (g), Pepe Pierez (g), Walt (b) sowie Sydney (d) gleich zu Beginn wahr und gingen dennoch keine Kompromisse ein. Das offenbarte bereits der groovige Opener «The Sickening», der, angereichert durch etwas Synthie-Sound ab Band, überraschend gut ankam. Keine Gefangenen machte auch der nachfolgende Track «Apocalypse For Free» nicht, der etwas nach Volbeat, aber mit viel geileren Vocals, klang. Der kräftige und nicht überambitionerte Gesang von Torger machte dabei klar den Unterschied aus. Dazu, wie bei «Poison Thorn» oder «Blood Brotherhood», waren ein paar Vibes der aktuellen wie eher älteren Metallica nicht von der Hand zu weisen. Je länger der Auftritt dauerte, desto mehr schälte sich heraus, dass die Wahl dieser Combo tatsächlich als bereichernd bezeichnet werden konnte.
Setliste: «The Sickening» - «Apocalypse For Free» - «Poison Thorn» - «Blood Brotherhood» - «Urge To Kill» - «Stone Dead Pony» - «Stone the Crow»
Threshold
Hätten meine Wenigkeit und weitere Fans dennoch Lust darauf gehabt, sich eine CD von Grace And Fire oder was anderes, nämlich die im Vorfeld der Tour angekündigte, neue Live-CD «Concert In London» (Astoria 2, 1999) des Headliners zu krallen, wäre das heute Abend in Pratteln gar nicht möglich gewesen! Grund waren einmal mehr die sich auch bei anderen Bands signifikant häufenden Probleme mit dem Zoll bezüglich der Einfuhr von Waren, im Speziellen der Merchandise. So entstand für beide Lager eine überaus enttäuschende Situation, zumal vorab verkündet wurde, dass es die Live-CD nur auf der laufenden Tour zu kaufen gibt. Doch im Wissen darum, dass ein Kollege tags darauf in Aschaffenburg sein wird, führte zu einer Mission für das Beschaffen von vier Exemplaren, was dann glücklicherweise auch geklappt hatte. Trotzdem ist sowas in heutigen Zeiten einfach ein echtes Ärgernis und zwar für die Fans wie die Band zugleich.
Und nun waren alle gespannt, was bevorstand, denn neben der speziellen Setliste waren alle Augen auf den "armen" Alessio Garavello gerichtet. So oder so würde es einen in dieser Konstellation einmaligen Auftritt absetzen. Die Frage war jetzt nur, ob der Ersatz der gewichtigen Aufgabe gewachsen war. Um gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen..., ja..., er war es..., und letztlich schlicht grandios! Doch schön der Reihe nach. Im Zentrum stand, wie bereits erwähnt, die Setliste, die somit Songs zwischen 1993 («Wounded Land») und 2022 («Dividing Lines») abdeckte. Der Einstieg mit «Slipstream» bedeutete für Garavello gleich einen Sprung in die Glanzzeiten der Ära mit McDermott. Doch schon nach wenigen Takten und Licks war klar, dass es am heutigen Abend zu einer unvergesslichen Reise zu und mit Threshold gereichen wird. Der stark unter Beobachtung stehende Ersatzmann liess sich nicht lumpen und liefert ganz stark ab!
Bald einmal schälte sich heraus, dass Alessio einen perfekten Hybrid aus Andrew und Damian auf der Bühne regelrecht zelebrierte. Man mag und kann durchaus etwas Mühe mit Glynn als Sänger haben, aber erstens macht er seine Sache mittlerweile richtig gut und andererseits musste man den heutigen Abend im Wissen um die Einmaligkeit nichts als geniessen. Zum Gelingen des Ganzen trugen natürlich alle Musiker ihren Anteil bei, und lediglich die Nerds "zerzausten" die Setliste je nach persönlichen Präferenzen. Für mich passte es ganz gut, obwohl die Liste der Vakanzen trotzdem nicht ohne war. Soundmässig war auch alles weitestgehend im grünen Bereich, ausser dass mir seit dem Ausscheiden von Nick Midson (1988 bis 2006) und Pete Morten (2007 bis 2017) die Power des Gitarren-Sounds im Rhythmus-Bereich zumindest teilweise schwächelt. Sonst gab es nichts zu bemängeln, und die Leistung von Alessio war schlicht grandios!
Setliste: «Slipstream» - «Devoted» - «Virtual Isolation» - «Freaks» - «The Mystery Show» - «Falling Away» - «Mother Earth» - «The Man Who Saw Through Time» - «Ashes» - «The Ravages of Time» - «Silenced» - «Mission Profile» -- «Snowblind» - «Small Dark Lines»