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Nachdem ich mit Bachs Oratorien aufgewachsen bin, ist es sowohl aufregend als auch lohnend, ein, respektive das «Requiem» von LAUDARE aus Leipzig zu entdecken, sprich ein modernes Meisterwerk, das eine ähnlich intensive Erkundung von Leben, Tod und menschlicher Erfahrung bietet, aber durch eine einzigartige Fusion von extremem Metal und klassischer Kammermusik.
Das neue Werk von Laudare ist ein eindrucksvolles Beispiel für experimentelle Musik, die Genres miteinander verbindet, die normalerweise als Gegensätze gelten: extremer Metal und klassische Kammermusik. Die Mischung aus schwerem, von Black Metal inspiriertem harschen Gesang, Post Metal und komplizierten Streicher-Arrangements, gepaart mit der düsteren und kontemplativen Stimmung von gregorianischen Gesängen und klassischem Klavier, ergibt ein herausforderndes, aber fesselndes Hörerlebnis. «Requiem» verkörpert einen kreativen Trotz und einen avantgardistischen Geist, der bei Hörern, die offen für unkonventionelle musikalische Fusionen sind, Anklang finden wird.
Im Kern sprechen wir von einem Meisterwerk der musikalischen Gegenüberstellung, bei dem die aggressiven, zerklüfteten Kanten von Black Metal und Post Hardcore auf die zarte Schönheit von klassischen Streichern und Chorstimmen treffen. Diese komplexe Mischung ist nichts für schwache Nerven, aber wer auf experimentellen Metal und progressive klassische Kompositionen steht, wird in ihr eine Fülle von Reichtümern finden. Die Verschmelzung von hartem Gesang und ruhigen klassischen Elementen schafft eine emotional-intensive Atmosphäre, die sowohl die Verzweiflung des Verlustes als auch die Schönheit der Reflexion hervorruft.
Ähnlich wie das bahnbrechende Werk Bachs in der Oratorio-Tradition, konstruiert «Requiem» eine ausgefeilte emotionale Landschaft, allerdings mit einer modernen, extremen Wendung. Bachs Oratorien - wie das «Weihnachtsoratorium» oder die «Matthäus-Passion» - vereinen grosse Chöre, eine komplizierte Orchestrierung und tiefgründige religiöse Themen, um Geschichten über Glauben, Opfer und Erlösung zu erzählen. In ähnlicher Weise nutzen Laudare die Kraft der Musik, um Themen wie Existenzkampf, Sterblichkeit und Ängste auszudrücken, allerdings mit einer aggressiveren, moderneren Klangpalette. Sowohl Bachs Werke als auch «Requiem» rufen tiefe emotionale Reaktionen hervor, aber Bachs methodischer und barocker Stil steht im Gegensatz zu Laudares chaotischer, intensiver und unvorhersehbarer Herangehensweise an die Verbindung von Heavy Metal und klassischer Musik.
Das Album beginnt mit dem Stück «Introitus», das mit einem düsteren Klavier und sanftem Chorgesang beginnt, bevor es in eine schwerere Post Metal Komposition übergeht. Dieses Stück ist ein Beispiel für die dynamische Bandbreite des Albums und seine Fähigkeit, klassische und metallische Elemente nahtlos miteinander zu verweben. Die Chor-Arrangements werden vom Unichor Leipzig beigesteuert, dessen feierliche Stimmen dem Stück eine sakrale Qualität verleihen. Im weiteren Verlauf der Musik ändert sich die Stimmung jedoch, und harte Metal-Riffs und gequälte Schreie überlagern die Ruhe. Dieser Übergang spiegelt die thematischen Veränderungen in Bachs Oratorien wider, in denen Momente der Ruhe oft durch die Intensität göttlicher Intervention oder menschlichen Aufruhrs unterbrochen werden.
Mit «Dies Irae» taucht man in die rauen, gewalttätigen Gefilde des Extreme Metal ein. Blastbeats und wilde Gitarren-Riffs dominieren den Song, doch das Cello - gespielt von Almut, einer der Sängerinnen der Band - fügt eine Schicht von Melancholie und Schönheit hinzu. Die schwermütigen Töne des Cellos weben sich durch die chaotischen Passagen des Songs und schaffen einen auffallenden Kontrast zwischen der Wildheit des Metals und der Eleganz der klassischen Instrumentierung. Bachs Oratorien balancieren kontrastierende Elemente oft auf ähnliche Weise aus, wobei die Erhabenheit von Chor und Orchester manchmal intimen, persönlichen Momenten der Reflexion weicht. In «Requiem» dient das Cello als nachdenkliche Stimme inmitten der aggressiven Ausbrüche des Metals, ähnlich wie Bach das Orchester nutzte, um Momente der Introspektion in seinen Oratorien zu beleuchten.
Tracks wie «Offertorium» und «Quid Sum Miser» zeigen Laudares Fähigkeit, Metal und klassische Einflüsse mit einer Komplexität und Tiefe zu kombinieren, was an Bachs vielschichtige Kompositionen erinnert. «Offertorium» entfaltet sich mit grüblerischen Cello-Parts und beschwingten Gitarren-Riffs und erzeugt eine dynamische Spannung, die das Stück vorantreibt. Die klagenden Melodien des Cellos fungieren als Kontrapunkt zur schweren Gitarren-Arbeit und fügen eine Schicht Melancholie hinzu, die die emotionale Kraft der Musik noch verstärkt. Dieses Stück ist ein Paradebeispiel für Laudares Talent, scheinbar unvereinbare Elemente zu einem zusammenhängenden Ganzen zu verschmelzen, ähnlich wie Bach es geschafft hat, Chorstimmen, Orchesterstimmen und Solisten zu einer einzigen, einheitlichen Struktur zu verschmelzen.
«Sanctus» ist ein weiterer herausragender Track und stellt einen Höhepunkt in der Mischung aus Post Metal und klassischer Musik dar. Das Stück beginnt mit einem kraftvollen, düsteren Riff, und während es sich aufbaut, steigert sich die Intensität. Wenn der Chorgesang einsetzt und sich über die Schreie und das hämmernde Schlagzeug erhebt, erhält das Stück eine ätherische, fast engelsgleiche Qualität, bevor der Gesang wieder zu hartem Gekreische wird. Das Nebeneinander von Heiligem und Profanem erinnert an Bachs «Matthäus Passion», in der Momente spiritueller Reflexion oft durch die harte Realität menschlichen Leidens unterbrochen werden. Das «Requiem» von Laudare kanalisiert diese Dichotomie von Schönheit und Aggression und nutzt seine Chor-Arrangements und Metal-Instrumente, um ähnliche Themen wie Leben und Tod, Hoffnung und Verzweiflung zu erkunden.
Bachs Oratorien stellen oft eine Spannung zwischen Licht und Dunkelheit, Glauben und Leiden dar, wobei Orchester und Chor zusammenarbeiten, um Momente von tiefem emotionalem Ausdruck zu schaffen. Das «Requiem» von Laudare verfolgt einen ähnlichen Ansatz, ersetzt jedoch die kirchliche Feierlichkeit durch eine raue, fast konfrontative Musiksprache. Während Bachs Werke im Religiösen und Göttlichen verwurzelt bleiben, lotet «Requiem» die Grenzen zwischen menschlichem Leiden und Transzendenz aus. Ein weiteres charakteristisches Merkmal von «Requiem» ist die Verwendung von Einflüssen aus Progressive Rock und Post Metal.
Das Album stagniert nie in einem bestimmten Stil, sondern entwickelt sich ständig weiter mit neuen Elementen, die in den Tracks eingeführt werden. Die Art und Weise, wie die Songs von atmosphärischen, ruhigen Momenten zu intensiven, schweren Passagen wechseln, spiegelt die Dynamik des Post Rock wider, bei dem der Schwerpunkt auf einem allmählichen Aufbau und komplizierten, vielschichtigen Klanglandschaften liegt. Auch in Bachs Musik, insbesondere in der Oratorien-Tradition, gibt es ein solches Auf und Ab: Momente intensiver Dramatik werden aufgebaut, bevor man sich in kontemplativere, meditative Abschnitte zurückzieht.
Laudares «Requiem» zeichnet sich durch eine besondere Balance von Schönheit und Dunkelheit aus, jedes Stück scheint sowohl die Zerbrechlichkeit des Lebens als auch die Unausweichlichkeit des Todes zu verkörpern. Die Band erreicht dies durch ihr gekonntes Musizieren, bei dem die rohe Intensität des Black Metal und die Sanftheit der klassischen Musik auf unerwartete, aber harmonische Weise zusammenkommen. «Lacrimosa» zum Beispiel, ein von Chorgesang und Cello dominiertes Stück, erreicht einen Moment der Ehrfurcht, bevor es plötzlich in einen Black Metal Breakdown kippt. Dieser krasse Kontrast zwischen Ruhe und Gewalt ist ein entscheidendes Merkmal von «Requiem», das ein beunruhigendes und doch faszinierendes Hörerlebnis schafft.
Ähnlich wie Bachs Oratorien bietet «Requiem» eine tiefe emotionale Reise. Doch während Bachs Werke oft Themen wie Erlösung und göttliche Barmherzigkeit vermitteln, dreht es sich hier um die Themen Sterblichkeit, Kampf und das Unbekannte. Der Verlauf des Albums ist sowohl eindringlich als auch fesselnd und führt den Zuhörer durch eine Reihe von Emotionen, von Verzweiflung bis Ehrfurcht, von Qualen bis hin zu transzendenter Schönheit. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass «Requiem» von Laudare ein Album ist, das die Konventionen sowohl des Metals als auch der klassischen Musik herausfordert und einen einzigartigen Weg einschlägt, der beide Genres mit verblüffenden Ergebnissen verbindet.
Seine komplexe, unvorhersehbare Natur mag nur eine ausgewählte Gruppe von Zuhörern ansprechen, aber für diejenigen, die bereit sind, sich auf die gewagte Verschmelzung von extremem Metal und klassischen Elementen einzulassen, bietet es eine wirklich lohnende Erfahrung. Wie Bachs Oratorien nutzt «Requiem» die Musik als Mittel, um die tiefsten Facetten des menschlichen Daseins zu erforschen - Schmerz, Verlust und die Suche nach Bedeutung - aber es tut dies auf eine Art und Weise, die sowohl innovativ als auch trotzig ist, ein kraftvolles Zeugnis der endlosen Möglichkeiten des musikalischen Ausdrucks.
Lukas R.