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Kunstvolle Rock-Klänge für die Seele? Absolut, aber nicht für schwache Nerven. RPWL, die erfolgreiche bayrische Gruppe um Sänger Yogi Lang, bewegt sich auf dünnem Eis, wenn man die Situation im Licht des heutigen Zeitgeistes betrachtet.
Bisherige Kritiken sind stark durchmischt, und vor allem durch den heutigen sozialen Modus geprägt, sodass eine objektive Auseinandersetzung mit dem Album unmöglich scheint. Zu meinem Erstaunen waren auch viele Genre-Fans aufgrund der Thematik ziemlich abgeneigt. So auch einige Zuhörer, welche ihr Mindset auf die heutzutage gängigen, sozial akzeptierten Modi umgestellt haben, werden dieses Album wohl nicht mögen. Von mir gibt es also zu Beginn schon Sympathiepunkte für die Aufnahme dieser schwierigen Themen, über welche niemand sprechen mag. Umso mehr freut es mich auch, dass sich einige redselige und mit Tastatur bewaffnete Individuen sehr von diesem Album getriggert fühlten. Nun, Geschichte verschweigen bringt nichts, und das Leben ist nun mal kein Ponyhof oder so. Das Schöne am künstlerischen Schaffen ist, dass man sich aller möglichen Themen bedienen und diese verarbeiten kann. So manche Kritik von wegen dieses Album grenze an schlechten Geschmack (aufgrund der Themenwahl), ist für mich daher ein Grund mehr, mich auf diese Scheibe zu freuen. Man zeige diesen Menschen niemals Slam Metal. Crime Scene befasst sich mit den dunklen Abgründen der menschlichen Psyche, doch die Frage nach dem "Wieso?" wird nicht gross beantwortet.
Und hier setzt mein erster Kritikpunkt ein. Starke, (vielleicht zu starke) Themen treffen auf verhältnismässig sanfte und wohltuende Klänge. Geschichten über solche Brutalität bin ich mir normalerweise schon eher im Metal gewohnt. Es liegt aber genau auch an dieser Gewohnheit, dass ich eine ganz leichte Enttäuschung vernehme. Während es eine gewissermassen erforschende Mischung aus Brutalität und Entspannung mit sich bringt, bin ich mir nicht ganz sicher, ob dies die richtige Themenwahl war. Als Prog Rock oder Art Rock Album höre ich auf «Crime Scene» genau das, was ich von RPWL hören will. Melodiös, abwechslungsreich und mit den Vocals wird viel gespielt. Vielleicht etwas zu viel, aber das darf sein, immerhin geht es ja auch um Stimmen im Kopf und all das. Rein von der musikalischen Seite gibt es nicht viel zu bemängeln. Vielleicht das kleine bisserl stark hörbare Autotune, das nicht hätte müssen. Der Album-Opener «Victim Of Desire» wurde gleich mit einem ziemlich cineastischen Musik-Video als erste Single veröffentlicht. Der an beliebte Krimi-Serien erinnernde Clip verfolgt die Band auf der Suche nach einem Frauenmörder- und Kidnapper. Während das Video ordentlich produziert wurde, wirkt es auch kalt, so wie es vielleicht genau sein sollte. Die bisher oft gelesene Kritik, die Darstellung sei voyeuristisch, kann ich nicht unterschreiben.
Wie genau zeigt man solch furchtbare Geschehnisse denn? Wäre die Situation gänzlich aus dem Blickwinkel des Täters geschrieben, wäre das Album wahrscheinlich gecancelt worden. Düster-verstörte Persönlichkeiten wie der Kannibale Karl Denke oder der Radiologe Carl Tanzler und deren grausame Taten stehen jedoch genau für das, was Crime Scene letztlich ausmacht. Textlich muss ich aber bis zu einem gewissen Grad den vielen Kritikern recht geben, denn die Tatsache wird vielleicht etwas zu oberflächlich beschrieben. Dass die menschliche Psyche aber nicht bloss aus Schwarz und Weiss besteht, dürfte jedem klar sein, und so ist es wichtig für mich, dass man nicht nur aus einer Perspektive heraus denkt, wenn man den Texten lauscht und vielleicht tut ein wenig Interpretationsspielraum gerade gut. Wer die schwere Kost nicht erträgt, hört sich dann halt besser etwas anderes an. Für Prog und Art Rock Fans, welche gerne mal ein etwas heftigeres und kontroverseres Thema, wie auf diesem Konzept-Album geniessen können, ohne sich gleich getriggert zu fühlen, ist das Teil sicherlich empfehlenswert. Ob diese Scheibe als Gesamtes an frühere RPWL Werke heran reicht? Nun, da möchte ich mich lieber nicht festlegen. «Crime Scene» hört sich auf jeden Fall wunderbar an, und mir reicht das, ehrlich gesagt, vollkommen aus.
Mona