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"…eine Reunion war über die 20 Jahre nie geplant. Das Ganze kam ins Rollen mit dem Geburtstagsfest, welches sie für mich planten."
Allison, da war doch mal was? Genau eine aufstrebende Schweizer Hardrock-Truppe mit einer Sängerin. So schnell wie sie da war, war die Combo auch wieder weg, auch wenn sie sich nie so richtig getrennt haben, wie Sängerin Janet La Rose, Bassist Pierce Baltino und Gitarrist Jonny Stutz im Interview zu Protokoll geben. Auch habe der Titel des neusten Albums «They Never Come Back» nichts mit ihrer Rückkehr zu tun, sondern stamme aus dem Box-Sport und sagt aus, dass ein Weltmeister selten seinen Titel wieder holen kann. Das sind aber bei weitem nicht die einzigen interessanten Dinge, welche das Trio beim Gespräch ans Tageslicht brachte. Offen, ehrlich und mit einer grossen Portion Selbstreflektion zeigten sich die Dame und die Herren, gingen kritisch mit ihrer musikalischen Vergangenheit ins Gericht und liessen dabei Zukünftiges und Aktuelles nicht aussen vor.
MF: 25 Jahre hat es gedauert, bis das dritte Album das Licht der Welt erblickte. Wieso so lange?
Pierce: Es ist vieles passiert in dieser Zeit (lacht). Aber es ist eine gute Frage…
Janet: …wir haben uns 1998 aufgelöst, weil es für Allison keine Perspektiven mehr gab. Auch wenn jeder von uns musikalisch noch aktiv war, haben wir uns aus den Augen verloren…
Pierce: …eine Reunion war über zwanzig Jahre nie geplant. Das Ganze kam ins Rollen mit dem Geburtstagsfest, welches sie für mich planten.
Janet: Genau im Sommer 2017…
Jonny: …2016…
Janet: …hat sich Jonny bei mir gemeldet und gefragt, ob ich beim Geburtstag für Pierce, im kommenden Februar zu seinem 50igsten Geburtstag, singen würde. Die Idee war ein Überraschungskonzert mit zehn bis zwölf Allison-Tracks zu spielen. Ich musste mir dies zuerst überlegen, weil meine Stimme pausierte und die Lieder anspruchsvoller zu singen sind. Ein gemeinsamer Freund von uns verstarb bei einem Unfall, und so trafen wir uns alle an der Beerdigung. Pierce durfte da natürlich noch überhaupt nichts von unserem Plan wissen. Jonny packte mich bei dieser Gelegenheit und sagte: "Wenn du nicht mitsingst, können wir die Idee gleich begraben!" Vom 4. auf den 5. Februar spielten wir dieses Konzert. So stand Pierce dann schnell mal mit offenem Mund und hängendem Kiefer da…
Pierce: …und wurde nochmals zehn Jahre älter (alle lachen). So wurde aus meinem 50. dann gleich der 60. Geburtstag. Unser Originalschlagzeuger flog extra aus Australien ein.
Jonny: Das war richtig krass und wird es in der Form kein zweites Mal geben.
Pierce: Wenn denn schon alle da sind… Wir verabredeten uns zum Proben. Sollte es nicht passen, dann wenigstens aus einem nostalgischen Aspekt heraus. Jeder sollte in seiner Kammer zwei bis drei Tracks üben und dann schauen, was sich daraus ergibt. Und? Es klang richtig geil (grinst). Daraus entstand schnell die Idee, ein paar Konzerte zu spielen. Mit drei neuen Liedern ging es auf die Bühne. Alle hatten vom Proben Muskelkater und Blasen an den Fingern (lacht), und plötzlich stand der erste gemeinsame Gig vor der Türe. Dort hat Janet auf der Bühne verkündet, dass wir ins Studio gehen und ein neues Album aufnehmen würden. Schön, dass wir so informiert wurden (lacht).
Janet: Als Sängerin musst du deine Mitmusiker überraschen, damit sie nicht mehr intervenieren können (lacht). Pierce konnte nicht anders und startete mit dem Songwriting. Das Endergebnis erschien am 13. November 2020.
MF: Musikalisch weg von Robin Beck und hin zur rockigeren Version von Lee Aaron? Das Material ist in meinen Ohren erdiger, rockiger und teils auch bluesiger ausgefallen als die alten Tracks.
Pierce: Danke, das hast du sehr schön zusammengefasst.
Janet: Da hast du recht. Dahinter steckte aber kein "Müssen", sondern unser Hauptsongwriter hat sich in den Jahren davor von New-Country inspirieren lassen. Aus diesem Grund hört man auch diese Einflüsse raus.
Pierce: Weil ich über all die Jahre emotional abgestumpft bin…
Janet: …hat es keine Ballade (alle lachen). Braucht es eine Ballade, damit wir im Radio gespielt werden? Braucht es nicht! Weil wir das tun, was wir können und wollen.
MF: Es passt alles und «They Never Come Back» gefällt mir besser, als die alten Alben. Es ist "ehrlicher"…
Janet: …schau, wir haben auf Ricardo ein «Wonderland»-Album (das zweite Werk von Allison) ersteigert. Das kommt sicher aus deiner Sammlung, Martin (lacht)?
MF: Nein, das hatte ich bis anhin nicht (alle lachen).
Janet: Aber kommen wir auf deine Frage zurück. Es ist schön, wenn du das so siehst und beschreibst. Du hast nicht unrecht. Der Druck bei den neuen Tracks, als ich im Studio beim Einsingen war, hat sich sehr schnell gelegt. Wieso? Weil wir keinen Druck hatten und wir für niemandem Erwartungen erfüllen mussten. Da wir alles selber finanzierten, durfte uns keiner reinreden. Das macht es weder einfacher, noch schwieriger. Auch wenn wir immer das umgesetzt haben, was mir machen wollen, hatte es früher einige Leute, die uns in eine bestimmte Richtung drängen, biegen und mich anders kleiden wollten. Sie alle schafften es nicht (lautes Lachen).
MF: Somit seid ihr musikalisch dort angekommen, wo ihr immer sein wolltet?
Janet: Ja, für mich fühlt sich dies hundertprozentig so an! Ich sang zwischenzeitlich in Coverbands, bei denen es in vier Monaten zu zwei Proben reichte. Das kann nicht der Sinn der Sache sein. Wenn ich in einer Band singe, dann will ich Gas geben. Höre ich mir «They Never Come Back» an, fühlt es sich sehr gut an, und ich darf sagen: "Ja, das ist Allison!"
Pierce: Mit dem Debüt-Werk waren wir mit der Produktion nicht 100 Prozent glücklich. Auch wenn wir uns in keine Ecke drücken liessen, waren wir in den neunziger Jahren auf der Suche. In der Retroperspektive klingen die Alben nicht fertig. Was wir jetzt komponieren und veröffentlichen, ist gereift. Ich empfinde dies so, und du sagst es richtig. Vieles ist bluesiger und wir haben ein Level erreicht, bei dem wir wunschlos glücklich sind. Subjektiv gesagt: "Was kann es Besseres geben für einen Künstler?" Im Moment haben wir keine Ahnung, wie alles mit dem Virus weiter geht. Werden wir noch auftreten und ein weiteres Album aufnehmen können? Wir bleiben am Ball. Als Fazit würde ich sagen, dass wir einen immensen Schritt nach vorne gemacht haben. «They Never Come Back» klingt kompakter. Es freut mich, wenn du unser Album auch in der gleichen Entwicklung siehst.
MF: Kompakt trifft es sehr gut. Ein stimmiges Werk, das viel Ehrlichkeit versprüht, die mir früher gefehlt hat. Bedingt durch das Gefühl, dass ihr versucht habt, hier noch ein bisschen Bon Jovi und dort noch ein bisschen Europe oder Robin Beck einfliessen zu lassen. Jetzt hört man Allison in Reinkultur, ehrlich und authentisch…
Pierce: …absolut!
Janet: Schön gesagt!
Pierce: Das würde ich unterschreiben. Das ist wirklich so. Es war nie geplant, sondern wir haben frei von der Leber weg komponiert. Früher… Alle hatten einen Job und wollten trotzdem mit der Musik erfolgreich sein. Man verlor sich. Plötzlich stand dieser oder jener Manager da und wollte uns Tipps geben. Klar sind wir auch gewissen Trends nachgerannt. Plötzlich baust du etwas von Bon Jovi ein, das er aber vor zwei Jahren schon in einem Track hatte…
Jonny: …du bist immer mehrere Schritte zu spät…
Pierce: …genau, und das kann nur in die Hosen gehen. Schau dir doch China an! Die waren unter einem ähnlichen Druck. Das war eine hervorragende Band. Gotthard hatten Glück und einen Steve Lee. Ohne Zweifel, das ist eine Hammer-Band mit tollen Liedern. Viele Combos von damals standen unter dem gleichen Druck. Du konntest nur verlieren, aber wir sassen alle im gleichen Boot.
Janet: Stilistisch haben wir mit dem Zweitling «Wonderland» markant gegen den Grunge verloren…
Pierce: …da haben auch die ganz grossen Truppen verloren…
MF: Lustig, dass du das erwähnst. Eine Frage von mir ist: "…wart ihr mit eurem melodischen Hardrock zu spät, da die Welt im Elend des Grunge lag?"
Janet: Da hast du nicht unrecht, auch wenn man sagen muss, dass diese Welle etwas Neues und Einzigartiges war.
Pierce: Du hast recht, wir hatten schon verloren, bevor wir «Wonderland» überhaupt aufnahmen.
Janet: In den Demo-Zeiten zum «One»-Album, stand Joey Balin (unter anderem Doro), der Produzent, bei uns im Proberaum. Zusammen mit ihm schrieben wir «I’ve Been Waiting». Da er in Deutschland lebte, hatte er viele gute Kontakte. So standen wir plötzlich in Hilversum/Holland im Studio und nahmen unser Demo mit Joey als Produzent auf.
Pierce: Das war sehr preisgünstig (lacht). Heute könntest du mit diesem Budget für die vier Songs ein ganzes Album aufnehmen. Aber Polygram, unsere Plattenfirma, bezahlte.
Janet: Ja, und C&A nahm unsere Lieder als Werbesongs. Dies fehlt heute. Wir sind auch keine knackigen 28 Jahre jung (lacht). Wie sollte C&A heute ihre Produkte mit uns verkaufen können? Darum nehmen wir die Möglichkeit war, mit der Musik auf uns aufmerksam zu machen. Logisch fragten wir uns, in welchem Werbebereich wir uns anbieten können. Über 50 Jahre, mit Falten…, vielleicht bei L‘Oreal…
Pierce: …oder im Geriatrie-Bereich (lautes Lachen).
MF: Was waren die Gründe, dass ihr euch 1998 getrennt habt? Gefrustet vom Business?
Janet: Eigentlich ist Jonny schuld…
Pierce: …du Brutus (lacht)…
Janet: 1996 kam Jonny in den Proberaum. Das werde ich nie vergessen. Wir waren alle schon da, als Jonny rein kam und nicht zu uns sass. Das war äusserst atypisch für ihn. Er sagte nur: "Hört zu, ich werfe das Handtuch!"…
Jonny: ..dabei hatte ich gar kein Handtuch dabei!
Janet (lachend): Das war ein ziemlicher Schock für uns. Jonny wollte sein Augenmerk mehr auf seinen Job in der IT-Branche legen. Ihn vom Gegenteil zu überzeugen, erwies sich als hoffnungsloser Fall. Jonny ging, wir sassen zu viert auf dem Sofa und es war eine ziemlich bittere Angelegenheit. Aus der Misere heraus suchten wir nach einem weiteren Gitarristen. Jemand kontaktierte Mandy Meyer, und er war tatsächlich interessiert. Mandy war drei Monate bei uns und wir begannen zusammen neues Material zu schreiben. Das hat sich sehr gut angefühlt, und dann flatterte die Anfrage von Gotthard ins Meyer-Haus. So war Mandy weg, was absolut logisch war, und wir standen wieder ohne zweiten Gitarristen da. Der damalige Keyboarder und Trommler entschied sich nach Australien zu gehen. Aus vier wurden zwei (lacht), die dann auch Lieder mit deutschen Texten verfassten.
Pierce: Aus dem Frust heraus entstand diese Idee. Die hörte sich nicht schlecht an, aber alles driftete in eine völlig unkontrollierbare Richtung und war zu weit weg, von dem was uns vorschwebte. Die Schweizer Roxette wollten wir nicht werden (lacht). Eine offizielle Bandauslösung gab es nie, so nach dem Motto: "Alle sprengen sich in die Luft und Allison ist Geschichte".
Janet: Eine offizielle Pressemitteilung hätte sich zu dem Zeitpunkt nicht gelohnt, weil dies eh niemand mehr gedruckt hätte. Still und heimlich haben wir uns…
Pierce: ...davon geschlichen (lacht).
Janet: Ich hätte mit vielem gerechnet, aber nicht damit, dass die Allison-Reunion Wirklichkeit wird. Viele Leute sprachen mich in diesen zwanzig Jahren an und waren der Meinung, dass Allison mit meiner Stimme zusammen absolut das Beste war. Wir geniessen heute unsere Band, sofern dies möglich ist im Moment. Wir werden zu einer Pause gezwungen, aber unser neues Album hat kein Ablauf-Datum. Das Gute ist, dass wir nicht von der Musik leben müssen und so auch nicht total ins Elend fallen. Als das Album veröffentlicht wurde, haben wir alle unsere alten Kontakte angeschrieben. Wir konnten so viele CDs verkaufen und sind auf den sechsten Platz der CH-Charts eingestiegen. Für das Ego… Das hat gut getan (lacht). Cyril (Plattenfirma und Bassist von Shakra) war der Meinung, dass wir unser Release verschieben sollten, wegen der zeitgleichen Veröffentlichung des neuen AC/DC-Albums. "Eine Woche später kommt sicher noch der Weihnachts-Sampler von Mariah Carey, und die hat dann so gleich alle erste Plätze für sich gepachtet", war unsere Antwort ,und so veröffentlichten wir mit AC/DC. Nach all den Jahren mit dem Comeback-Album auf Platz 6 einzusteigen, ist wunderbar!
MF: Was sind die Pläne für die Zukunft?
Pierce: Wir sind am Sammeln von neuen Ideen. Sobald wieder Land in Sicht ist, wollen wir wieder auf die Bühne steigen. Im September 2021 sind zwei Gigs geplant. Einer im Z7, zusammen mit Shakra, und einer im Amriswil. Dazu wollen wir so viel proben wie nur möglich.
Janet: Ich vermisse das Proben, weil wir immer eine gut Zeit zusammen verbringen.
MF: Dann freue ich mich auf die kommenden Konzerte…
Janet: …wir uns auch und darauf, dich zu sehen.
Pierce: Danke für das Interview.
Allison 1994