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"...Es haben sich alle sehr darüber amüsiert und gemeint, dass ich ja richtig flüssig und lustig schreiben würde und ich unbedingt ein bisschen mehr daraus machen sollte..."
RAGE sind vermutlich jedem Metaller ein Begriff – dem einen mehr, dem anderen weniger – aber man kennt die Band um Mastermind Peter "Peavy" Wagner. Seine musikalische Reise erstreckt sich über mehr als vierzig Jahre, und diese hat der Bassist und Sänger nun aufgeschrieben, zwischen zwei Deckel gepackt und mit dem Namen "Soundchaser: Lebenslänglich Heavy Metal. Mein Leben mit Rage" versehen. Ein Schmöker, der es zweifelsfrei in sich hat.
Bereits beim Probelesen konnte man schmunzeln, mitfiebern oder auch etwas melancholisch werden. Da ich persönlich nicht zu den eingefleischten Rage-Fans gehöre – noch nicht – hat mir Peavy mit seiner niedergeschriebenen Geschichte eine Steilvorlage verpasst, um mich näher mit Rage und seiner Person zu beschäftigen.
Rage gehören für mich in die Kategorie Judas Priest: erst spät entdeckt, dann ihre Diskografie von vorne bis hinten aufgerollt! Peavy war am Telefon ein sehr aufgeschlossener und humorvoller Interview-Partner, der mir mit seiner persönlichen Lebensgeschichte aus der Seele sprach. Am Schluss des Gesprächs waren wir dann so weit, dass ich ihm kurz von meinem Buch erzählte und er trocken meinte: "Jetzt hast du mir zugehört, und dich für meinen Kram interessiert, jetzt bin ich auch gespannt, was du gemacht hast." Mein Weihnachtsgeschenk für Peavy Wagner habe ich also schon. Danke, Mann!
MF: Schönen guten Nachmittag, ist da der Peavy?
Peavy: Ja, hallo! Ich bin’s (lacht)
MF: Danke, dass du dir die Zeit nimmst. Es gibt bekanntlich verschiedene Gründe, um ein Buch zu schreiben. Wie bist du auf die Idee gekommen?
Peavy: Das hat sich mehr oder weniger durch Zufälle ergeben. Ich denke, dass es ohne die Corona-Lockdowns wahrscheinlich nicht zustande gekommen wäre. Ich hatte ja plötzlich unfassbar viel Zeit und wusste nicht, was ich mit mir anfangen sollte. Dann meinte mein Management eines Tages, dass ich etwas, so ein paar Anekdoten aus meinem Leben, für die Webseite aufschreiben soll. Ein Schwank aus meiner Jugend sozusagen. Dann habe ich einfach ganz lose angefangen, Erinnerungen aufzuschreiben. Diese wollten sie dann einerseits auf der Homepage und andererseits auf all unseren Social Media Kanälen veröffentlichen. Nachdem ich so ein paar Zeilen da abgeliefert hatte, haben sich alle sehr darüber amüsiert und gemeint, dass ich ja richtig flüssig und lustig schreiben würde und ich unbedingt ein bisschen mehr daraus machen sollte.
Dabei ist die Idee geboren, alles erst einmal zu sammeln und vielleicht ist es ja später möglich, so etwas wie ein Buch daraus zu machen (lacht). Das haben wir dann später mal bei SPV (Label), bei Oliver Hahn (Produktmanager) irgendwann erwähnt und der war direkt begeistert von der Idee. Der hat ja bereits schon andere Bücher über SPV herausgebracht, und er hat mich da wirklich voller Begeisterung unterstützt. Mitten in der Arbeit habe ich aber dann gemerkt, dass da noch ein Profi ranmüsste, denn ich habe ja noch nie ein Buch geschrieben und hatte auch keine Ahnung von so was. Schliesslich haben wir den Timon Menge (Popkultur-Journalist) dazu geholt. Er hat mich dann noch ganz viel interviewt und anschliessend meine Sachen "schön geschrieben".
MF: Das war sicher unterstützend, denn ich nehme an, dass du gar keine Zeit hattest, alles selber einzutippen, oder?
Peavy: Also das meiste habe ich schon selbst verfasst. Viele meiner Formulierungen sind noch genauso drin, denn wir hatten eine super Teamarbeit. Alle meine Formulierungen und mein Stil, mit dem ich ans Schreiben herangegangen bin, sind erhalten geblieben. Timon hat einfach, wo nötig, noch Sinn und Zweck hereingebracht, dass die ganze Reihenfolge stimmt, die ganzen Intros und Outros richtig gesetzt und geschaut, dass es eine runde Sache wird. Er hat auch selber schon einige Bücher verfasst, hat sich jedoch auch noch professionelle Hilfe geholt, speziell was Biografien betrifft.
Da hat ihm der Till Hoheneder (deutscher Comedian) sehr geholfen. Ich weiss nicht, ob du ihn kennst. Er hat zum Beispiel das Buch von Atze Schröder mitverfasst. Er hat auch früher "Till & Obel" gemacht. Er war der Till. Das war auch ein berühmtes Comedy-Duo in den späten Achtzigern und frühen Neunzigern. Er konnte ihm (Timon) wirklich gute Tipps geben, wie man da am besten rangeht. So wurde das im Laufe der Zeit immer besser. Man muss dazu sagen, dass wir doch sehr lange daran gearbeitet haben. Bestimmt drei oder vier Jahre.
"...Bully ist ein total lieber und netter Mensch, aber wie vermutlich viele dieser Profis, ein totaler Kontrollfreak..."
MF: Klingt sehr spannend! Du hast vorhin gerade Comedians angesprochen. Michael "Bully" Herbig hat anscheinend ein Kapitel deines Buches lektoriert. Wie passen RAGE und "Bully" zusammen?
Peavy: Ja…, das klingt erst einmal komisch. Die Idee kam aber tatsächlich von "Bully". Ihm ist damals 2001 «Straight To Hell» vom «Welcome To The Other Side»-Album zu Ohren gekommen, und er meinte sofort, dass es der passende Song zu seinem Film wäre. Für eine Szene wollte er so einen Western angehauchten harten Track haben, fand ihn sofort geil und hat ihn sich dann rausgepickt. Als "Bully" nun mitgekriegt hatte, dass wir ein Buch schreiben, in dem dieses Thema auch vorkommt, wollte er unbedingt mitmachen. "Bully" ist ein total lieber und netter Mensch, aber wie vermutlich viele dieser Profis, ein totaler Kontrollfreak (lacht).
Er wollte dann alles nochmals kontrollieren und checken, ob das alles in seinem Sinne ist. Wir haben dann auch angefragt wegen der Fotorechte, und da hat er sofort zugestimmt. Es kam aber auch postwendend die Bitte, alles nochmals lesen zu können, was zum Thema "Schuh des Manitu" und um seine Person geht. Ich habe ihm alles zum Lesen gegeben, und er hat auch noch ein paar Sachen umformuliert, die seiner Meinung nach besser passten und hat sich so richtig toll eingebracht. Und seitdem habe ich wirklich eine gute Verbindung zu ihm und seinem Team.
MF: Was würdest du sagen Peavy, worin unterscheidet sich deine Biografie zu deren anderer Künstler?
Peavy: Ich glaube oder ich hoffe erstmal, dass ich einen interessanten Erzählstil anwende, der flockig und zügig zu lesen ist, sodass es auch nicht langweilig wird. Mein Ansatz war auch, dass ich zeitgeschichtliche Sachen unterbringen wollte, die sich mit der Geschichte der Band (Rage) vermischt haben. Es sollte eine Reise durch die vergangenen vierzig Jahre werden, die die Entwicklung in der Gesellschaft auch so ein bisschen darstellt. Es sollte nicht nur allein um Musik und die Karriere der Band gehen, sondern um die Zeitgeschichte und meine ganz persönliche Entwicklung von einem ganz normalen kleinen Jungen, der niemals im Leben vorhatte, Rockstar zu werden (lacht), der mehr oder weniger, wie die Jungfrau zum Kinde, zum Heavy Metal kam.
Unabhängig ob man die Band kennt oder nicht, ob man sie mag oder nicht, sollte das Buch interessant für den Leser bleiben. Ich hoffe zumindest, dass mir das gelungen ist, wer keine Ahnung von Metal oder Rage hat, das Buch trotzdem interessant findet. Bei gut gemachten Biografien ist das nämlich fast immer der Fall. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass eine der früher gelesenen Biografien von Udo Jürgens war. Die fand ich einfach spannend. Ich habe die in einem Abend durchgelesen, weil es eine spannende Geschichte war, weil es nicht nur um seine Musik oder seine Karriere ging, sondern um viele andere Dinge, die ihn prägten.
MF: Wie hast du entschieden, welche Themen du ins Buch packst und welche nicht?
Peavy: Das war natürlich sehr schwierig! Wir haben da sehr lange daran gesessen. 400 Seiten sind natürlich nicht nur Geschriebenes, sondern auch viele Bilder, um das Ganze ein wenig aufzulockern oder zur Erklärung. Das war zum Schluss natürlich auch noch einmal sehr zeitaufwändig, alles herauszusuchen und einzubauen. Du musst dir einmal vorstellen, was für ein riesiges Fotoarchiv ich habe (lacht). Dann suchst du etwas Bestimmtes und findest es nicht. Boah…, da habe ich ewig drangesessen (Gelächter).
MF: Und inhaltlich/thematisch? Gibt es auch etwas, das du bewusst ausgeklammert hast?
Peavy: Was ich ausgeklammert habe…, ich würde nicht sagen ausgeklammert. Ich wollte wirklich niemanden in die Pfanne hauen. Was ich vielleicht im Nachhinein etwas entschärft habe, sind unschöne Trennungen. Obwohl mir einige Leute wirklich übel mitgespielt haben, die mal Bandkollegen waren, bin ich da nicht so ins Detail gegangen, sodass ich jemanden in die Pfanne haue. Ich wollte mit der Geschichte keine schmutzige Wäsche waschen und habe versucht, es so diplomatisch darzustellen, wie es eben ging. Es sollte sich wirklich keiner persönlich in den Arsch getreten fühlen. Ich habe mich mit allen ehemaligen Leuten wieder vertragen. Wir haben zumindest wieder ein neutrales Verhältnis und keine Feindschaft mehr. Deshalb war es mir wichtig, dass ich niemanden allzu schlecht dastehen lasse. So sind also ein paar Sachen unter den Tisch gekehrt… oder haben wir wieder rausgenommen, weil das hätte sicherlich nochmals Staub aufgewirbelt, weil der eine oder andere doch ganz schön doof dagestanden hätte.
Die Leute können sich in dem Moment auch nicht wehren und ihre Version der Geschichte erzählen. Es ging mir wirklich um mich und meine Geschichte, und nicht darum, jemanden schlecht dastehen zu lassen. Ich habe schliesslich auch nicht versucht, mich immer nur als den strahlenden Helden, den Supermann darzustellen. Ich übe ganz viel Selbstkritik an mir, schreibe über meine Fehler und die Tiefpunkte, in denen ich mich irgendwie falsch verhalten habe. In denen ich in die Scheisse getreten bin! Natürlich sind auch emotionale Momente enthalten, tragische Sachen. Wie du schon gelesen hast, dieser Unfall, der mich emotional noch einmal sehr aufgewühlt hat, hoffe ich, dass ich den möglichst unprätentiös wiedergegeben habe, sodass es auch nachvollziehbar wird, wie die Situation damals war.
"...Diese Erfahrung ist aber eine ganz gute Sache, die ich eigentlich jedem nur empfehlen kann..."
MF: Wie war das für dich, dein Leben nochmals aufzurollen und da erneut durchzugehen?
Peavy: Ja…, wie du schon gesagt hast. Es ist eine sehr emotionale Geschichte. Wenn man einmal anfängt sich zu erinnern, dann ist das keine Sache, die man an einem Abend so durchlebt. Das dauert Monate. Über einen langen Zeitraum fallen einem wieder Sachen ein, die man verdrängt hat. Man muss durch gewisse Situationen, auch einfach emotional, noch einmal durchgehen. Diese Erfahrung ist aber eine ganz gute Sache, die ich eigentlich jedem nur empfehlen kann. Gerade negative Erlebnisse oder Traumata können so nochmals oder erst so richtig aufgearbeitet werden. Man kann gestärkt daraus hervorgehen und Lehren für das kommende Leben ziehen. Mir persönlich hat es wirklich ganz gutgetan, das alles nochmals zu durchlaufen.
MF: Gibt es ein Kapitel in "Soundchaser: Lebenslänglich…" auf das du besonders stolz bist?
Peavy: Och…, ich könnte jetzt keines besonders hervorheben. Aber wie du schon erwähnt hast, das Kapitel mit dem krassen Unfall in Russland, das ist schon krass geschildert und kann vielleicht etwas spannender rüberkommen als andere. Einige Sachen sind wirklich echt lustig, meine ersten Gehversuche und so. Meinen allerersten Auftritt, wie ich den so beschreibe, da gibt es wohl ziemlich viel zu grinsen, gerade wenn man bedenkt, wie ich damals ausgesehen habe (lacht). Der kleine Peavy mit Parka und grünen Gummistiefeln (lacht laut)…, da sind schon ein paar tolle Schmunzel-Elemente dabei.
MF: Die Vorfreude steigt! Ab wann ist denn dein Werk zu haben?
Peavy: Ich glaube, ab dem 6. Dezember (2024), wenn ich das richtig im Kopf habe.
MF: Zum Nikolaus?
Peavy: Ja genau! (Gelächter) Ein tolles Nikolaus-Geschenk!
MF: Du hast beim Einstieg kurz erwähnt, dass SPV bereits Bücher veröffentlicht hat. Dies dürfte wohl den wenigsten bekannt sein. Was waren denn da für Sachen dabei?
Peavy: Ein Aushängeschild für Bücher sind sie bestimmt nicht, aber sie haben doch ein paar tolle Sachen gemacht. Es war sogar ein Buch von Chris von Rohr, glaube ich, "Bis hierhin und so weiter. 20 Jahre Rock'n' Roll - Ein- und Ansichten eines Bassisten". Der hat meines Wissens noch mehr gemacht… (überlegt). Ach quatsch (lacht)! Quatsch, das ist gar nicht von Chris von Rohr. Der hat zwar auch Bücher gemacht, aber das ist nicht der, den ich meine. Das ist von Peter Knorn, der früher bei Fargo und später bei Victory Bassist war. Der hat schon mehrere Bücher geschrieben, die auch sehr lustig und spannend sind. Es gibt noch einige andere, die ich jetzt gerade nicht auf dem Schirm habe und ich möchte hier auch keinen Quatsch erzählen (lacht). Manchmal erzählt man aber einfach Quark und merkt erst im Nachhinein, dass man alles durcheinandergeworfen hat (lacht).
MF: Du hast vermutlich auch genug erlebt in den letzten vierzig, respektive sechzig Jahren.
Peavy: Das stimmt schon! Als ich da mit meinen Erinnerungen herumhantiert habe, ist einfach alles einmal zusammengekommen, wie in einem Topf. Ich musste viel Zeit dafür aufwenden, alles zu sortieren und an die richtige Stelle zu bringen. Ich habe auch bei vielen anderen Leuten nachgefragt, die damals dabei waren und gewisse Situationen und Stationen mitgemacht haben. Es ist aber immer wieder erstaunlich, wie sich die Wahrnehmung unterscheidet. Jedem sind in gewissen Situationen andere Dinge in Erinnerung geblieben und ich musste dann schauen, wie ich das mit meiner Erinnerung zusammengeschraubt bekomme (lacht). Du kennst ja sicherlich das Phänomen, wenn du im normalen Leben zehn Leute zur selben Situation befragst, du zehn verschiedene Antworten erhältst.
MF: Und ob! Liest du persönlich gerne und wenn ja, was?
Peavy: Oh ja! Früher gab es ja nichts anderes. Ich bin mit Büchern aufgewachsen. Als ich jünger war, habe ich viele Romane und Fantasy-Sachen gelesen. Heute bin ich mehr bei Sachbüchern und wissenschaftlichen Publikationen angekommen. Allerdings muss ich ehrlich gesagt sagen, seit es diesen ganzen Online- und Digital-Krempel gibt, ich schon nicht mehr so viel lese. Früher habe ich deutlich mehr gelesen. Heute muss ich mich ab und zu zur Vernunft rufen und mir sagen: "Ok, jetzt nimmst du dir wieder mal ein bisschen Zeit". Gerade wenn ich mal eine Woche keinen Auftritt habe, gibt es das öfters, dass ich mich wieder hinsetze und irgendwo reinschmökere. Man muss auch wirklich die Zeit dafür haben oder sich die Zeit nehmen, denn man wird zu viel abgelenkt in der heutigen Zeit. Lesen ist wirklich etwas, für das man manchmal kaum die Ruhe hat.
MF: Du hast soeben die Auftritte erwähnt. Sind auch Lesungen mit deinem Buch geplant?
Peavy: Wir haben bereits einmal darüber gesprochen, aber bis jetzt gibt es noch keine konkrete Planung. Ich denke, dass wir erst einmal abwarten müssen, wie das Buch aufgenommen wird. Wenn es gut ankommt, könnte man bestimmt etwas machen. Also ich bin da ganz offen für alles, auch wenn ich keinerlei Erfahrung damit habe. Ich muss dir ehrlich sagen, dass ich nicht weiss, ob es schon einen Plan von SPV oder der Promotions-Firma dafür gibt. Da bin ich noch nicht so richtig im Bilde, wäre aber dafür zu haben (lacht). Was wir jetzt gerade tun ist, ehrlich gesagt, der erste Schritt, den ich in dieser Sache mache, denn ich habe überhaupt keine Ahnung, wie man Bücher vermarktet (lacht).