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"...Ich werde nicht auf Tour gehen und meine Frau das Kind alleine bekommen lassen..."
Voodoo Circle verkörpern die ureigene DNA, die Bands wie Led Zeppelin, Deep Purple und besonders Whitesnake und Rainbow zu ihren Blütezeiten zelebrierten. Eigentlich sollten die Jungs um Alex Beyrodt längst auf den grossen Bühnen dieser Welt zu Hause sein. Wieso das bisher nicht wie erhofft geklappt hat, könnt Ihr im letzten Interview nachlesen. Jetzt steht der neue Tonträger bereit und zeigt mit «Hail To The King», dass sich bei Alex, David Readman (Gesang), Alex Jansen (Bass) und Markus Kullmann (Schlagzeug) nichts verändert hat und der Classic Rock noch immer seine Runden dreht. Der siebte Streich ist ein echter Kracher geworden, der mit Killer-Riffs, unglaublich starkem Gesang und einer Rhythmus-Maschine, die keinen Taktfehler zulässt, von der ersten bis zur letzten Sekunde überzeugt. Auch solistisch hat sich Alex erneut ein Denkmal gesetzt und lässt seine anfänglichen Zweifel bezüglich «Hail To The King» im Keim ersticken.
MF: Wie geht es dir, Alex?
Alex: Saugut!
MF: Liegt sicherlich am neuen Album, oder?
Alex: Genau (grinst zufrieden), lass uns über die schönen Dinge im Leben sprechen: Wein, Weib, Gesang und Voodoo Circle (lacht). Das ist mir gerade eingefallen – finde ich echt gut (lacht immer noch). Wir haben ein neues Album draussen, und ich bin sehr gespannt, was du dazu sagst, weil ich dich schon länger kenne und deine Meinung als musikbegeisterter Kenner sehr schätze.
MF: Vielen Dank! Also, ich habe mir das Album schon ein paar Mal angehört, und für mich ist es das Beste, das ihr je veröffentlicht habt.
Alex: Ich habe bereits acht Interviews gegeben und das sechsmal gehört (grinst zufrieden).
MF: Das Album ist wirklich auf den Punkt gespielt, heisst die Riffs und Solos sind unglaublich geil, und mit David hast du sowieso einen Wahnsinns-Sänger in den eigenen Reihen. Bei den vorherigen Scheiben gab es immer so ein bis zwei Lieder, da musste man sich erst reinhören…
Alex: … das stimmt, und ich weiss genau, welche Songs das sind (lacht).
"...Bei der Produktion habe ich versucht, einen etwas anderen Weg zu gehen..."
MF: Das ist mir beim neuen Album nicht passiert. Ich freue mich schon darauf, wenn ich nicht nur die Dateien, sondern mir auch die CD anhören kann. Als ich den ersten Durchlauf beendet hatte, wollte ich mir das Album gleich noch einmal geben.
Alex: Geil, das freut mich sehr, denn ich hatte tatsächlich Angst, dass dieses Album vielleicht nicht so gut ankommt. Bei der Produktion habe ich versucht, einen etwas anderen Weg zu gehen. Teilweise hatte ich die Befürchtung, dass man schreiben könnte, die Platte sei überproduziert, vollgepackt mit Sounds und allem Möglichen. Stilistisch ist klar, was es zu hören gibt (grinst). Da brauchen wir auch nicht zu diskutieren – du weisst, das klingt genau so, wie ich es will, sprich nach einem "Baby" von Rainbow, Whitesnake, Deep Purple und Led Zeppelin. Kritik nehme ich da nicht an (grinst), das ist so gewollt (lacht), und ich stehe dazu (grinst). So soll das klingen (lacht). Aber ich hatte Angst, dass ich von diesem Pfad ein wenig abgewichen bin und in Anführungszeichen "modern" klinge. Ich glaube, dass das Endprodukt ein wenig härter geworden ist, was dazu führt, dass die Leute es noch mehr abfeiern als die vorherigen Scheiben.
MF: Du hast die Produktion angesprochen. Bis jetzt habe ich nur diese Soundfiles gehört, und das ist natürlich nicht vergleichbar mit dem Genuss auf der Stereo-Anlage. Aber selbst diese Dateien klangen schon sehr gewaltig – eine musikalische Wand.
Alex: Schön! Eine solche Aussage aus deinem berufenen Munde versüsst mir den Abend mit meinem feinen Wein. Und wenn der BVB noch gewinnt (was auch passierte), dann ist mein Abend perfekt (lacht).
MF: Im letzten Interview zu Beginn des Jahres war das neue Album schon im Kasten. Wieso hat es dann noch so lange gedauert, bis «Hail To The King» definitiv in den Läden steht?
Alex: Wir haben den Release um ein ganzes Jahr verschoben und dies aus zwei Gründen. Erstens braucht die Plattenfirma immer ein halbes Jahr Vorlauf, und der VÖ hat nie mit den Tourdaten gepasst. Ich war im Januar mit Primal Fear in Südamerika unterwegs, im März als Support für U.D.O., und im April stand "Rock Meets Classic" auf dem Programm. So wurde das Termin-Problem immer grösser. Wir planten schliesslich die Veröffentlichung und eine Tour, und dann wurde meine Frau schwanger. Der Geburtstermin fiel exakt in die Tourzeit, also habe ich zum allerersten Mal in meiner langen Karriere gesagt: "Wir müssen diese Tour verschieben! Ich werde nicht auf Tour gehen und meine Frau das Kind alleine bekommen lassen!" Mit mitte zwanzig wäre mir das egal gewesen, ehrlich gesagt, da hätte nichts anderes gezählt.
MF: Mit mitte dreissig dann nicht mehr…
Alex: (Lacht laut) … aber dieses Jahr wurde ich sechzig. Die Prioritäten haben sich ein bisschen verschoben, und das ist auch gut so! Darum haben wir die Tour nochmals verschoben und brauchten noch einmal sechs Monate, was das Jahr Verzögerung erklärt.
"...Wir hatten doch besprochen, dass der Song «The Man In Black» heissen soll..."
MF: Wie ist es für dich über eine Platte zu sprechen, die du schon vor über zwölf Monaten fertiggestellt hast, also ein "altes Werk", das aber für viele nun neu ist?
Alex: Ich habe sie mir seit der Fertigstellung nicht mehr angehört. Das grösste Problem ist, dass ich im Studio immer mit Arbeitstiteln arbeite. Dazu gibt es eine schöne Geschichte: «Hail To The King» ist ein Rainbow-Song par excellence. Bei mir hiess er als Arbeitstitel «The Man In Black», und damit war Ritchie Blackmore gemeint (lacht). Ich habe David gebeten, einen Text über Ritchie Blackmore zu schreiben – über sein Leben, seinen mystischen Charakter. Vier Wochen später bekomme ich die Dateien zurück und denke mir beim Anhören seines Gesangs, dass das super geworden ist – dann kommt der Refrain und er singt «Hail To The King». Ich dachte nur: Wie bitte? Wir hatten doch besprochen, dass der Song «The Man In Black» heissen soll (lacht)? Jetzt heisst das Album so und nicht «The Man In Black» (lacht laut).
MF: Ist der Albumtitel dann nur Ritchie gewidmet oder auch anderen Helden von dir?
Alex: So habe ich das noch gar nicht betrachtet! Wenn du es so sagst, passt es eigentlich ganz gut, dann müsste es aber im Plural sein…, ja! Ja, das nehme ich (lacht), ist gekauft.
MF: Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Tony Carey, dem ehemaligen Keyboarder von Rainbow?
Alex: Diese Kooperation liegt dreissig Jahre zurück. Anfang der Neunziger war ich bei Tony Carey im Studio in Tutzing am Starnberger See. Damals war er viel mit Peter Maffay unterwegs. Zuerst war ich bei Peter im Studio, weil er in eine härtere Richtung gehen wollte. Wir haben zusammen an Songs gearbeitet. Während dieser Zusammenarbeit entstand die Idee, mit Tony, der nebenan sein Studio hatte, Lieder zu komponieren. So stand ich plötzlich bei ihm im Studio, und wir arbeiteten an diesen beiden Songs («All For One», «Billy’s Song»). Ich war mitte zwanzig und sass bei Tony im Studio. Er beginnt die Hammond-Orgel zu spielen. «Rainbow On Stage» ist das Album, das ich mit auf die einsame Insel nehmen würde. Wenn du nur ein Werk mitnehmen kannst, dann ist es dieses. Da hat Tony mitgespielt (grinst).
Als 17-Jähriger sass ich zu Hause und schaute mir die Fotos an. Plötzlich stehe ich mit diesem Musiker im gleichen Studio (stolzes Grinsen), er spielt Orgel und ich sitze hinterm Mischpult und spiele Gitarre. Das war damals ein prägender Moment für mich. Die beiden Lieder fand ich unfassbar gut. Sie wurden als Bonustracks auf Sinner-Alben in Japan veröffentlicht, aber ich fand persönlich, dass sie nicht so recht zur Band passten, weil Sinner mehr für Thin Lizzy und Twin-Gitarren standen, während diese Songs einen "Rainbow-Touch" hatten, was ich jedoch sehr cool fand. Jetzt spulen wir drei Jahrzehnte vorwärts: Vor drei Jahren stehe ich in Berlin am Flughafen beim Boarding. Drei Meter vor mir steht Tony Carey (lacht). Da dachte ich mir, du sagst ihm jetzt einfach mal "guten Tag".
Also klopfe ich ihm auf die Schulter, er dreht sich um, schaut mich an, überlegt einen kurzen Moment und sagt: "Alex". Er spricht perfekt Deutsch. Allein dass er mich erkannte, war schön. Wir haben dann ein bisschen miteinander geplaudert. Du weisst, ich versuche immer so ein wenig die Zeichen zu deuten. Nach dreissig Jahren traf ich Tony wieder, und da sind diese beiden Tracks und die Band Voodoo Circle, die ja eine Rainbow, Whitesnake, Deep Purple und Led Zeppelin Band ist. Da dachte ich, nimm die beiden Lieder doch einfach noch einmal neu auf. Das ist die Geschichte dahinter. Ich habe alle Orgel- und Keyboard-Parts selbst eingespielt, habe wochenlang dafür gebraucht, um das nachzubauen, was Tony locker in fünf Minuten eingespielt hat (lacht). Das hat so viel Spass gemacht – Licht aus und rote Lampe an (lacht). Das war so cool, und ich bin auch echt stolz darauf, wie gut ich das hinbekommen habe.
"...Ich versuchte bei den Intros einen zarten, arabischen Touch miteinfliessen zu lassen..."
MF: Was war bei diesem Album anders als bei den vorherigen, was Studio, Aufnahmen und Songwriting betrifft?
Alex: Ich habe erwähnt, dass ich die Befürchtung hatte, die Scheibe wäre ein bisschen überproduziert, weil ich die Lieder mit sehr vielen Keyboards unterlegt habe, was früher nicht immer üblich war. Ich versuchte, bei den Intros einen zarten, arabischen Touch miteinfliessen zu lassen. Was nichts Neues ist, ist, dass ich bis zu zehn oder zwölf Gitarren-Spuren übereinanderlege. Das ist mein Steckenpferd. Ich habe stundenlang an den Sounds getüftelt, aber das macht mir eben Spass (lachend). Wir sind sicherlich ein bisschen härter geworden. Dabei war ich mir nicht sicher, ob das zu 100 % der richtige Weg ist. Aber das, was die schreibende Zunft von sich gibt, dass wir auf dem richtigen Weg sind, stimmt mich zufrieden. Es wäre schön, wenn Voodoo Circle ein bisschen mehr Erfolg hätten. Leider dümpelt die Truppe noch immer vor sich hin.
MF: Es gibt noch einen anderen, glühenden Verehrer von Purple und Rainbow, beziehungsweise Ritchie Blackmore...
Alex: ...ja, mein guter Freund Axel Rudi Pell.
MF: Genau. Habt ihr euch schon mal darüber Gedanken gemacht, etwas zusammen auf die Beine zu stellen?
Alex: Ich glaube, das möchte Axel nicht. Er ist dermassen erfolgreich als Solo-Künstler, das braucht er nicht, und ich denke, seine Fans würden das auch nicht verstehen. Axel schreibt so tolle Lieder und hat ein grossartiges Ding am Laufen. Ich glaube nicht, dass er sich jemals darüber Gedanken gemacht hat. Ich mag ihn unheimlich gerne und habe ihn vor kurzem auf einem Festival getroffen. Wir haben ein bisschen Schabernack getrieben (grinst). Ich stand bei seinem Konzert seitlich auf der Bühne und habe zugeschaut. Das macht immer unheimlich viel Spass. Axel ist eine lebende, deutsche Legende.
"...Das Problem ist, dass Ronnie (Romero) so eingespannt und derart gefragt ist, dass er keine Zeit mehr dazu hat..."
MF: Wie sieht es mit kommenden Konzerten aus?
Alex: Mit Voodoo Circle spielen wir leider nur fünf Konzerte in Deutschland. Mehr liegt im Augenblick nicht drin. An dieser Stelle krankt es noch immer. Die kleinen Clubs sind seit Corona vorsichtiger geworden. Voodoo Circle garantieren keine ausverkaufte Show, da muss man ehrlich sein. Das ist alles ein bisschen schade. Ich spiele noch ein paar Konzerte mit "Alex Beyrodt And Friends" vor und nach der Voodoo Circle Tour, unter anderem auch in der Schweiz (beim ICE ROCK 2025), zusammen mit Doogie White. Da bin ich schon sehr gespannt darauf, wie das wird. Die Messlatte liegt verdammt hoch. Das Problem ist, dass Ronnie (Romero) so eingespannt und derart gefragt ist, dass er keine Zeit mehr dazu hat.
Er fokussiert sich auf seine eigene Karriere, was völlig nachvollziehbar ist. Es war schwer, Termine zu finden. Ronnie möchte eigentlich diese Rainbow-Geschichte abschliessen. Das war damals am ICE ROCK so eine Kurzgeschichte (Ronnie wurde sehr kurzfristig für David als Ersatz engagiert, der krankheitsbedingt ausfiel). Auch wenn wir ein paar Gigs gespielt haben, dachte ich mir, wenn er nicht mehr will und die Zeit nicht hat, dann frage ich den anderen Rainbow-Sänger (grinst). Doogie hat sofort zugesagt und ist ja auch ein Top-Sänger. Danach kommt die "Rock Meets Classic" Tour mit vielen bekannten Sängern wie Fran Cosmo (Boston), Lita Ford, John Elefante (Kansas) und Mel McNulty (Slade). Aktuell bin ich im Songwriting-Prozess zusammen mit Tom Naumann, Michael Ehré und Alex Jansen, den Verbliebenen (grinst).
Es sind bereits drei Tracks geschrieben, bei denen ich Tom mega loben muss, weil er ein Mörder-Gitarrist und Riff-Master ist. Nun liegen diese drei Tracks da, und wir sagen: "Ach du Scheisse, was ist das denn (lacht), wie geil ist das denn?" Wir sind super happy und gerade auf Sängersuche. Über Nacht bekamen wir 45 Anfragen, darunter auch von sechs namhaften Sängern. Es macht gerade viel Spass – mal sehen, was dabei herauskommt. Denn im Hier und Jetzt eine neue Band zu gründen, ist ein völlig irrsinniges und wahnsinniges Unterfangen. Wir verstehen uns so gut und haben Spass miteinander, dass wir gesagt haben, das darf jetzt nicht sterben. Wir probieren es, und "who knows, where the cold wind blows" (lacht).
MF: Ich drücke dir für all deine Bands die Daumen, wünsche dir nur das Allerbeste und freue mich, dich am ICE ROCK Festival wieder zu sehen.
Alex: Oh ja! Martin, ich habe zu danken, es war mir ein Fest, und ich habe mich sehr, sehr wohl gefühlt. Wir sehen uns am ICE ROCK – da nehme ich dich in den Arm (grinst).