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°"...Persönlich gefällt es mir besser, wenn ein neues Album veröffentlicht wird und die Leute sich die neuen Lieder zum ersten Mal anhören können..."
«Invincible» ist der neuste Streich unserer Lieblings-Schweizer. Shakra haben dabei nichts von ihrem Flair verloren, rocken die Hütte nach wie vor mit ihrem unwiderstehlichen Groove und Charme sowie den aussergewöhnlichen Melodien und beschreiten diesmal erweiterte, sprich unbekanntere Wege. Während andere Bands damit Schiffbruch erleiden, hört es sich bei den Emmentalern hervorragend an. Leadgitarrist Thom Blunier lässt nachfolgend an Informationen zum neuen Werk teilhaben, das er zusammen mit Thomas Muster (Gitarre), Mark Fox (Gesang), Roger Tanner (Drums) und Cyril Montavon (Bass) aufgenommen hat.
MF: Ihr habt mit «Break The Ice» vorab einen neuen Track veröffentlicht. Sollte dieser ein wegweisender Vorbote für «Invincible» sein?
Thom: Oh nein, das war vielmehr ein Nachzügler von «Mad World» und hat nichts mit der neuen Scheibe zu tun. «Break The Ice» war hingegen ein Überbrückungstrack zu «Invincible».
MF: Gefällt es dir, im Vorfeld eines neuen Werkes solche Songs zu veröffentlichen? Früher war das nicht an der Tagesordnung. Magst du sowas oder ist es eher "befremdlich" für dich?
Thom: In dieser Hinsicht bin ich "old fashioned" (grinst). Persönlich gefällt es mir besser, wenn ein neues Album veröffentlicht wird und die Leute sich die neuen Lieder zum ersten Mal anhören können. Zum ersten Mal ein Durchwühlen durch den neuen Output, damit man sich ein Gesamtbild aus dem neuen Zeitabschnitt einer Band machen kann. Das ist heute sehr schwierig geworden. Der Markt verlangt, dass Bands im Vorfeld eines neuen Werkes Singles veröffentlichen. Wenn das Album dann am Tageslicht ist, müssen noch Nachzügler veröffentlicht werden. Dieses reine Album-Ding, wie ich es mag, existiert nicht mehr.
Es wäre schön, wenn wir zu meinen Vorstellungen und Wünschen zurückkehren könnten (grinst). Dann könnte man sich als Künstler wieder auf ein Album und die darauf enthaltenen Lieder konzentrieren. Heute kommt alles tröpfchenweise an die Oberfläche. Als Künstler kann man ein neues Werk nicht mehr richtig abschliessen, da man immer wieder im Songwriting oder in der Produktionsphase ist. Es ist besser, wenn das Album erscheint und man mit seiner Band auf Tour geht. Danach folgt eine kleine Pause, es geht ans Songwriting für das kommende Album, man geht ans Produzieren und der nächste Streich wird veröffentlicht. Heute verbindet man alles miteinander und macht zehn Dinge auf einmal. Ich bin da noch auf die alte Weise gestrickt (grinst).
MF: Heute reicht nicht nur ein neuer Track, sondern das jeweilige Video gehört zwingend auch dazu («Invincible»). Wie rentabel sind solche Filme? Die goldenen 80er-Jahre mit MTV sind schon lange Geschichte…
Thom: …da hast du recht. Laut unserem Umfeld und den Beratern ist es heute unerlässlich, sprich, man muss Videos veröffentlichen. YouTube scheint ein wichtiges Indiz für Veranstalter zu sein, um eine Band zu buchen. Das bedeutet, je mehr Klicks du generierst, desto eher besteht die Möglichkeit, dass deine Truppe gebucht wird. Lohnt sich ein Video? Die Stories in den Filmen haben sich im Verlauf der Zeit verändert. Diese kleinen Spielfilme aus den Achtzigern wären heute nicht mehr finanzierbar. Ich bin ein Fan von Performing-Videos, in denen man die Band spielen sieht und welcher Musiker welches Instrument spielt. Mit «Invincible» haben wir ein solches Video veröffentlicht, aber der Stellenwert eines solchen Clips ist heute definitiv ein anderer als noch vor 35 Jahren, auch weil die Medien von damals nicht mehr am Start sind.
MF: War früher somit alles besser…
Thom: …nein (wie aus der Pistole geschossen). Nicht alles, auch wenn gewisse Dinge von damals einen sehr grossen Reiz besassen. Heute ist man da freier unterwegs, heisst alles ist gestattet, es kann nichts schief gehen und trägt sehr viel Positives in sich.
MF: Was war bei «Invincible» anders als noch bei «Mad World». Damals hattest du einen neuen Teppich hier im Studio, der dich motiviert und inspiriert hat. Was war es dieses Mal?
Thom (überlegt): Es war sicher nicht der Teppich, denn der beginnt zu müffeln (lacht). Wir hatten mehr Zeit, bedingt durch Corona. Wir mussten viele Konzerte absagen, begannen in Ruhe an den neuen Tracks zu arbeiten und hatten keine Deadline, die uns den Weg vorgab. Es war dieses Mal sehr entspannt und kreativ. Wir probierten unterschiedliche Dinge aus. Auch soundtechnisch hatte ich mehr Zeit zum Tüfteln. Hast du einen engen Rahmen, dann wird dies sehr schwierig. Da begibst du dich auf den sicheren Weg, während sich dieses Mal die Möglichkeit ergab, über den Tellerrand hinaus zu schauen. Das war richtig cool, die vorhandene Zeit anders zu nutzen, während dieser doofen Corona-Tage. Das war definitiv ein Vorteil.
MF: Somit ist «Invincible» ein mutigeres Werk als die vorherigen?
Thom: Ja! Das kann ich so unterschreiben. Wobei die Scheiben davor auch nicht von schlechten Eltern waren (grinst). Während dieser Krise, die die Welt heimsuchte, war es nicht das Wichtigste, dass diese Jungs aus dem Emmental eine neue Scheibe veröffentlichen. «Mad World» ging in dieser Zeit fast ein bisschen unter. Das Neue ist..., neuer (grinst) und noch facettenreicher als sein Vorgänger. Bei «Invincible» sind wir noch ein bisschen breiter gefahren. Es sind Lieder zu hören, die sogar mir gefallen (lacht).
MF: Finden sich bei dieser stilistischen Breite auch Dinge, die deiner Meinung nach den Rahmen sprengen würden? Oder bist du beim Komponieren immer so fokussiert, dass du genau weisst, bis hierhin und nicht weiter?
Thom: Es gibt immer Dinge..., ob sie den Rahmen sprengen würden, weiss ich nicht. Unser Kompositionsrahmen ist nicht unfassbar breit, auch wenn er breiter geworden ist (grinst). Aber nicht in dem Ausmass, dass wir das Gefühl hatten, dass dies nicht mehr zu unserem Stil passt. Wir filtern zusammen heraus was passt und diskutieren über Ideen.
"...Sollte dies so weitergehen, würde dies über unseren Erwartungen liegen. In einer Zeit, in der man nicht weiss, wohin die Reise gehen wird..."
MF: Welche Erwartungen hast du an die neue Scheibe? Die letzten konnten immer hohe Chart-Platzierungen erzielen. Kann man noch Erwartungen haben oder wurde es unberechenbarer...
Thom: ...ja, es ist unberechenbarer geworden! Du hast heute keine Ahnung mehr, was passieren könnte. Aktuell sind alle grossen Bands in aller Munde, weil die Schleuse mit Konzerten und Platten sich wieder geöffnet hat. Da gehen wir als eher kleinere Combo unter. Die Erwartungen hoch anzusiedeln, wäre dumm. Was wir tun konnten, haben wir getan, nämlich das bestmögliche Album abzuliefern, das möglich war. Was jetzt passiert, liegt nicht mehr in unseren Händen. Wir werden sehen, wohin die Reise gehen wird. «Invincible» konnte viele Klicks für sich gewinnen. Der Start hat sich somit sehr gut angefühlt. Sollte dies so weitergehen, würde dies über unseren Erwartungen liegen. In einer Zeit, in der man nicht weiss, wohin die Reise gehen wird.
MF: Warten die Veranstalter aktuell zuerst darauf, bis das Album erscheint, schauen anschliessend wie es sich verkauft und buchen euch erst dann?
Thom: Es ist zu hoffen, dass wir durch diesen Release noch mehr Gigs ergattern können. Wir planen langfristig zu touren. Im Juni wird «Invincible» veröffentlicht, und aus diesem Grund hoffen wir, auf ein paar Open-Air Konzerten spielen zu können. Im Herbst wollen wir die Clubs besuchen und im folgenden Jahr noch einmal auf Tour gehen. Nicht, dass der Glanz des neuen Werkes bereits verblasst ist und wir schon wieder ein neues Album heraus bringen müssen, um wieder im Gespräch zu sein.
"...Wir leben in einer freien Marktwirtschaft. Wir bieten uns an, und wenn uns niemand will, dann ist das Pech..."
MF: Wie schwer ist es grundsätzlich für euch geworden, im Musikbusiness zu bestehen, wenn man sich anschaut, wie viele Alben Monat für Monat veröffentlicht werden? Oder könnt ihr von eurem guten Namen leben und macht euch das vieles einfacher?
Thom: Aktuell... (Thom überlegt)..., die Fans haben ein begrenztes Budget und sehen sich die Bands an, die sie sehen wollen, auch wenn die Tickets teurer sind. Wir leben in einer freien Marktwirtschaft. Wir bieten uns an, und wenn uns niemand will, dann ist das Pech. Ich hoffe, dass es nicht an uns liegt, denn meiner Meinung nach sind wir derzeit die beste Version von Shakra, die es je gab, sei es auf der Bühne oder im Studio. Durch verschiedene Umstände sind wir sehr fit und ich hoffe, dass sich das auch auszahlen wird (grinst).
MF: Das hört man auch bei den neuen Tracks. Ihr habt noch einmal eine Schippe drauf gelegt. Gibt es für dich Lieder, die dieses "Mehr" ausmachen?
Thom: Ja, «Invincible» ist so ein Lied…, trotz aller Widrigkeiten lassen wir den Kopf nicht hängen. Dieser Song ist ein Attribut, das gut zu Shakra passt. Wir hatten immer schwierige Umstände, trotzdem kämpften wir uns immer durch alles hindurch. Dass wir wieder ein Album machen, du wieder zu uns ins Studio kommst und der Meinung bist: "... es ist besser geworden, als ich erwartet habe..." Das hört sich unglaublich toll an, denn beim dreizehnten Album könnten Ermüdungserscheinungen auftreten. Der Titelsong zeigt viele Facetten auf, klingt vielleicht ein bisschen böser und ist trotzdem mit einer Melodie ausgestattet. Er beinhaltet alles, von Verzweiflung bis zum Nicht-Aufgeben. Der Titelsong repräsentiert das Album definitiv am besten.
MF: Ähnlich wie «Wall Of Hate", der den Rahmen sprengt und genau deshalb das Album hervorragend abrundet...
Thom: Ja, das ist ein spezieller Song (grinst). Es gibt diese "einfacheren" Rock'n'Roll-Songs, die zu Shakra gehören. Dann kommt «Wall Of Hate», bei dem man nicht genau erkennt, was genau passiert. Es gibt keinen klaren Refrain, und dieser geht auch nicht in eine Strophe über. Alles ist ein bisschen wirr. Aber persönlich finde ich das sehr geil (grinst stolz und zufrieden)! Eine solche Facette hatten wir immer im Sound. Etwas, das sich ein bisschen "wirr" anhört. Ab und zu sind wir auch wirr (lacht).
MF: Aber er ist ein sehr cooler Track geworden.
Thom: Danke dir, das freut mich zu hören.
MF: Auch neu waren die Slide-Gitarren für dich?
Thom: Grundsätzlich gefällt mir das sehr gut, und ich mime auf diese Weise einen verkappten Blueser (grinst). Für mich selbst habe ich immer ein bisschen damit experimentiert. So etwas aufzunehmen, war mir dann aber doch eine Stufe zu gross. Auch wenn ich einen Track komponiert habe, der nur aus Slide-Gitarren besteht. Der hat es allerdings nicht aufs Album geschafft. Daraus ergab sich die Idee, wie sie bei «The Way It is» umgesetzt wurde, und es fühlt sich gut an.
MF: Was sich auch gut anhört, ist dieser Cello-Part in "Tell Her That I'm Sorry"...
Thom: …damit kam Thomas an, eingespielt auf dem Keyboard, aber es klingt wirklich sehr gut. Der Song gefällt mir. Er ist sehr poppig ausgefallen, etwas, das bei uns ja schon öfter zum Tragen kam. Es war seine Idee, die er super umgesetzt hat.
MF: Ist bei euch ein weiteres Live-Album in Planung? Im Studio habt ihr immer abgeliefert, aber live kommt alles nochmals eine Stufe knackiger rüber.
Thom: Wenn du das live mitbekommst..., es in ein leiseres Paket umzuwandeln..., es ist nicht so, dass man zwei Mikrofone hinstellt und es sich genauso anhört, wie der Besucher es wahr nimmt. Eine Live-Aufnahme ist komplex. Persönlich bin ich kein Freund von Live-Scheiben, weil ich der Meinung bin, dass sie schlechter als ein Studio-Album klingen. Für Fans wird es grossartig sein, weil es etwas anderes ist und sie die Atmosphäre in ihren Gedanken zurückholen können. Aber ich bin tendenziell ein "bünzliger" Nerd..., nein, ich bin kein Nerd (lacht), aber ich würde zu viele Dinge heraus hören, die mich stören. Am Ende würde es nicht mehr wie ein Live-Album klingen. Wahrscheinlich müsste ich meine Finger davon lassen (grinst). Zudem müsste es eine Nachfrage nach einer solchen Scheibe geben. Nur ein Live-Album zu machen, weil man es machen sollte..., das ist eine komische Situation. Der Wille muss vorhanden sein, wie auch die finanziellen Mittel. Es kostet Geld, das wir nicht haben, und die Industrie ist im Grunde tot. Wir verkaufen kaum noch Tonträger, da alle nur noch streamen. Ich will nicht jammern, aber ohne Konzerte kann man als Band heute nicht mehr existieren.
MF: Dann hoffen wir aber, dass ihr noch lange auf der Bühne stehen werdet und uns mit solch tollen Scheiben wie «Invincible» verwöhnt...
Thom: ...danke für das Kompliment, deine Zeit und die Unterstützung all die Jahre.