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"...Jeder, der sich mit dem Track auseinander gesetzt hat, weiss, dass «Bombenhagel» ein Antikriegs-Song ist. Leider ist dies aktueller denn je und wird immer aktuell bleiben..."
Tom Angelripper (Bass, Gesang), Frank Blackfire (Gitarre), Yorck Segatz (Gitarre) und Toni Merkel (Schlagzeug), das ist die aktuelle Besetzung von Sodom. Einer Truppe, die 2022 ihr 40-jähriges Bestehen feiert und mit «Bombenhagel» soeben eine neue EP veröffentlicht hat. Wieso gerade dieser Song ausgewählt wurde, wie sich Tom von Schiessereien im Wilden Westen inspirieren lässt, wieso Bernemann nach über zwanzig Jahren die Band verlassen musste und was Sodom von anderen Truppen unterscheidet. Das alles liess das Thrash-Urgestein im folgenden Interview durchblicken.
MF: Tom, neue EP. Wieso habt ihr euch gerade «Bombenhagel» ausgesucht?
Tom: Das ist unser Klassiker, der gehört in jede Setliste. Wir haben das Stück mit unserem neuen Drummer geprobt. Das klang richtig geil, weil er alles auf den Punkt spielt. Es gab schon viele Versionen des Tracks, aber diese ist die erste, wie sie sein soll. Wir haben ein paar Dinge umgebaut, wie bei der Hymne. Die EP sollte nur eine Promo für die kommende Tour sein und wie damals bei «Ausgebombt» mit einem Sticker der Tourdaten versehen sein. Auch wenn alle Gigs gecancelt oder verschoben worden sind, wollten wir die EP trotzdem veröffentlichen, und wie immer bei Sodom mit natürlich zwei exklusiven Songs.
MF: War «Bombenhagel» DER Song, der damals euren Karriereschub auslöste?
Tom: Bei dem Lied war es genau das Gegenteil (lacht). Uns wurde vorgeworfen, dass wir eine rechtsradikale Band seien. Faschisten, welche die deutsche Nationalhymne verwenden. Diesen Vorwurf konnten wir bis heute nicht eliminieren. Jeder, der sich mit dem Track auseinandergesetzt hat, weiss, dass «Bombenhagel» ein Antikriegs-Song ist. Leider ist dies aktueller denn je und wird immer aktuell bleiben. Am Ende des Tages ist er unser grösster Klassiker, und keiner weiss warum (grinst).
MF: Harris Johns (Produzent der Sodom-Klassiker der Frühphase) hat nochmals ein Solo beigesteuert. Wie kams dazu?
Tom: Früher hat Harris auf jeder Platte ein bisschen mitgespielt. Das erste Gitarren-Solo zu «Bombenhagel» kam von Harris. Dies hat er für die neue Version anders gestaltet, weil er nicht alles wiederholen wollte. Das finde ich auch langweilig, wenn man eine neue Version kreiert und dann kopiert. Harris hat improvisiert. Ich bin sehr stolz, dass er mitgespielt hat. Ohne ihn wären wir nicht da, wo wir sind. Er hat sich sehr gefreut, dass er mitmachen durfte. Da hat sich Kult gefunden. Der Song ist es und Harris auch (grinst). Die EP haben wir aber selber produziert.
MF: Die beiden neuen Songs, sind dies Überbleibsel aus der Session zum letzten Album «Genesis XIX»?
Tom: «Pestiferous Posse» ist ein Track gewesen, den wir verwenden konnten. Wir hatten damals mehrere Lieder, die wir nicht aufs Album gepackt haben. Unsere Plattenfirma war der Meinung, dass fünfzig Minuten Spielzeit ausreichen müssen. Material für siebzig Minuten wäre vorhanden gewesen (grinst). Die Frage stellte sich, welche kippst du? Ich finde alle Lieder gut, die wir fertig komponieren. Finden wir es nicht gut, ist es weg für immer und ewig. «Coup de Grace» ist ein brandneuer Song. Komischerweise ist die Tendenz: "Je kürzer, desto besser". Bei «Genesis XIX» haben sich einige beschwert, dass die Tracks zu lang geworden sind, wie «The Harpooneer". Diese Meinung kann ich nicht teilen. Wir schrieben ein Stück nicht extra, damit es sieben Minuten lang wird. Wenn es langweilig wird, dann fällt der Part weg. Die Tendenz geht in die Richtung von kurzen und knackigen Tracks. Die Leute schauen nicht mehr auf die Gesamtspielzeit. Das war früher noch anders. Schau dir nur «Reign In Blood» von Slayer an (grinst). So kurz darf eine Scheibe auch nicht sein (lacht). Es ist immer eine Gratwanderung. Wir hatten nie das Problem ein Album voll zu kriegen und mit Lückenfüllern zustopfen zu müssen. Mit einem Lied, das länger als fünf Minuten dauert, damit habe ich überhaupt kein Problem. Ab und zu bietet sich dies auch an. Man setzt sich kein zeitliches Limit beim Komponieren. Wir sind eine Wochenend-Band, und so werden wir aus dem Songwriting-Prozess immer wieder heraus gerissen. Da viele Shows abgesagt wurden, hatten wir auch mehr Zeit zum Schreiben und Proben. Das ist der Vorteil von Corona. Der Nachteil ist, dass man als Musiker kein Geld verdient. Wir wären in der Lage jedes Jahr eine Platte zu veröffentlichen. Aus der Sicht der Plattenfirma ist dies aber nicht nötig. Die finden zwei bis drei Jahre dazwischen besser. Ich habe den ganzen Arsch voll mit neuen Ideen. Yorck kommt ständig mit neuen Sachen an. Momentan haben wir aber keinen Druck mit einem neuen Werk. Da feiern wir lieber vierzig Jahre Sodom. Vielleicht wird dazu etwas Schönes veröffentlicht?! Wie eine Box. Das ist aber abhängig von der Plattenfirma. Ob wir ein VÖ-Datum haben oder nicht, wir arbeiten ständig an neuen Liedern.
MF: Seit dem neuen Line-up habt ihr drei EPs veröffentlicht. Rechnen sich solche Releases in der heutigen Zeit noch?
Tom: Überhaupt nicht! Mit dem Vorschuss der Plattenfirma können wir die produzieren. Uns wird oft vorgeworfen, dass wir eine EP veröffentlichen, weil wir Geld brauchen. Diese Zeiten sind vorbei, dass man damit etwas verdient! Mit den ganzen Downloads siehst du keinen Cent, und ich kann mir kein neues Auto kaufen. Ich mag EPs und bin mit denen aufgewachsen. Früher haben all die Bands vor Release des neuen Albums eine EP veröffentlicht. Das war geil! Bei Sodom sind immer exklusive Nummern vorhanden, die sonst auf keiner Scheibe zu hören sind. Das ist was Schönes für die Sammler. Würden unsere EP nicht als Vinyl erscheinen, würde ich sie nicht veröffentlichen. Ich liebe Vinyl, und wer weiss, wie lange CDs noch produziert werden? In der ganzen Metal-Szene ist Vinyl wieder stark am kommen. Alle haben den alten Plattenspieler hervor geholt oder sich einen neuen gekauft. Es müssen nicht immer fünf verschiedene Vinyl-Farben veröffentlicht werden, da sehe ich keinen Sinn dahinter. Auch wenn die Plattenfirma der Meinung ist, dass gewisse Fans dann alle Versionen kaufen. Logisch sie wollen Geld verdienen. Aber persönlich bin ich kein Freund davon. Der Vorwurf der Abzocke darf nicht auf die Bands zurück fallen. Veröffentlichen Nuclear Blast oder EMP noch eine weitere Edition…, ich als Fan würde dies nicht mitmachen.
MF: Wie kommt man dazu, einen Text über eine Schiesserei im Wilden Westen zu schreiben («Pestiferous Posse»)?
Tom: Das ganze Thema ist doch klasse! Die beiden Filme «Wyatt Earp» und «Tombstone», wie auch «Gunfighter», haben mich immer interessiert. Das sind nicht Klischee-Western, sondern echt richtige Western Filme (grinst) mit geschichtlichem Hintergrund. Die Schiesserei von O.K. Corral ist die bekannteste in der Geschichte von Amerika. Ich habe mir vorgestellt, wie die vier Cowboys und die vier Earps sich ein paar Meter gegenüber stehen und "gleich gehts los". Wie dieses Gefühl sein muss. Das ist wie heute die Demokraten gegen die Republikaner (grinst). Die Earps waren die Republikaner und die Cowboys die Demokraten. In Amerika gibt es ja nicht viel anderes (grinst). Dieser Krieg zwischen den beiden existiert heute noch immer. Solche Geschichten interessieren mich. Ich schreibe keine History-Texte, sondern versuche immer die Parallelen zu heute zu ziehen. Mich interessieren die kleinen Geschichten des Lebens. Nicht die grosse Weltpolitik, da haben wir schon genug Probleme. Ich bin kein grosser Buch-Leser oder schaue mir Filme an. Dokus interessieren mich. Texte mit wie «Nicht mehr mein Land», da will ich Farbe bekennen.
"...Das ist heute aber nicht mehr möglich. Ob ich jetzt rechts, links oder in der Mitte bin. Bin ich nicht ganz links, dann bin ich schon wieder rechts..."
MF: Wie gehst du mit Falschinterpretation deiner Texte um? Ärgert dich das?
Tom: In unseren Texten gibt es keine Lösungsvorschläge. Jeder soll seine Meinung sagen dürfen. Das ist heute aber nicht mehr möglich. Ob ich jetzt rechts, links oder in der Mitte bin. Bin ich nicht ganz links, dann bin ich schon wieder rechts. Bei «Bombenhagel» hatten wir die deutsche Hymne dabei, das haben viele missinterpretiert. Ich bin Deutscher, wieso darf ich die nicht in einem Lied verwenden? Die läuft bei jedem Fussballspiel. Das bedeutet nicht, dass ich stolz auf unsere Vergangenheit bin. Mittlerweile kann ich die Kritik aushalten. Ich schreibe meine Texte wie ich sie schreiben will. Je mehr dagegen sind, desto besser (lacht). Wir waren schon immer eine Revoluzzer-Truppe. Wir machen keine Musik, um uns nur Freunde zu machen (grinst).
MF: Mit dem letzten Album seid ihr auch in den deutschen Charts auf Platz 10 eingestiegen. Wie wichtig sind dir heute solche Platzierungen noch?
Tom: Wir waren sogar enttäuscht darüber, da wir mit den Top-5 gerechnet haben (grinst). Das kann ein Indikator dafür sein, dass es ganz gut läuft. Was bringt uns das? Dass das Label zufrieden ist und uns die Option für ein weiteres Album eröffnet. Auch eine Auszeichnung…, die sind zwar schön, aber am Ende des Tages hängen die im Keller. Ich halte da nicht viel davon. Wären wir nicht in den Charts und den Top-10, würde mich dies nicht ärgern. Wir haben eine starke Fan-Basis. Ich unterhalte mich mit den Fans, wie sie über das Album denken. Wir machen neue Musik in erster Linie für uns und die Fans. Wenn viele es nicht mögen, dann ist es einfach so.
MF: Hast du jemals das Gefühl gekriegt, den musikalischen Weg oder die Wurzeln von Sodom verlassen zu haben?
Tom: Überhaupt nicht! Sodom ist die einzige Band, welche ihren Weg nicht verlassen hat. Wir versuchen bei jedem Song den wir schreiben, den Spirit der alten Tage mit rüber zu retten. Sodom ist die einzige Truppe, die sich nicht verändert hat. Jeder anderen Combo könnte man dies unterstellen, aber nicht uns! Wir versuchen bessere Lieder zu schreiben und dabei abzurotzen. Sodom wollen nicht ganz gross werden, denn dann musst du dich ändern. Speziell im musikalischen Bereich. Auch die Bühnenproduktionen müssen grösser und mächtiger werden. Da muss mehr Pappe rauf (grinst). Bei uns hängt ein Backdrop, das dreissig Jahre alt ist und stinkt (lacht). Der Staub der Geschichte liegt bei uns auf den Sachen drauf (lacht). Darum ist Sodom wahrscheinlich die letzte authentische Metal-Band.
MF: Was war der Grund, dass du dich damals von Bernemann und Markus getrennt hast? Ich hatte das Gefühl, dass du mit der neuen Besetzung wieder mehr zu deiner musikalischen Frühphase zurück gekehrt bist.
Tom: Ja, das war auch einer der Gründe. Ich wollte in meine Setliste auch Lieder aufnehmen, die wir noch nie live spielten. Bernemann war überhaupt nicht daran interessiert einfach auch mal die «Obsessed By Cruelty» anzuhören. In der Zeche Bochum spielten wir die 30-Jahre Show. Er ist nach dem Soundcheck abgehauen, bevor wir mit den Gastmusikern proben konnten. Da merkte ich, dass sein Interesse nicht mehr da war. Dienst nach Vorschrift. Nicht zu viel Energie rein stecken. Diesen Eindruck gewann ich bei Bernemann und Markus. Das geht überhaupt nicht. Schon gar nicht bei einer 30-Jahre Show und wenn das Venue komplett ausverkauft ist. Das wars dann. Obschon Bernemann über zwanzig Jahre bei mir in der Truppe war. Bewundernswert! Ich hatte das Gefühl, dass sie nicht mehr glücklich waren und der Spirit fehlte. Man lebte sich auseinander. Meine neue Truppe ist anders, die stecken sehr viel Herzblut rein. So muss es sein, es ist der Idealfall, ist aber bei vielen Combos nicht so. Ich wollte immer einen zweiten Gitarristen in der Band haben. Das hat Bernemann stets abgelehnt.
MF: Die Sperrspitze des deutschen Thrash Metals mit Sodom, Destruction und Kreator. Gab es da nie Neid, zum Beispiel nach eurem grossen Erfolg mit «Agent Orange»?
Tom: Überhaupt nicht, den haben wir uns immer gegenseitig gegönnt, glaube ich zumindest. Wir waren die erste Truppe, die einen Plattenvertrag ergatterte. Okay, man weiss nicht, was hinter der Hand gemunkelt wird. Kreator haben anders eingeschlagen als Sodom. Wir respektieren uns gegenseitig, und ich bin stolz auf meine Kollegen wie Schmier, Gerre und Mille, dass sie noch immer am Start sind. Wir sind befreundet, auch wenn sich Mille eher bedeckt hält. Aber mit den beiden anderen pflege ich regelmässigen Kontakt. Jeder macht sein Ding, und das ist gut.
MF: Was unterscheidet Sodom von Destruction und Kreator?
Tom: Man hört es! Alles ist ein bisschen anders. Kreator haben sich weiter entwickelt, auf eine andere Art und Weise. Mille hat viel in die grossen Bühnenshows investiert. Sie tourten viel mehr als Sodom. Ich hatte nie Bock darauf, auch nicht auf so ausgedehnte US-Tourneen. Weil ich andere Flausen im Kopf habe (grinst). Der Erfolg gibt ihm recht. Kreator haben sich vielleicht auch musikalisch verändert. Das muss man, um eine breitere Masse anzusprechen. Das haben wir nie gemacht. Mir reicht das so, wie es ist. Ich kann auch nicht mehr jahrelang auf Tour gehen. Das ist aber zwingend notwendig, um gross und bekannt zu werden. Ich will mich musikalisch nicht ändern, sondern nur die Songs spielen und komponieren, auf die ich Bock habe. Wenn es so weiter läuft wie jetzt, dann bin ich super zufrieden.
MF: Dann wünsche ich dir weiterhin alles Gute und dass du mit deiner Band wie der Musik zufrieden bist und bleibst.
Tom: Danke, dir auch. Bis bald.