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19. Mai 2022, Solothurn – Kofmehl
By Rockslave
Genau einen Monat zuvor wäre der ehemalige Krokus Gitarrist siebzig Jahre alt geworden, aber das war ihm leider nicht vergönnt, da er bereits im Dezember 1986 durch Suizid tragisch aus dem Leben schied. Zurück blieb mitunter das Vermächtnis der ersten fünf LPs von Krokus zwischen 1975 bis 1981. Höhepunkt dessen war sicherlich der Erfolg von «Metal Rendez-Vous» (1980). Das Tribute, das von Thomys Bruder Daniel angestossen wurde, hielt dazu nun einige Überraschungen bereit.
Eine bessere Location für diesen geschichtsträchtigen Anlass als das Kofmehl in Solothurn hätte dabei nicht ausgewählt werden können und bescherte, nicht unerwartet, ein restlos ausverkauftes Haus! Im Vorfeld des Tribute gab es in den lokalen Zeitungen einen ansehnlichen Bericht über den ausdrucksstarken, aber sensiblen Gitarristen. So waren alle bestens auf diesen kultigen Abend eingestimmt. Bevor Thomy für Krokus in die Saiten haute, gab es noch diverse andere Line-ups, wovon einige alte Wegbegleiter zu Ehren ihres verstorbenen Kollegen auftraten. Das Ganze war natürlich chronologisch orchestriert und in zwei Haupt-Sets aufgeteilt worden. So kam zuerst die Frühphase des Schaffens von Thomy zum Tragen und brachte Songs der einstigen Bands Lovely Fleas, Terrible Noise, Inside, Kaktus oder den City Leaders hervor. Nebst ein paar Eigenkompositionen wurden vor allem prägende Covers wie «Foxy Lady» (Jimi Hendrix), «On The Road Again» (Canned Heat), «Light My Fire» (The Doors), «Oh Well» (Fleetwood Mac), «Crossroads» oder «Sunshine Of Your Love» (beides von Cream) mit Inbrunst gespielt. Damit wurde eindrücklich in Erinnerung gerufen, welchen Einfluss diese Kult-Songs auf das spätere Wirken haben sollten. So traten in ständig wechselnden Formationen alte Kollegen von Thomy, wie zum Beispiel die beiden Gitarristen Marko Dermelj und Pierre-Alain Kessi auf.
Weitere Namen waren Andreas Fischlin (Cello), Jürg Nägeli (Bass), sowie Ben Jeger und Peter Born, die feine Keyboard- und Orgel-Sounds ablieferten. Gleich zu Beginn steuerte auch Fernando von Arb ein paar benötigte Kiefer-Licks der Frühphase bei. Mit Heiner "Henry" Fries, der aktuell und zusammen mit Pierre-Alain unter dem Namen "The Rockdaddies" immer noch aktiv in der Szene ist, kam ein potenzieller Krokus-Frontmann zu Ehren, der zwischen «Painkiller/Pay It In Metal» und «Metal Rendez-Vous» als offizieller Sänger fungierte, schon bald aber von Marc Storace abgelöst wurde und deshalb keine Tonträger Vocal Credits unter dem Krokus-Banner verbuchen konnte. Anfangs der 80er und eher kurz waren Fries sowie Kiefer gemeinsam mit den City Leaders unterwegs. Die 1982 erschienene Single «Instant Information» steht auch bei mir im Regal. Mit etwas Showtime war unter anderem der Auftritt von Drummer "Supermax" Schnyder verbunden, der drei City Leaders Songs trommelte. Dazu halfen befreundete Musiker wie Drummer Peter Kohler und der jüngere Bassist Miro Rutscho kongenial agierend aus. Dazwischen machte Daniel Kiefer ein paar Ansagen für das gut antizipierende Publikum und griff, zusammen mit Guest Housi Wittlin (Span), zu den beiden Stones-Gassenhauern «Jumpin' Jack Flash» und «Honky Tonky Women» gleich selber in die Saiten. Nach einem würdigen Zwischenapplaus verkündete Daniel nachfolgend eine "genau zwanzig Minuten" andauernde Pause.
Bei diesem Break wurde dann die Bühne für den zweiten Teil des Abends hergerichtet, der von vielen Besuchern natürlich mit grosser Spannung erwartet wurde. Nach wenig mehr als dem angekündigten Break war es endlich soweit, aber bevor die Lautstärke im Kofmehl signifikant zunehmen sollte, folgte mit dem Lied «Can't Find My Way Home», im Original von Blind Faith (1969) und auf akustischen Gitarren vom Duo Kiefer/Dermelj vorgetragen, einer der Lieblings-Songs von Thomy. Im Anschluss wurde die Zeitkapsel schliesslich zur "Thomy Kiefer Band" entsandt, wo zuerst, mit Guest Jimi Hofer (Broncos MC Switzerland) an den Lead-Vocals, Steppenwolfs Insel-Song «Born To Be Wild», gefolgt von «Let's Work Together», einem weiteren Canned Heat Klassiker, die Stimmung im Saal "angeheizt" werden sollte. Das gelang letztlich, sprich unter anderem mit dem unsterblichen Hit «Pretty Woman» von Roy Orbison (hier mit Dermelj an den Leadvocals), bevor mit «Only One Number One» ein eigener Song der einstigen "Thomy Kiefer Band" und wiederum mit Bruder Daniel am Gesang zur Aufführung gelangte. Als Letzterer die Gitarre weggelegt hatte und die abschliessende Ansage des Abends erfolgt war, kam für den Blues «I'm Trying So Hard» so zu sagen eine "angenäherte «To You All» Formation" mit Steady, Kiefer, Von Arb, Dermelj, Nägeli und Jeger zusammen und sorgte mit sattem Groove für ein weiteres Highlight dieses bis hierhin schon sehr ehrwürdig abgehaltenen Anlasses, der auch im Hintergrund absolut professionell durch mehrere Helfer unterstützt wurde.
Bekanntlich kommt das Beste immer zum Schluss, und das galt im Besonderen für die fünf noch anstehenden Krokus-Songs, die auf dem Zeitstrahl den Bereich zwischen 1977 bis 1981 abdeckten. Da im Vorfeld bereits bekannt wurde, dass Chris "Dö Röhr" von Rohr heute Abend nicht nur Bass spielen werde (gar Schlagzeug wäre ja auch noch möglich gewesen!), hiess natürlich, dass auch zwingend Tracks vom Album «Painkiller/Pay It In Metal» zu erwarten waren, ja folgen mussten. Wenn ich hätte auswählen dürfen, wären das «Killer», «Bad Love» und «Bye Bye Baby» gewesen! Mit der Wahl von «Bad Love» war dann allerdings nicht nur meine Wenigkeit absolut überwältigt und liess mich, mit wässrigen Augen, in totaler Ehrfurcht "ausflippen" und geniessen zugleich, jede Sekunde! Diese Mega-Halbballade mit vier Fünfteln des Original Line-ups zum ersten Mal überhaupt und wohl gleichzeitig für immer doch noch live erleben zu dürfen, trug schlicht göttliche Züge! Nicht minder kultig fuhr der «Highway Song», begleitet vom legendären "Autobahn-Video", ein, wo sich die Protagonisten beim Dreh damals "fast die Klöten abfroren"! Wesentlich heisser gebärdete sich das abschliessende Live-Trio mit «Winning Man» (ab der LP «Hardware») und die beiden «Metal Rendez-Vous» Classics «Tokyo Nights» und «Bedside Radio» im lichtstrahlmässigen Line-up Storace/Von Arb/Von Rohr/Kohler/Meier/Steady! Vor allem «Winning Man» war sowas von vollfett in die Schnauze wie bretthart, das einem da vorne am Bühnenrand schlicht die Kinnlade nach unten fiel!
Als dann am Schluss alle beteiligten Musiker zum Song «Fire» einander auf der Bühne sich und dem gerührten Publikum für diesen unvergesslichen Abend dankten wie in den Armen lagen, inklusive Freddy und Chris (!), sowie nicht nur Letzterer beim ab Band zu hörenden legendären Guitar-Solo von Thomy mit den Tränen zu kämpfen hatte, schaute Daniel ein letztes Mal nach links zur DJ-Empore hinauf, wo die wohl zuletzt gespielte Gitarre seines Bruders im hellen Licht erstrahlte und alle Anwesenden zumindest spüren liess, dass der hiermit sehr würdig geehrte Meister-Gitarrist die ganze Zeit unter uns weilte und wir ihn danach im Herzen nach Hause tragen werden. Die alles umhüllende Magie dieser wunderbaren Zeitblase wird allen, die an diesem "gewöhnlichen Donnerstagabend" mit dabei waren, unvergessen bleiben, bis in alle Ewigkeit.