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Die Begründer der "Neuen Deutschen Härte" rührten nach dem selbstbetitelten siebten Album, das im Mai 2019 erschien, mit der ganz grossen Kelle an und starteten kurz darauf die erste opulente Stadion-Tour, dessen Tickets innert kürzester Zeit wie Schnee an der Sonne wegschmolzen. Der angekündigten Fortsetzung der Tour im Jahr darauf folgte das identische Szenario, das aber, bedingt durch Corona, nun für zwei Jahre ausgebremst wurde.
Diese auferlegte Zwangspause brachte, wie für unzählige andere Bands und Künstler auch, mit sich, dass die Zeit dafür genutzt wurde, um neue Songs zu schreiben. Dies wäre ohne die Pandemie so sicher nicht geschehen, denn es wurde gemunkelt wie vermutet, dass es von Till Lindemann & Co. wohl kein neues Material mehr geben wird und nach den ultrapompösen Konzerten der Stecker ganz gezogen wird. Wie wir wissen, kam es anders, und kurz vor der Wiederaufnahme der verschobenen Tourdaten hat die Band nun gar ein brandneues Album mit im Gepäck. Wie schon der Song «Deutschland» vom Vorgänger, vermochte «Zeit» als erste neue Single ebenso zu überzeugen und schoss gleich an die Spitze der Charts. Das Video dazu schöpft dabei audiovisuell wieder aus dem Vollen, und spätestens seit dem erwartungsgemäss polarisierenden Live-Klassiker «Pussy» (2009), der ersten Nummer eins Single, darf das Thema Sex nicht fehlen. Allerdings stumpft sich das "provokante Thema" langsam aber sicher ab, was jedoch nicht der "Me Too"-Bewegung geschuldet ist. Wer Fan von Rammstein ist, dürfte sich überwiegend nicht nur am harten Sound laben, sondern auch den Texten Beachtung schenken. Die Kunst des Reimens in Perfektion wird dabei von kaum einer anderen Truppe so treffend und eigen umgesetzt, wie von Rammstein. So kann man sich beim Video der zweiten Single «Zick Zack», die den Schönheitswahn und dessen hirnrissige Auswüchse thematisiert, kaum ein Lachen verkneifen. Dabei ist schwer anzunehmen, dass den Berliner Industrial-Ikonen solche Video-Drehs selber Spass machen.
Somit alles wie gehabt? Nicht ganz, denn erstens fällt auf, dass Flake und seine Synthies insgesamt, wie unter anderem beim Opener «Armee Der Tristen», noch nie so dominant in Szene gesetzt wurden. «Zeit» beschwört hingegen eine nachdenklich stimmende Note mit Endzeit-Stimmung herauf, was aktuell und leider dem Zeitgeschehen ein Stück weit Rechnung trägt. Ins gleiche Horn bläst auch «Schwarz», während «Giftig» die gewohnten Riffwände auffährt und, je nach Vorstellung, eine menschliche oder tierische Schlange besingt. Kurze Titel und oftmals kurze Spielzeiten unter vier Minuten ist man gewohnt, aber dass «OK» zum Beispiel für "ohne Kondom" steht, käme kaum jemandem sonst in den Sinn. Des Weiteren zeichnet sich auch das achte Album durch den lyrischen Spagat zwischen düsteren und lüsternen Themen aus, wie das bei «Angst» und «Dicken Titten» der Fall ist. Ungewohnt mutet dafür der Einsatz von "Autotune" bei «Lügen» an, und ob der mit «Adieu» betitelte Schlusssong ultimativ doch das vorweg nimmt, was die Fans sicher nicht hören wollen, wird sich zeigen. Vorher wird es aber bald interessant zu sehen und zu hören sein (in der Schweiz ja am 30.05. und 31.05.2022 im Zürcher Letzigrund Stadion), wie die aktuelle Setliste bestückt und das Ganze in die Bühnenshow integriert wird. Wem die seit dem Debüt (!) jeweils immer elf regulären Songs pro Album zusagen, wird auch «Zeit» mögen, und der Rest eben nicht! Sollten Rammstein danach bald einmal tatsächlich abtreten, steht eine Band aus Schweden bereit, dereinst gewisse Lücken zu schliessen: Ghost!
Rockslave