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Das neue Avantasia-Werk ist eine zwiespältige Sache. Startet es mit den ersten fünf Liedern grandios als 10-Punkte-Album, kann Tobias Sammet die Spannung gegen hinten nicht mehr halten. Und das selbst dann, wenn man (im mehrfach durchgeführten Selbstversuch) beginnt, sich das neue Werk mit der zweiten Hälfte anzuhören.
Aber schauen wir kurz zurück: Nach den beiden halbgaren Werken «Age Of The Joker» (Edguy, 2011) und «The Mystery Of Time» (Avantasia, 2013), hatte das das darauffolgende Edguy-Album «Space Police» (2014) wieder mehr Klasse. Tobias Sammet konzentrierte sich danach ausschliesslich auf Avantasia, was im fantastischen «Ghostlight» (2016) und im ebenso herausragenden «Moonglow» (2019) mündete. Daher hoffte ich jetzt auf ein ähnlich starkes Werk, dies auch weil Edguy weiterhin am Pausieren sind (aber offiziell nie aufgelöst wurden). Der Einstieg gelingt mit dem schrägen «Welcome To The Shadows» fulminant und zieht einem, zusammen mit dem fantastischen Album-Cover, in den Bann. Was dann mit dem ultraharten «The Wicket Rule The Night» folgt, ist Edguy pur, wie man sie zu ihren kreativen Hochzeiten bei «Hellfire Club» (2004) kannte.
Primal Fear Sänger Ralf Scheepers steuert hier (s)einen Gesang bei, der mehr in Richtung Thrash statt Heavy Metal geht. Auch «Kill The Pain» vermag mit seiner deutlichen «Nightwish Schlagseite dieses hohe Niveau halten, und wartet passend dazu mit deren Sängerin Floor Jansen auf. Wer bisher Helloween Legende und Avantasia Dauergast Michael Kiske vermisste, kommt bei «The Inmost Light» auf seine Kosten. Kiske ist und bleibt eine Ausnahmeerscheinung, und Tobias Sammet beweist erneut, wieso sein Power Metal immer wieder zur Weltspitze gehört. Das unterstreicht er auch bei der wieder etwas ruhigeren und typischen Avantasia Hymne «Misplaced Among The Angels». Bis hierher entpuppt sich «A Paranormal Evening With The Moonflower Society» als Monument in Sachen Heavy, Power, Musical und Symphonic Metal.
Deshalb ist es jammerschade, dass dieses Niveau danach nicht mehr gehalten werden kann. Trotz guter Ideen, viel Abwechslung, toller Gitarren-Riffs und -Läufe fehlt plötzlich der Biss, die Klasse, die Genialität der vorgängigen Lieder. Und das trotz hochkarätiger Gäste wie zum Beispiel (Geoff Tate, Ex-Queensrÿche», Jorn Lande, Bob Catley (Magnum) oder Eric Martin (Mr. Big). Wer genau hinhört, wird vielleicht in «The Moonflower Society» oder im wiederum an Edguy erinnernde «Rhyme And Reason» Hits entdecken. Das abschliessende 10-minütige «Arabesque» fasst dann das Problem der zweiten Album-Hälfte gut zusammen, denn trotz wahnsinnig tollen Gesängen und emotionalen Gitarren-Soli will dieses Lied einfach nicht mehr richtig zünden.
Persönlich hoffe ich, dass dieser hier gezeigte Einbruch nicht dauerhaft sein wird. Denn wie schon erwähnt, zeigt Tobias Sammet im ersten Teil von «A Paranormal Evening With The Moonflower Society» dass er immer noch der bessere Songwriter ist, als 99 Prozent aller anderen Power Metal Bands einen in ihren Reihen zu schätzen wissen. Das neue Werk zeigt aber auch, dass sich die Spreu mit jedem einzelnen Song vom Weizen trennt, und da retten weder grosse Namen, noch fantastische Produktionen etwas. Avantasia gehören aber immer noch zum Besten, was in diesem Jahr bisher in diesem Genre erschienen ist. Kenner der Band dürfen gerne zugreifen. Neueinsteigern seien aber weiterhin die beiden stilprägenden Erstwerke sowie «Ghostlights» (2016) und «Moonglow» (2019) empfohlen.
Roger W.