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Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen. Es war dieses ungehobelte, wilde Riff, es war dieser Knochen-spaltende Schrei und dieser ungebändigte Rhythmus, der mich für eine lange Zeit nicht mehr los liess. Der Song nannte sich «Queen Of The Reich» und die dazu gehörende Truppe Queensrÿche.
Die Amis aus Seattle hatten soeben ihre Debüt-EP veröffentlicht, und was darauf zu hören war, erinnerte an eine frische, amerikanische Mischung aus Iron Maiden und Judas Priest. Kurz darauf erschien das Debüt-Album, welches ich mit Sehnsucht erwartet hatte und «The Warning» enttäuschte mich zu keiner Sekunde. Was Sänger Geoff Tate, Bassist Eddie Jackson, Schlagzeuger Scott Rockenfield und die beiden Gitarristen Chris DeGarmo und Michael Wilton da ablieferten, schien nicht von dieser Welt zu sein. Lieder wie «NM 156», «Take Hold Of The Flame», «Child Of Fire» oder «Warning» hievten die Jungs nochmals näher zum Olymp. Speziell mit «Roads To Madness» katapultierten sich die Amis schlichtweg in mein Herz. Die Art, mit welcher verspielten Art, den sensationellen Melodien und der perfekt ergänzenden Härte, aber auch der sanften Art, suchte in dieser Form zu jener Zeit seinesgleichen.
Der Nachfolger «Rage For Order» blieb von diesem Zeitpunkt an das Meisterwerk der Herren. Dies lag nicht nur an der Dalbello Cover-Version von «Gonna Get Close To You», sondern auch an den vielen unsterblichen Hits, welche dieses Album beheimateten. Auch wenn «Operation: Mindcrime», das dritte Album und die Mutter aller Konzept-Alben den Jungs von Queensrÿche den grossen Durchbruch bescherte und mit «Empire» der kommerzielle Erfolg gefeiert wurde, hörte ich meine Helden danach nie mehr so perfekt wie auf «Rage For Order». Mit «Promised Land» begann für mich der Abstieg meiner Helden, der lange nicht mehr aufgefangen werden konnte. Was folgte, waren unschöne Szenen im Gericht zwischen Geoff Tate und dem Rest der Truppe (Chris hatte die Band schon früher verlassen). Es folgte, was folgen musste und Geoff verliess die Band. Jene Stimme, welche den Sound der Combo dermassen beeinflusste.
Mit dem ehemaligen Crimson Glory Shouter Todd La Torre fanden Michael, Eddie, Scott und Parker Lundgren glücklicherweise den geeigneten Sänger, der Songs wie «Queen Of The Reich» sensationell interpretieren konnte. Was nun folgen musste, war ein Album, das sich freischwimmen kann, sprich aus der Orientierungslosigkeit heraus führt. Zurück wieder zu den Tracks, welche sofort ins Ohr gehen, die mit der nötigen Härte vorgetragen und mit Finessen dargeboten werden. Die bisher erschienen Werke «Queensrÿche» (2013), «Condition Hüman» (2015) und «The Verdict» (2019) zeigten sicherlich eine wiedererstarke Einheit, die aber noch davon entfernt war, den Klassikern das Wasser reichen zu können. Allein der Umstand, dass die Musiker wieder den richtigen Pfad einschlugen, liess die Hoffnung nie erfrieren, dass man bald wieder mit einem weiteren Meilenstein rechnen konnte. Zumindest war «The Verdict» ein richtig cooles Werk, das sich in meinem CD-Schacht des Öfteren drehte.
Im Vorfeld des neusten Streiches machte das Gerücht die Runde, dass Scott sich mehr um seine Familie kümmern wollte. Was zuerst nach einer Auszeit aussah, entpuppte sich als Ausstieg aus der Truppe, die von seinem Schlagzeugspiel lebte. Sein Ersatz wurde ein Altbekannter. Casey Grillo feierte seine ersten Erfolg mit Kamelot und wurde vom Session-Tour-Trommler zum festen Mitglied der Seattler, bei welchen mittlerweile wieder Mike Stone die Gitarrensaiten zupft. Der Opener «In Extremis» des neuen Studio-Outputs lässt aufhorchen, überzeugt mit tollen Gitarrenmelodien und einem Todd in absoluter Höchstform. Auch Casey beweist, dass er einer der Besten seines Faches ist. Fazit: Zumindest der Einstieg passt perfekt und lässt die letzten drei Studio-Alben ziemlich blass erscheinen.
Auch «Chapters» lässt das Grinsen nicht aus dem Gesicht weichen. Die Band ist sicher weit davon entfernt neue Songs zu komponieren, welche auf die ersten beiden Scheiben gepasst hätten, aber was sie aktuell heraus pfeffern, ist ganz grosses Kino. Somit hätte «Lost In Sorrow» von seiner Attitüde her bestens auf «Operation: Mindcrime» gepasst, und das schnelle «Sicdeth» mit seinen Tempowechseln lässt alte Erinnerungen aufkeimen. Mächtig erklingt «Nocturnal Light» und die doppelten Harmonien der beiden Gitarristen zu Beginn bei «Out Of The Black» machen Lust auf mehr. Wahrscheinlich habe ich die letzten beiden Werke um einen fetten Punkt zu gut benotet, was der Freude, dass die Truppe wieder auferstanden war, geschuldet ist. Somit bleibt für «Digital Noise Alliance» eine faire 9er-Wertung, denn an die «Rebell Yell» Cover-Version von Billy Idol als Bonustrack muss ich mich zuerst noch gewöhnen.
Tinu