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Metal Factory since 1999
Es mag Metal-Genres geben, die sich damit begnügen, die Vergangenheit immer wieder zu reanimieren. Andere, gerade junge Bands überraschen hingegen mit dauerhaft fortschrittlichen Produktionen. Zu dieser Kategorie gehört auch die kanadische Band SPIRITBOX. Sie nutzt stets den knüppelharten Metal-Klang-Parameter, um sich weiterzuentwickeln.
Durch die zunehmende Verfügbarkeit technologischer Errungenschaften wie High-End-DAWs und sieben- bis achtsaitige Gitarren ist das Genre sehr innovativ geworden. Der Vierer um Frontröhre Courtney LaPlante verkörpert so ziemlich alles, was modernen Metal im Jahr 2025 ausmacht. Ihr knackiger, dichter Digi-Metal hat sich als Durchbruch erwiesen, was ihnen zuvor, mit teils abstrusen Djent- und Prog Metal Einflüssen, nicht vergönnt war. Beim Zweitwerk «Tsunami Sea» ist es Spiritbox ausserdem gelungen, eine nahezu perfekte Sammlung zugänglicher, harter Musik zu schaffen.
Sie besticht mit beeindruckender Brutalität, die aber auch im harmonischen Gleichschritt mit lebhafter, emotionaler Klarheit funktioniert. «Tsunami Sea» verschmilzt das Extreme und die Gelassenheit mit müheloser Eleganz. Während sich ähnliche Metal-Acts vergangener Jahre oft auf bekannte Kompositions-Formeln verliessen, sind Spiritbox zu ambitioniert, um sich durch Vorlagen selbst zu fesseln. Unergründlich schwere Stücke wie «Black Rainbow» und «No Loss, No Love» legen den Schwerpunkt auf legierte Takte und Courtney LaPlantes monströses Gebrüll, während «Perfect Soul» ihren klaren Gesang über freundlichere, farbenfrohe Tech Metal-Riffs schweben lässt.
Durch den intuitiven Einsatz von Elektronik (man höre das flüssige Schlagzeug und den Bass von «Crystal Roses») und die tiefe emotionale Resonanz wie bei «Deep End», erhält jeder Track seine ganz eigene Persönlichkeit. Und dann wären da noch die fein strukturierten Nuancen zu beachten. «Tsunami Sea» bewegt sich mit der Konsistenz eines aufgewühlten Ozeans und spiegelt damit seinen Titel bestens wider. Die von den Deftones inspirierten Rhythmen des Titeltracks wogen wie riesige Wellen auf dem weiten Meer, während die Synthesizer-Schichten, die den titanischen Refrain von «Ride The Wave» verstärken, wie eine plötzliche Flut wirken, die einen mitreisst.
Die elf Songs auf «Tsunami Sea» sind eine selbstbewusste Darbietung einer Band, die ihr Handwerk voll und ganz beherrscht, und einen grundsoliden Beweis dafür darstellt, dass Heavy Metal auch im Jahr 2025 noch lebendig und relevant ist. Die Härte und Feinheit des neuen Albums werden der Zuhörerschaft ein Loch in die Brust schlagen und gleichzeitig, während einer Dreiviertel-Stunde, schützende Arme ums Herz legen.
Oliver H.