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Metal Factory since 1999
So steht es im Marketing-Text: …AND OCEANS stehen für eine finnische Extreme Metal Band, die seit 1995 für ihre ständige Wandlung bekannt ist. Entstanden aus Death Metal (Festerday), dann verschmolzen mit Black Metal, Klassik, Industrial, EBM und kybernetischen Elementen. Niemals einem Genre verpflichtet, sondern getrieben von Innovation und melancholischem Ausdruck.
So erhöre ich es: Ein Hauch von Schwefel, ein Schimmer von Quecksilber. Irgendwo zwischen Entropie und Erwachen beginnt «The Regeneration Itinerary», nicht mit einem Schlag, sondern mit einer Veränderung. Dies ist ein Gefährt, das mitten in einer Transformation gefangen ist, schwebend zwischen Form und Formlosigkeit, aus Stille und Flammen geformt. And Oceans bewegen sich in einer Spirale, heisst sie wiederholen sich ständig, verändern sich dabei aber immer wieder und sind niemals gleich oder gar monoton. Vom ersten Schlag von «Inertiae» an bin ich schwerelos.
Ein hellwach gelähmter Körper driftet durch tranceartige Korridore aus frostigem Black Metal und mechanischen Träumen, die Vocals beschwören. Mathias Lillmåns heult wie ein Prophet, der an Silber erstickt, und kanalisiert die doppelte Sprache von Schmerz und Aufstieg. Die Gitarren zucken in Wellen der Melancholie, während sich die Synthesizer wie Rauch aus einem zerbrochenen Spiegel entfalten – flackernd, ungreifbar, lebendig. «Förnyelse i Tre Akter» bewegt sich wie ein Vorhang, der von vergessenen Selbst zurückgezogen wird, in dem Glocken-Schläge in einem Theater der Geister widerhallen.
Hier verschmelzen Erinnerung und Mythos miteinander, jeder Riff ist ein Faden im kosmischen Webstuhl. Die Trommeln atmen und ziehen mich weiter an einen Ort jenseits von Struktur und Identität. Dann folgt «Chromium Lungs, Bronze Optics»: Metall wird Fleisch, Fleisch wird Schaltkreis. Atem ist nicht mehr Atem, sondern Daten. Mach ich noch Sinn? Wohl nicht aber ...Blut ist nicht rot, sondern kupferfarben. Die Alchemie des Klangs wird physisch, elementar und unvermeidlich. Ich bin nicht mehr Zuhörer, sondern bin die Leiter des Stroms. Jeder Track ist ein Tor, jeder Rhythmus ist ein Schlüssel.
«The Form And The Formless» erscheint wie eine Vision, die man durch Schleier erblickt: ekstatisch, sich auflösend, unendlich. Er schreitet nicht voran, sondern entfaltet sich. Es ist der Ouroboros, der das Licht verschlingt. Es ist die Zeit, die sich zu einer Geometrie des Klangs entfaltet. Und doch treibe ich weiter: durch die silberne Spirale von «Propetary Mercury Implement», den inneren Feuerofen von «The Fire In Which We Burn» und die molekularen Hymnen von «The Ways Of Sulphur».
Die Songs verdampfen und hinterlassen Spuren von Traumlogik und metaphysischem Duft. Hier kriegt der Schwefel Flügel. Hier teilt sich die Münze in zwei Teile und wird wieder eins. Der letzte Song, «The Terminal Filter», fühlt sich weniger wie ein Finale als wie ein Übergang an. Ein Puls durch oxidierte Gitter, eine Umarmung der grossen Stille jenseits der Architektur. Es ist nicht der Tod, es ist Destillation. Am besten erlebt man «The Regeneration Itinerary» so: Allein, in völliger Dunkelheit und mit geöffnetem, drittem Auge.
Lukas R.