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Mit «Braiding the Stories» haben Gaahls WYRD die Höhle verlassen und sind in den Traum eingetreten. Was auf «The Humming Mountain» als schlaftrunkener Meditationszustand begann, bricht nun in klare Träumereien aus – nicht chaotisch, sondern unheimlich komponiert. Dieses neue Werk ist nun aber nicht die Fortsetzung, sondern kommt eher einer musikalischen Häutung gleich.
Das Album beginnt mit «The Dream», einer subtilen Beschwörung, in der geflüsterte Stimmen und gespenstische Harmonien signalisieren, dass wir uns nicht mehr im Reich des traditionellen Metal befinden. Von dort aus baut die Band eine Klanglandschaft auf, die porös und weitläufig ist, manchmal tektonisch wie bei «Root the Will», manchmal eisig kalt wie bei «Visions and Time», aber immer menschlich. Gaahls Stimme fungiert dabei weniger als die eines Frontmanns, sondern eher als die eines schamanischen Führers: Gesang, Crooning, Knurren und Stille sind alle mit Bedacht verwoben.
Am aufschlussreichsten ist vielleicht Lust Kilmans Gitarrenspiel: Teils rituell, teils elegisch, zielen seine Soli in Tracks wie «And the Now» nicht darauf ab, zu blenden – sie sprechen. Spektres Schlagzeugspiel pulsiert nicht aggressiv, sondern spannungsgeladen und hält sich oft gerade so lange zurück, dass ein Gefühl der Unruhe entsteht. Selbst die Zwischenspiele wie «Voices in My Head» oder auch «Through the Veil» dienen nicht als Füllmaterial, sondern als rituelle Schwellen zwischen verschiedenen Zuständen.
Ja, hier steckt Black-Metal-DNA drin, die jedoch mutiert, verfeinert und durch gotische Melancholie sowie progressives Storytelling gefiltert wurde. Die Band suggeriert mehr als dass sie schreit. Sie dominiert nicht, sondern desorientiert. Wie ein Traum, an den man sich im Morgengrauen nur noch vage erinnert, lässt sich «Braiding the Stories» nicht so leicht fassen. Es bleibt haften, verwirrt und verlangt letztendlich nach einem erneuten Hören.
Dies ist kein Album für Ungeduldige. Doch wer bereit ist, starre Erwartungen loszulassen und Gaahl durch den Schleier zu folgen, wird mit einer immensen Belohnung entschädigt. Hier liegt ein eindringliches, leuchtendes Werk vor, das sowohl Nostalgie als auch Konventionen ablehnt. «Braiding the Stories» kann durchaus als eine musikalische Erfahrung auftrumpfen und gefällt.
Lukas R.