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Auch wenn die skandalträchtigste Truppe aus L.A. nach «Dr. Feelgood» noch vier weitere Alben veröffentlichte, so fanden sich in den letzten Setlisten keine einzige Nummer davon. Das zeigt einerseits die Klasse der hier in einer Box wieder veröffentlichen Scheiben auf, andererseits aber auch, dass MÖTLEY CRÜE nach den Million-Sellern ihren grossen Hits nur noch hinterher liefen.
Too Fast For Love
Der erste Streich der Jungs um Nikki Sixx (Bass) war sicherlich noch nicht der Geniestreich, der zusammen mit Tommy Lee (Drums), Mick Mars (Gitarre) und Vince Neil (Gesang) eingespielt wurde. Trotzdem waren die Jungs so klug, dass sie mit «Live Wire» einen Hit als Opener präsentierten, dass der Rest dabei fast "überflüssig" wurde. Allein das von Mick auf Vinyl gedonnerte Riff zu «Live Wire» war eine Offenbarung, was zu dieser Zeit von vielen jungen Fans förmlich aufgesogen wurde. Zusammen mit «Take Me To The Top» und dem elektrisierenden «Piece Of Your Action» bot das Debüt wichtige Hits, welche die Band noch lange auf Tour begleiten sollten. Der Titelsong und «Starry Eyes» besassen dieses Evergreen-Feeling, das die Lieder aber nie für sich beanspruchen konnten, weil die Herren mit dem Zweitling den in meinem Augen unantastbaren Oberknaller ablieferten. Nicht zu vergessen auf diesem Werk, das gnadenlos geniale Drumming von Tommy.
Shout At The Devil
Meine Damen, meine Herren. «Shout At The Devil» ist dieses Album, das bei mir zu den Scheiben gehört, die ich auf eine einsame Insel mitnehmen würde, Und dies als Top-3. Allein das Intro «In The Beginning» baut eine dermassen packende Stimmung auf, dass alles was danach folgt, nur grandios sein kann. Statt eines schnellen Tracks gehen die Jungs mit dem eher "schleppenden" Titelsong ins Rennen und machen keine Gefangenen. Das von MTV bekannte «Looks That Kill» zeigt eine Truppe, die auf die grossen Bühnen steigen will und dafür gewillt ist, alles zu geben. Bei diesem Werk passt alles, die Aufmachung, die Bühnenklamotten und die Lieder. Highlights sind sicherlich die schnellen «Red Hot» und «Bastards», sowie das langsame «Too Young To Fall In Love», zu welchem es ein weiteres, grandioses Video abgedreht wurde. «Ten Seconds To Love» und das düstere «Danger» rundeten eine Scheibe ab, die in sich sehr stimmig war, aber auch viel Abwechslung bot, wie das Beatles Cover «Helter Skelter». Am 14. November 1984 waren die Jungs die erste Band, welche ich auf der Bühne sah. Als Support von Iron Maiden («Powerslave»-Tour) machten sie Abend für Abend dem Headliner das Leben schwer. Mötley Crüe standen mit beiden Beinen im Heavy Rock der Achtziger.
Theatre Of Pain
Der Erfolg forderte seinen Tribut, und eines der ganz schwarzen Kapitel war der tödliche Unfall von Hanoi Rocks Trommler Razzle, als Vince am Steuer sass. Mit diesem Schicksalsschlag ging die Gruppe ins Studio und veröffentlichte eine Scheibe, die auf den ersten Eindruck als schwächstes Album der Truppe abgestempelt werden kann. Statt Leder kleideten sich die Jungs in bunte und schrille Klamotten, verabschiedeten sich vom Schriftzug (was bei jedem neuen Album passierte) und präsentierten den Fans ein glattgebügeltes Werk. Man war gewohnt, dass Nikki das Album mit einem starken Song startete, aber mit «City Boy Blues» wurde «Theatre Of Pain» eher lau eröffnet. Die beiden Single-Hits «Smokin' In The Boys Room» und die Mega-Ballade «Home Sweet Home» liessen den Erfolg jedoch nicht abklingen, und so stieg das Album in die US-Charts auf Platz 6 ein. Hört man sich die Scheibe genauer an, so verstecken sich viele Perlen darin, wie die «Keep Your Eyes On The Money» und «Tonight (We Need A Lover)». Selbst das schwerfällige «Save Our Souls» hatte (s)einen magischen Moment, während «Used It Or Lose It» ein schneller Track war. Mit dem abschliessenden «Fight For Your Rights» dürfen die Jungs noch heute Stolz auf den Drittling sein, auch wenn er soundtechnisch nicht an die Meisterleistung seines Vorgängers heran kam.
Girls, Girls, Girls
Weg von den bunten Klamotten hin zu einer rockigeren und bluesigeren Version, das war «Girls, Girls, Girls». Der Titelsong, wie auch der Opener «Wild Side» gehören noch heute zu den besten Momenten, welche Crüe jemals fabrizierten. Auch wenn der exzessive Drogenkonsum die Band nicht unbedingt zusammen schweisste, entstand eine Scheibe, welche bedeutend rockiger ans Tageslicht kam, als seine Vorgänger. «All In The Name Of…», «Dancing On Glass», das Cover «Jailhouse Rock» und «Five Years Dead» zeigten eine Band, die sich vom Glamour entfernte und sich näher bei Aerosmith wiederfand als zuvor. Die Jungs hatten mit «Wild Side» und «Girls, Girls, Girls» ausserdem zwei Smasher am Start, welche zum Besten gehörten, was Mötley Crüe jemals veröffentlichten. Trotzdem gehört das Album in meinen Augen nicht zu den stärksten ihrer Karriere. Nichtsdestotrotz erreichte die Scheibe den zweiten Platz in den US-Charts. Das lag aber wahrscheinlich auch am immer grösser werdenden Drogenkonsum.
Dr. Feelgood
Ein bedauerlicher Umstand, der Mister Sixx fast das Leben gekostet hat und sein Leben daraufhin radikal änderte. Was daraus resultierte, war das sich am besten verkaufende Werk. Die Band schien frischer zu sein, als noch auf der vorherigen Tour und bietet mit «Kickstart My Heart», «Same Ol' Situation», «Don't Go Away Mad (Just Go Away), dem Titelsong und «Without You» einen Klassiker nach dem anderen. Dabei geraten «She Goes Down» und «Rattlesnake Shake» oftmals fast in Vergessenheit. Noch heute sind in der Setliste die meisten Songs auf diesem allein in den USA mit sechsfach Platin ausgezeichneten Werk zu hören. Was sich hier wie ein Märchen anhört, wurde dann mit dem selbstbetitelten Folgewerk «Mötley Crüe» (1994) abrupt ausgebremst. Statt Vince sang John Corabi auf dieser Scheibe. Nicht nur dies schienen die Fans nicht zu akzeptieren, sondern auch die bedeutend düstere und komplexere Stilrichtung. Trotzdem gehören die Vier zu den grossen, welche in den achtziger Jahren das Business mitgeprägt hatten. Eine Truppe, die sich auf jedem Album in einem anderen musikalischen Stil präsentierte und trotzdem immer Mötley Crüe waren. Eine Band, die dank des unglaublichen Spiels von Tommy (wer dreht sich bei seinem Solo um die eigene Achse?!) und speziell Mick, Akzente setzen konnte. Aber auch eine Combo, die nun auf der aktuellen Tour ohne den gesundheitlich angeschlagenen Mister Mars auskommen muss. An seiner Stelle haut nun John 5 (Ex-Marilyn Mansen) in die Saiten.
Tinu