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Diese Rezension schreibe ich aus der Tiefe eines Brunnens. Schmerz ist eine vielschichtige, sensorische und emotionale Erfahrung, die mit tatsächlicher oder potenzieller Gewebe-Schädigung verbunden ist und vom Nervensystem verarbeitet wird. Oft führt sie zu einem physischen oder psychischen Zusammenbruch unter Stress. Die Rede ist von GHOST BATH und ihrem neuen Werk «Rose Thorn Necklace».
Dieses Album ist ein solcher Zusammenbruch, heisst ein langsamer, bewusster Abstieg an einen Ort, aus dem ich mich beinahe befreit hatte. «Rose Thorn Necklace» stellt keine Fragen und bietet keine Katharsis. Es ist einfach da, ein Stück erstickender Schönheit und Verzweiflung, das davon ausgeht, dass man bereits ertrunken ist, und einem statt eines Seils einen Anker bietet. Dennis Mikula, die einzige Konstante in der zerbrochenen Existenz von Ghost Bath, hat hier etwas erschaffen, das nicht existieren sollte, nicht bei Tageslicht, nicht unter Menschen. Zu intim, zu ehrlich, zu krank.
Neun Tracks, 36 intensive Minuten, und doch gelingt es, die Zeit wie den Schmerz zu dehnen, zu etwas Elastischem, Desorientierendem, Unausweichlichem. Offensichtlich finden sich hier Lieder, Titel, Abschnitte. Aber was bleibt, ist eher ein Zustand als eine Sammlung, ein einziger, viel zu langer Atemzug. «Grotesque Display» eröffnet nicht, sondern öffnet einen. Piano und Synthesizer klingen wie ferne Erinnerungen, kaum hörbar, schon wieder verklingend. Dann folgt der Titeltrack «Rose Thorn Necklace», ein Wiegenlied und eine Hinrichtung zugleich. Es ist schön, was es noch schlimmer macht.
Wenn etwas so Erschütterndes schimmert, weisst man, dass man es nicht überleben soll. Ihr sollt es fühlen, roh, ungefiltert, ohne Hoffnung. «Well, I Tried Drowning» Natürlich habt Ihr es versucht. Wer hat das nicht? Die Gitarren zucken, der Gesang kratzt. Nichts passt zusammen, und genau darum geht es. Trauer fügt sich selten harmonisch zusammen. Instrumentales wie «Thinly Sliced Heart Muscle» und «Needles» sind keine Zwischenspiele, sondern Druckpunkte. Sie lassen keine Zeit zum Atmen, sie erinnern mehr daran, dass Ihr es vergessen habt, wie das geht. «Dandelion Tea», ein Name, der nach Frühling klingt.
Lasst Euch nicht täuschen, es ist blühende Fäulnis. «Vodka Butterfly» ist auch nicht besser. Es tanzt fast, aber nur so, wie ein Körper zuckt, wenn es zu spät ist, Hilfe zu holen. Der Drum-and-Bass-Rhythmus wirkt zufällig, als versuche Euer Herz, sich daran zu erinnern, wie Normalität sich anfühlt. Die letzten Tracks ziehen einen über glühende Kohlen – «Stamen And Pistil», «Throat Cancer» – Namen, die Metaphern sein könnten, es aber nicht sind. Hier gibt es keine Metaphern. Nur die schmerzhafte Tatsache des Daseins. Nur Mikula, krank und entblösst, schreit in eine Leere, die kein Echo findet. Dies ist kein Album, das man sich einfach hört.
Es ist eines, das man übersteht oder auch nicht. Und das Erschreckendste daran? Es ist sehr gut. Nicht, weil es raffiniert oder innovativ ist, sondern weil es wirklich schmerzt. Jeder Ton, jeder Schrei, jede dissonante Note trifft genau ins Mark. So präsentieren sich Ghost Bath in ihrer intensivsten und unbarmherzigsten Form. Die Geister sind jetzt lauter und weinen absichtlich. Diese Platte wird Euch nicht retten, aber wenn Ihr aufgehört habt nach Rettung zu suchen, könnte «Rose Thorn Necklace» der perfekte Soundtrack für Euren stillen Zusammenbruch sein. Willkommen zu Hause.
Lukas R.