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«X-ÆON» klingt verdächtig nach dem 15. Kind von Elon Musk – ist es aber nicht. Statt Windelrock gibt’s hier Weltraumfuzz: ein Album, das kosmischer klingt als jeder Babyname.
Mit «X-Æon» laden die kosmischen Reisenden von Giöbia aus Mailand dazu ein, weit über die Anziehungskraft des gewöhnlichen Rocks hinauszuschweifen.
Das sechste Album des Quartetts wirkt wie eine Übertragung aus einer Parallelwelt, in der analoge Verzerrung, kosmische Strahlung und menschliche Emotionen zu einer einzigen Frequenz verschmolzen sind. Bereits mit dem ersten Impuls von «Voodoo Experience» beschwört die Band ein dichtes Feld aus Fuzz und Phasing herauf, das wie ein Ritual aus Feedback und Rhythmus wirkt.
Gitarren oszillieren wie magnetische Plasma-Ströme, Melissa Cremas analoge Orgeln und Synths glimmen mit intelligenter Energie, und der Bass driftet, als würde er von kosmischen Schwerkraftwellen gelenkt.
Jeder Track geht in den nächsten über und bildet eine Traumschleife, die die Zeit auf sich selbst faltet. «Fractal Haze» und «The Death of the Crows» dehnen die Elastizität des Space Rock bis an seine Grenzen, während «1976» den Retro-Futurismus von Philip K. Dick (‘Träumen Androiden von elektrischen Schafen? literarische Vorlage für Ridley Scotts Film Blade Runner aus dem Jahr 1982.) kanalisiert – melancholisch, prophetisch und leicht paranoid. Seine gesprochenen Fragmente spiegeln die Unruhe und den Idealismus des Mailänder Parco-Lambro-Festivals von 1976 wider, als jugendliche Rebellion in Revolution überging.
Szenenwechsel
‘Depuis cinq cents siècles, les hommes n’occupaient plus, sur la planète, que des îlots dérisoires. L’ombre de la déchéance avait de loin précédé les catastrophes.’
Die letzte Suite des Albums, «La Mort de la Terre», verändert Sprache und Stimmung vollständig.
Die vier Sätze mit französischen Titeln – « Vers les Terres-Rouges », « Les Ferromagnétaux », « L’Eau Fugitive » und « Dans la Nuit Éternelle » – sind eine direkte Hommage an J.-H. Rosny aînés Roman ‘La Mort de la Terre’ aus dem Jahr 1910. Dieser Roman zählt zu den frühesten Visionen Europas vom Aussterben des Planeten und dem Überleben der Menschheit. Giöbia übersetzen diese literarische Apokalypse in Klang: eine Elegie für eine sterbende Welt, die dennoch von kosmischer Wiedergeburt schimmert. Durch die Verwendung der französischen Sprache erhält das Album eine traumhafte, retro-futuristische Anmut und verbindet die italienische Psychedelia des Albums mit der breiteren europäischen Vorstellungskraft, aus der sowohl Science-Fiction als auch Space Rock hervorgegangen sind.
«X-ÆON» erscheint uns als ein gravitatives Ereignis: schwerer, immersiver und seltsam intim. In einer Landschaft, in der viele Vintage-Klänge zu hören sind, verbiegt GIÖBIA diese durch Wurmlöcher und beweist einmal mehr, dass Space Rock immer noch wie die Zukunft klingen kann.
Lukas R.