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Unter den frostbedeckten Steinen unseres südlichen Nachbarn erhebt sich ein Aufwind, der nicht aus den südlichen Pinienwäldern, sondern aus den schwarzen Kiefernwäldern weit im Norden zu enstammen scheint. «Isvind», das zweite Werk von Svart Vinter, ist keine blosse Hommage an die Fjorde und den düsteren Himmel Norwegens – es ist eine Beschwörung.
Ein schwarzer Atem, kalt wie das nächtliche Meer, der sich durch alte Ruinen und gefrorene Gedanken schlängelt. Caput Mundi mag ihre Wurzeln sein, aber mit «Isvind» formen Svart Vinter Gletscher aus Klang. Andrea Maggionis Produktion ist karg und doch ehrfürchtig. Sie legt jedes Tremolo-gezupfte Stückchen Frost, jede Blastbeat-Lawine und jeden Schrei wie den Ruf eines Raben über der Tundra bloss. Eisige, ferne Gitarren schweben wie Winternebel durch skelettartige Wälder. Die Trommeln donnern nicht im menschlichen Rhythmus, sondern im Puls der Gletscher, die unter der Last der Zeit zerbrechen.
Der Opener «Torment» schlägt mit einer düsteren Böe in die Seele: heftig, scharf und unerbittlich. Doch inmitten dieses Sturms entfaltet sich eine seltsame Schönheit: Melancholische Melodien zittern unter der Last des existenziellen Frosts. «Of Cold and Grief» fängt eine Welt ein, die von endlosem Schneefall erstickt wird, während in «Where the Shadows Lie» die Stille aufgewirbelt wird, wie Frost, der durch die Adern kriecht. Der Titeltrack «Isvind» erscheint dann als das Zentrum des Sturms, eine Hymne an die Nichtigkeit, in der der Schmerz wie Wind durch verlassene Hallen hallt.
Svart Vinter sind wohl nicht hier, um etwas Neues zu erfinden sondern altes bekanntes etwas wiederzubeleben. Sie schöpfen tief aus den eisigen Quellen des norwegischen Black Metal der frühen 90er Jahre und kanalisieren die wilde Trostlosigkeit von Gorgoroth, die gewaltigen Schneestürme von Immortal und die Introspektion der frühen Ulver. Doch unter ihrer Wut verbirgt sich eine Eleganz, eine südländische Melancholie, eingehüllt in Frost, eine italienische Düsternis, die wie die Kapitolinische Wölfin am Palatin lauert.
Das ist Musik, die zu den dunklen Monaten gehört. Zu einem sternenlosen Himmel, zu Händen, die sich gegen frostiges Glas pressen. Es ist der Klang von Trauer, die zu Schnee geworden ist, von Isolation, die sich in Wind verwandelt hat. Nicht jeder Track schreit – manche weinen still. Manche flüstern in Sprachen, an die sich nur der Winter erinnert. Isvind erscheint als ein Sturm, eingefangen auf Vinyl, ein Ritual unter dem Nordlicht. Es spricht zu all jenen, die Schönheit in der Kälte finden, die allein im sterbenden Licht umherirren und lauschen, wenn der schwarze Wind ruft
Wir sind zwar Anfangs Sommer, doch erscheint es als kommt der Winter nicht mehr. Er ist schon da und ist schwarz.
Lukas R.