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In dem aufgewühlten Abgrund, in dem sich die Schatten von Göttern und Dämonen vermischen, erscheint «NIGHTFALLs Children Of Eve» wie eine Opfergabe für die Altäre des Trotzes - eine Beschwörung für jene, die es wagen, das Heilige nicht gegen Erlösung, sondern gegen den Rausch der Macht einzutauschen. Dies ist ein Testament, ein Sakrament der Revolte und der Vergeltung gegen den religiösen Handel mit Lust und Macht, eine Hymne an jene, die es wagen, das Göttliche herauszufordern und dabei ihre eigene Erlösung in der Sünde ihrer eigenen Schöpfung zu finden.
Seit mehr als dreissig Jahren wandeln Nightfall in den Fussstapfen von Giganten wie Rotting Christ und Septicflesh, deren Seelen mit dem Herzen des griechischen Metals verbunden sind, als wären sie in den Eingeweiden des antiken Olymp geschmiedet worden. Aber mit «Children Of Eve» werfen sie die letzten Überreste der Unterwerfung unter die Götter ab, die sie nicht mehr anbeten, und machen sich stattdessen die Essenz der Rebellion zu eigen. Nicht nur gegen den Himmel, sondern auch gegen die Ketten, die die Menschen an die Lüge der göttlichen Autorität fesseln. Es ist ein Sound, der nicht aus Hoffnung oder Transzendenz entsteht, sondern aus Rache und Macht.
Der Opener «I Hate» wirkt wie ein rituelles Opfer, die Rhythmus-Gruppe hämmert mit dem Gewicht von tausend Opfern, während die Gitarren scharf und gebieterisch wie die gesegneten Dolche der Rache durch die Luft sausen. Efthimis Karadimas, der Meister und Prophet der Band, knurrt und heult wie ein Priester der Hölle, seine Stimme ist eine Mischung aus giftigem Zorn und düsterer, prophetischer Klarheit. Eine Predigt mit blutigen Händen, eine Botschaft an alle, die es wagen zuzuhören, dass der Glaube nicht heilig ist, sondern als Waffe benutzt wird, um zu manipulieren, zu kontrollieren, zu versklaven. Mit jedem Track verkündet «Children Of Eve» eine blasphemische Liturgie, die nicht der Erlösung, sondern der Verdammnis dient.
Der Einstieg in das neue Album ist ein Echo der Verachtung für die Herrschaft der Kirche, ein Aufschrei gegen die erdrückende Kontrolle, die der Glaube dem Geist der Gläubigen auferlegt. «The Cannibal» spuckt seinen Ekel vor dem Fanatismus der religiösen Elite aus, ein Lied, das die Knochen des Dogmas zerkaut, um den hohlen, machthungrigen Kern darunter freizulegen. Jedes Wort trieft vor Verachtung für die Strukturen, die seit langem versuchen, die Menschheit mit leeren Versprechungen für ihren Gehorsam bei der Stange zu halten. In «Children Of Eve» schreckt die Band nicht vor den Bildern der Verdammnis zurück, nein, sie umarmt sie ganz, wie die berauschende und gefährliche Berührung eines Liebhabers.
«Lurking» verfolgt den Zuhörer mit seinem verdrehten Refrain: "Ich bin ein Dämon der Finsternis, das Fleisch, das ich liebe, Erlöser des Zorns, Schutzherr des heiligen Zorns". Die Musik hebt und senkt sich wie der Atem eines Tieres, eines Wilden, eines Wesens, das rachsüchtig und transzendent zugleich ist, frei von den Regeln, die es zu beherrschen versucht. Die Kunst von «Children Of Eve» liegt nicht nur in der musikalischen Meisterschaft, sondern auch in der Fähigkeit, die korrupte Natur religiöser Kontrolle zu reflektieren. Das von Fotis Benardo bearbeitete Schlagzeug schlägt wie das unerbittliche Herz des alten Gottes, der Opfer fordert.
Die Gitarren, verzerrt und melodisch, weben eine Geschichte von Verrat und Vergeltung, einen Klang-Teppich, der so komplex und dunkel ist wie die Seelen, die er einzufangen versucht. Die Produktion des Trios Benardo, Karadimas und Krikos ist so überwältigend, dass man das Gefühl hat, von den Macht-Strukturen verschlungen zu werden, die sie zerstören wollen. Der klare und geknurrte Gesang wechselt wie die Stimme einer uralten Priesterschaft, die Verdammnis als Urteil wie die Erlösung zugleich anbietet und auf ewig an den Kreislauf der Sünde gebunden ist. Die zehn Tracks des Albums sind eine rituelle Prozession, jeder Song eine dunkle Opfergabe in einer grösseren Zeremonie des Trotzes.
«Seeking Revenge» ist ein blutgetränktes Gebet, dessen unheimliches Intro sich zu einer Eruption der Macht aufbaut, die wie ein Ruf zu den Waffen und eine Kriegserklärung wirkt. In «The Traders Of Anathema» ertönt ein wütendes Gitarren-Solo, der Klang von tausend verfluchten Seelen, die nach Rache schreien. Das Konzept des Gehorsams wird hier zerrissen, indem die Band den dunklen, rebellischen Geist von Judas Ischariot heraufbeschwört, jenem legendären Verräter, dessen Sünden von eben jenen Macht-Strukturen geheiligt wurden, die sie nun zu unterdrücken versuchen. «Children Of Eve» ist das Werk derer, die die Hässlichkeit der religiösen Mächte der Welt gesehen und sie abgelehnt haben. Die Botschaft ist nicht Unterwerfung, sondern Empowerment.
Gemeint ist die Kraft, sich zu wehren, sich den Ketten des Glaubens zu widersetzen, die aus Lust und Gier geschmiedet wurden. Efthimis Karadimas' eigene Kämpfe mit Depressionen sind in das Ganze eingewoben und erinnern daran, dass auch Aussenseiter, die ihre Dämonen offen mit sich herumtragen, in ihren dunkelsten Stunden Kraft finden können. "Wenn du Dämonen im Kopf hast, kannst du nicht der ideale Partner sein" sagt er. "Das Stigma, das du trägst, kann zu Isolation führen. Und doch liegt in dieser Isolation eine Kraft, sprich die Kraft etwas Stärkeres aufzubauen, eine Gemeinschaft, die nicht auf den falschen Versprechungen des Göttlichen beruht, sondern auf der ungeschminkten Wahrheit menschlichen Leidens und Widerstands." «Children Of Eve» ist der Sound der Rebellion.
Es ist der Klang der Rebellion gegen diejenigen, die den Glauben benutzen wollen, um zu kontrollieren und zu korrumpieren, gegen diejenigen, die ihre Seelen für Macht verkaufen. Es ist eine Unabhängigkeits-Erklärung von den Ketten, die uns binden wollen, ein Aufruf an die Verdammten und Zerbrochenen, sich zu erheben und zurückzufordern, was ihnen rechtmässig zusteht: ihre eigene Macht, ihre eigene Stimme, ihre eigene Freiheit. Nightfall verlangen keinen Gehorsam, sie verlangen Widerstand, und mit dieser Herausforderung haben sie ihr bisher stärkstes und gefährlichstes Album geschaffen. Es ist ein Schlachtruf, und zwar gegen den religiösen Handel mit Lust und Macht, ein Schlachtruf für all diejenigen, die es wagen, jenseits der Reichweite der Götter zu leben. Musikalisch und textlich meisterhaft, besonders im Hinblick auf die aktuellen Entwicklungen im Vatikan und wenn man sich den Film "Conclave" angesehen hat.
Lukas R.