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Ich muss zugeben, dass ich anfangs eher kritisch an diese Rezension von LORD OF THE LOST heranging. Irgendwie will kein Metalhead eine Eurovisions-Band ernst nehmen. Da sich aber keiner meiner anderen Schreibkollegen für diese Band zuständig fühlen wollte, habe ich mich schliesslich überwunden.
Nur wenigen Bands, die auf der Eurovision-Bühne stehen, gelingt es, ihre kurzlebige Bekanntheit in dauerhafte Glaubwürdigkeit umzuwandeln. Lord Of The Lost jedoch bauen ihre Reichweite über diesen Moment hinaus aus. «Opvs Noir Vol. 1», der erste Teil einer geplanten Trilogie, ist sowohl eine Konsolidierung, als auch eine Steigerung: ein Statement, das auf die Gothic-Industrial-Wurzeln der Band zurückblickt und gleichzeitig die orchestrale Metal-Theatralik weiter vorantreibt.
Das Album macht seine Absichten früh deutlich. «Bazaar Bizarre» ist ein überwältigender Opener: Dichte Schichten aus Percussion, Synthesizern und Chören umrahmen Chris Harms' unverkennbare Bariton-Stimme. Die Stimmung wird auf «Moonstruck» eher cineastisch, wo Gothic-Chöre und wechselnde Tempi das Gespür der Band für Dramatik unterstreichen. Im Gegensatz dazu erinnert «Damage» mit seinen riffgeladenen Drives und hämmernden Rhythmen an die Industrial-Wurzeln der Band und gehört zu den eingängigsten Momenten des Albums.
Die Gastbeiträge sind sorgfältig ausgewählt und grösstenteils sehr effektiv. Sharon den Adel (Within Temptation) veredelt «Light Can Only Shine In The Darkness» mit einem kristallklaren Kontrapunkt zu Harms' dunkleren Tönen. Tina Guos Cello verleiht dem sonst in Formeln verfallenden Track «Ghosts» sowohl Zerbrechlichkeit als auch Bedrohlichkeit. Die Zusammenarbeit mit Feuerschwanz, «Lords Of Fyre», liefert einen der direktesten Refrains des Albums, der wie gemacht für Live-Auftritte ist.
Nicht jeder Track hat die gleiche Wirkung. «I Will Die in It» baut seine Hookline auf unerbittlicher Wiederholung auf, was auf Dauer etwas abgenutzt wirkt. «My Sanctuary» stützt sich zu sehr auf Synth-Pop-Minimalismus, um sich von den stärkeren Kompositionen abzuheben. Wenn die Formel jedoch funktioniert, wie bei «The Sadness In Everything», bei dem harte Growls auf ätherische weibliche Vocals treffen, ist das Ergebnis beeindruckend. Der letzte Track «Dreams Are Never Alone» reduziert alles auf das Wesentliche und beendet das Album mit einer düsteren, beinah trauernden Note, die auf den grösseren Umfang der Trilogie hindeutet.
Wenn das Ganze eine Schwäche aufweist, dann ist es seine Struktur: Viele Songs folgen "Eurovisions-Muster" von spärlichen Strophen, die sich hin zu orchestralen Refrains steigern. Dennoch setzen Lord Of The Lost diesen Ansatz überzeugend um, und die schiere Vielfalt der Klangfarben verhindert Langeweile. «Opvs Noir Vol. 1» ist keine Neuerfindung der Band, sondern eher eine Verfeinerung, heisst ein ambitioniertes, sorgfältig produziertes wie sehr radio-taugliches Werk, das Lord Of The Lost als eine der vielseitigeren Bands zwischen Gothic Rock, Industrial und symphonischer Übertreibung bestätigt.
Lukas R.