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Knorkator haben mit «Sieg der Vernunft» den Soundtrack für das Jahr 2022 geschaffen. Dabei treffen vorzügliche deutsche Texte auf himmlische Kompositionen, die manchmal progressiv, aber immer so eingängig wie poppig, wirken und bei denen ich mir wünsche, dass sich 95 Prozent der zu reviewenden Bands daran ein Vorbild nehmen würden.
Knorkator zeigen hier auch denjenigen Zuhörern Klasse mit ihrer Mischung aus knallharten Gitarren und verspielten Klavierklängen, die aufgrund fehlender Deutschkenntnisse die Reime nicht verstehen. Wer das auf der anderen Seite tut, sollte allerdings eine Affinität hin zu bitterbösem schwarzem Humor, Sarkasmus und giftiger Gesellschaftskritik haben. Knorkator wirken dabei nie schulmeisterlich, sondern beschreiben einfach überspitzt und konzentriert das, was aktuell abgeht. Besonders schön ist dabei der Titelsong «Sieg der Vernunft». Lieblich besingt die Strophe dreimal, wie man Konflikte friedlich zu Ende bringen könnte, nur um im Refrain als Lösung "Rache", "Vernichtung" und "Töten" anzubieten.
Das schnelle hektische «Wir sind der Hofstaat» beschreibt dagegen, wie wir uns in Europa als Krönung der Schöpfung und Vorbild für die ganze Welt sehen, und gleichzeitig den Rest hemmungslos ausnutzen. «Milliardäre» prangert mit einer lockeren, poppigen Melodie die Machenschaften des modernen Geld- und Militäradels an, und was die vielen Moneten mit ihm macht. Den Schlagruf «Die Welt braucht keine Milliardäre» ruft zur friedlichen Revolution auf. Ebenfalls toll zeigt sich das mit einem riesigen Riff versehene «Tut uns leid», das mit einer lustigen Melodie den Zynismus der heutigen Generationen beschreibt, und wie wider besseres Wissen auf Kosten künftiger Menschen die Ressourcen hemmungslos aufbraucht. Im Refrain singen Knorkator dabei: «Tut uns leid liebe Kinder.
"Wir haben alles aufgefressen, für euch ist nichts mehr da, euch haben wir ganz vergessen, hier noch ein Kanten Brot, ein paar Tage reicht er, schlagt doch ein paar von euch tot, dann teilt sichs leichter." Für mich machen gerade solche Texte das Album besonders wertvoll, und wenn es gegen Schluss mit den Soundcollagen «Menschenfleisch» und «Knurrkater» sehr experimentell wird, zeigt das nur die musikalische Klasse der Berliner. «Sieg der Vernunft» ist ein schlicht geniales Album, dass es zu entdecken gilt, und damit es für Metal Factory Leser spannend bleibt, verzichte ich hier bewusst auf die Beschreibung jedes einzelnen Liedes. Reinhören, nachdenken, Kritik ernst nehmen - und dann einfach weiter mit Vollgas in die Hölle wie bisher.
Roger W.