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Ja, ich bekenne mich schuldig: Ich hatte in den 70er Jahren tatsächlich das Bravo-Starschnitt-Poster in meinem Jugendzimmer hängen. Ja, Ich glaubte auch, dass The Sweet die beste Band der Welt waren, und versuchte, wie Andy Scott auszusehen. Ja, ich habe sie 2024 endlich erstamal live in Appenzell gesehen, und ja, ich gebe zu, dass ich jede Minute davon nostalgisch genossen habe.
Und jetzt bin ich wieder hier und schreibe eine weitere Rezension über sie – wahrscheinlich als letzten Akt nostalgischer Loyalität. Zwar glaube ich heute nicht, dass The Sweet zu den besten Live-Bands der Welt gehören, doch diese Neuauflage von «Live at the Marquee» verdient es, angehört zu werden und war um einiges besser als das Konzert im Appenzell.
Aufgenommen im Februar 1986, kurz bevor der legendäre Marquee Club in London für immer seine Türen schloss, fängt dieses Konzert eine Band im Wandel ein. Andy Scott und Mick Tucker – die Hälfte der ursprünglichen Besetzung – wurden von Paul Mario Day (ehemals bei Iron Maiden), Mal McNulty (später bei Slade) und Phil Lanzon (legendär Uriah Heep) ergänzt. Gemeinsam verlagerten sie die Glitter-Wurzeln der Band hin zu etwas Roherem, Schwererem, das fast schon an den Geist der frühen NWOBHM heranreichte.
Das Set beginnt mit dem heftigen Puls von «Action» und geht nahtlos in «Sweet F.A.» über. Das erinnert daran, dass Sweet unter ihrer glänzenden Oberfläche im Herzen immer Rocker waren. «Love Is Like Oxygen» entfaltet sich in einer ausufernden, neunminütigen Version – teils pompös, teils progressiv, teils reines Adrenalin – mit Lanzons Keyboards (genial wie immer), die sich spiralförmig wie ein Fiebertraum aufschrauben.
Ja, es gibt Schwankungen und ja, man vermisst Connollys ikonischen Ton, aber Day liefert mehr Biss als Glanz und mehr Leidenschaft als Perfektion. «Set Me Free» und «Restless» treffen mit einer Power, die nur wenige von einer Band erwartet hätten, die einst als Glitzer-Lieblinge abgetan wurde. Die Bonustracks «AC/DC» und «Burn On The Flame» beenden die Show wie ein trotziges Grinsen.
Diese Neuauflage ist kein Museumsstück – sie erinnert daran, dass Sweet brüllen konnten. «Live At The Marquee» greift nicht nur die Vergangenheit auf, sondern holt sie zurück: laut, stolz und ohne Reue.
Lukas R.